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Ærzte
Steiermark
 || 02|2014
DiskusSion
Neue Wege
im Gesundheitswesen
Dietmar Bayer
Die im System erfahreneren
Kolleginnen und Kollegen
haben den direkten Ver-
gleich und wissen, dass die
Dienstbelastung im letzten
Jahrzehnt eine unglaubliche
Zunahme erfuhr. Einerseits
kommen PatientInnen mit
Erkrankungen in unsere Am-
bulanzen, die frühere (und
mündigere) PatientInnenge-
nerationen selbst behandelt
hätten, andererseits lässt die
Arbeitswelt es nicht mehr
zu, einfach so zum Arzt zu
gehen, und die Patientin/
der Patient wird durch die
generelle Entwicklung des
„Systems“ dazu gezwungen,
an Tagesrandzeiten, ärztliche
Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Ein nicht unwesentlicher Teil
der AmbulanzpatientInnen
kommt aber auch aus einem
ganz bestimmten Kalkül: Die
Wartezeit ist an Tagesrand-
zeiten und am Wochenende
einfach erträglich kurz. Also
zwischen Abendessen und
Kino mal schnell in die Chi-
rurgieambulanz, weil man
möchte das Wimmerl am
Rücken anschauen lassen. Im-
mer wieder bekommt man zu
hören, dass das gefühlte ge-
sundheitliche Problem zwar
keine akuten Beschwerden
mache, aber man wolle sicher
gehen, dass es nichts Ernstes
sei. Dazu kommen dann noch
viele Fragen von mitleidenden
Angehörigen, die sofort be-
antwortet werden müssen,
denn man will ja jetzt mit der
Ärztin/dem Arzt sprechen.
Zeit zu warten, hat man nicht.
Ich könnte hier seitenlang
darüber schreiben, jeder von
uns hat unzählige Beispiele
aus eigener Erfahrung … Das
ist aber nicht das Thema.
Vielmehr geht es mir darum
aufzuzeigen, dass unser von
uns Ärztinnen und Ärzten
als zentrale Säule getragenes
Gesundheitswesen so nicht
weitergeführt werden kann.
Es muss sich etwas ändern.
Einerseits im Anspruchsver-
halten der PatientInnen und
andererseits im Umgang mit
uns Ärztinnen und Ärzten,
aber auch systemisch.
Blick in die Statistik
Die Analysen verschiedenster
kundiger Personen (und da-
mit meine ich nicht primär
die Gruppe der so genannten
Gesundheitsökonomen) zei-
gen, dass wir in Österreich
eine zu hohe Spitalshäufigkeit
haben. Das zeigt auch die
OECD-Statistik auf. Dabei
fällt auf, dass wir 7,7 Betten
pro 1.000 Einwohner haben
und im oberen Spitzenfeld
liegen. Japan hat 13,7 Betten
und der OECD27-Schnitt liegt
bei 4,9 Betten/1.000 Einwoh-
ner. Zum Vergleich: Deutsch-
land weist 8,2/1000 Betten aus
(OECD Bericht 2011). Bei der
Auslastung (occupancy rate
of curative beds 2009) liegen
wir bei 79 Prozent, Deutsch-
land bei 76,2, der OECD25-
Schnitt weist 76,1 Prozent
aus. Die Spitalsentlassungen
zeigen auch ein interessantes
Bild: Im Jahr 2009 hatten wir
die höchste Entlassungsrate in
der OECD mit 265/1000 Ein-
wohner und lagen mit Frank­
reich (263/1000) im Ranking
fast gleich auf. Die Zahl der
Entlassungen stieg im Be-
obachtungszeitraum (2000-
2010) laut Statistik Austria um
19,4% inkl. tagesklinischer
Aufenthalte bzw. um diese
bereinigt um 10,8%. Im Ge-
genzug aber sank die Zahl
der Aufenthaltstage um 3%,
was bedeutet, dass die durch-
schnittliche Aufenthaltsdauer
von 7,6 Tagen auf 6,6 Tage
sank, was einem Rückgang
von 12,6% entspricht. He-
runtergebrochen auf die De-
mographie zeigen sich sehr
interessante Zahlen: Je älter
die PatientInnen, desto ex-
ponentieller steigen die Spi-
talsentlassungen und Aufent-
haltstage an, was letztlich ein
Drehtüreffekt zu sein scheint.
Hier gilt es auch, einen ersten
Anker zu setzen und einzuha-
ken: Wir haben in Österreich
zu viele Akutbetten und zu
wenig Pflegebetten. Das al-
leine ist aber sicherlich nicht
die Lösung des eingangs er-
wähnten Problems der über-
quellenden Ambulanzen an
den Tagesrandzeiten, Wo-
chenenden und Feiertagen.
Auf jeden Fall aber ist der
Entlassungsindex – und hier
sind wir Weltmeister – ein
wesentlicher Marker, neben
anderen Kennzahlen, für die
Funktionalität des Gesund-
heitswesens. Es lassen sich
daraus viele Schlüsse ziehen.
Eine wichtige Schlussfolge-
rung ist, wie der extramurale
Bereich funktioniert. Und da
sehen wir eindeutig Hand-
lungsbedarf. Eines vorweg:
Die Feststellung nach Hand-
lungsbedarf zielt nicht auf
die Qualitätsdebatte ab. Wir
haben als Gesellschaft Hand-
lungsbedarf.
Die Änderung in den sozio­
ökonomischen Parametern
hat auch vor Österreich
nicht Halt gemacht. Dazu
zählen Flexibilisierung der
Arbeitszeiten, das Platzgrei-
fen des anglo­amerikanischen
„Hire&Fire“ Prinzips bei un-
selbstständig Beschäftigten,
und somit der ständig dro-
hende Jobverlust, Wegfall tra-
ditioneller Unterstützungssy-
steme (allen voran: die „Groß-
familie“) mit ihren damals
vorhandenen sozialen Funk-
tionen, ein genereller „Werte-
Shift“ in der Gesellschaft, hin
zur egozentrierten Individu-
alisierung, die Halbbildung
und „Dr. Google“, das Redu-
zieren von Gesundheit auf ein
handelbares Gut und letztlich
der Versuch des Reduzie-
rens von uns Ärztinnen und
Ärzten auf den Begriff des
Gesundheitsarbeiters, eine
Ökonomisierung der Medizin
und so weiter.
Eine Vielzahl von Effekten also,
die in den letzten 15 Jahren auf
Das von Ärztinnen und Ärzten
als zentrale Säule getra-
gene Gesundheitswesen kann so nicht weitergeführt werden.
Es muss sich etwas ändern: eine Einladung zur Diskussion.
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