Ærzte
Steiermark
|| 05|2013
15
Foto: Schiffer
gesundheitspolitik
Anzeige
Medikamente im Alter
Mag.pharm. Dr.
Gerhard Kobinger
D
ie Erkran-
k u n g s h ä u -
figkeit und
der Medikamen-
tenbedarf nehmen
statistisch gesehen
mit steigendem Le-
bensalter zu. Per-
sonen über 70 ver-
wenden laut einer
Studie durchschnitt-
lich ständig fünf ver-
schiedene Arzneimittel. Mit zwei
Blutdruckmitteln, einem Choleste-
rinsenker, einem Antidiabetikum und
einem NSAR haben wir eine typische
Medikation, wie wir sie regelmäßig
in der Apothekenpraxis finden. Klar
ist, dass ein älterer Organismus eine
andere Pharmakokinetik aufweist als
ein junger: die Aufnahme der Arznei-
stoffe aus dem Darm erfolgt im Alter
genauso schlechter wie die von Nah-
rungsstoffen. Transportproteine wer-
den in geringerem Ausmaß gebildet,
Leber und Niere verlieren an Gewicht
und somit an Ausscheidungsleistung.
Die physikalisch-chemischen Eigen-
schaften beeinflussen maßgeblich
Resorption, Verteilung, Metabolismus
und Elimination eines Arzneistoffs
und somit dessen Wirkstärke und
-dauer. Oft erzielt bei Senioren schon
eine deutlich niedrigere Dosis als
beim Jugendlichen die erwünschte
Wirkung. Es ist auch fraglich, ob die
Einnahmevorschriften wirklich befolgt
werden, ob das richtige Medikament
zur richtigen Zeit in der richtigen
Dosierung eingenommen wird. Die
Compliance bzw. Adherence nimmt
weniger mit dem Lebensalter als viel-
mehr mit der Anzahl einzunehmender
Medikamente ab. Für ein funktionie-
rendes Medikationsmanagement und
zur Verbesserung der Compliance
kann Ihre Apothekerin oder Ihr Apo-
theker gerne einen Einnahmeplan er-
stellen, wo die PatientInnen den rich-
tigen Einnahmezeitpunkt (früh/mit-
tags/abends bzw. vor/während/nach
dem Essen) auf einen Blick ablesen
können. Dies wird – neben dem routi-
nemäßigen Interaktionscheck – umso
wichtiger, wenn mehrere (Fach-)
ÄrztInnen oder
Ambu l a n z e n
an der The-
rapie beteiligt
sind und zu-
dem noch
Selbstmedika-
tion betrieben
wird.
sollen. Es gibt überhaupt kein Konzept,
welche Leistungen jetzt verlagert wer-
den, wie das mit den Verhandlungspart-
nern – Länder und Sozialversicherungs-
träger – funktioniert. Die perfideste
Aussage ist, „wir heben die Qualität“.
Das ist eine gute Idee, aber: das kostet.
Das ist nicht billiger als derzeit.
Investieren!
Wenn man in Österreich wirklich
Mängel des Systems beseitigen will,
muss man investieren: in neue Struk-
turen, in neue Honorierungssysteme,
in bessere Vernetzung, in mehr Pri-
märprävention. Das kostet mehr Geld,
und diese Investitionen würden sich
auf längere Sicht in Kostendämp-
fungen rechnen, wie andere Staaten
auch zeigen. Aber jetzt den Deckel
zumachen und nichts zu tun, ist ein
blanker Weg in die Rationierung.
Diese Reform zerstört die bewährten
Elemente des österreichischen Systems,
ohne irgendeinen substanziellen Re-
formschritt zu setzen. Nachdem die
ganze Reform jetzt beschlossen ist,
muss man überlegen, wie man jetzt
weiter vorgeht. Auf jeden Fall wird
man ganz genau jede einzelne Ent-
scheidung, die hier gefällt wird, auf die
Wirkungen im Bezug auf Rationierung
etc. betrachten müssen. Man wird bei
einigen Punkten den Rechtsweg be-
schreiten können.
Diese Idee der einnahmenorientierten
Ausgabenpolitik muss bekämpft wer-
den, indem man sagt: Bedarfsdeckung
vor Finanzierungsfragen. Das heißt,
ein verfassungsmäßiges Recht auf Ge-
sundheit zu schaffen. Wenn man das
tut, zwingt man die Politik, Reformen
zu machen, die eine intelligente Ko-
stendeckung bedeuten. Die Prävention,
der gut ausgebildeten Allgemeinmedi-
ziner, kann ja schon viel Geld sparen.
Die Botschaft muss lauten: Es kann
derzeit keine Kostendämpfung geben,
sondern man muss schrittweise die
Quote der Ausgaben des österrei-
chischen Gesundheitssystems anheben
und damit in die Zukunft und in mehr
Gesundheit investieren.
Das Bruttosozialprodukt hat mit der
Bedarfsentwicklung im Gesundheitssystem
überhaupt nichts zu tun.