Ærzte
Steiermark
 || 02|2014
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Foto: Ärztekammer Steiermark
DiskusSion
uns als Gesellschaft eingepras-
selt sind, haben letztlich auch
vor dem Gesundheitswesen
nicht Halt gemacht.
Wir als Ärztinnen und Ärzte
haben jedoch von der Ge-
sellschaft (und letztlich der
Politik) nicht die Rahmenbe-
dingungen erhalten, um adä-
quat mit den uns belastenden
Phänomenen, welche generell
unter dem Begriff erhöhter
Druck subsummiert werden
können, umzugehen, obwohl
wir nun schon seit mehr als
zehn Jahren auf diese Ver-
änderungen hinweisen. Nun
kann man dagegen halten,
dass die Zahl der ÄrztInnen
ja deutlich angestiegen ist. Tja,
aber vergessen wird, dass die-
ser Anstieg der Ärztedichte
im Spital mit der Einführung
des Krankenhausarbeitszeit-
gesetzes in den ausklingenden
neunziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts eine Notwen-
digkeit war und es dadurch
gelang, den Kollaps des Sy-
stems durch übermüdete und
überarbeitet Ärztinnen und
Ärzte hintanzustellen.
Wir haben frühzeitig in un-
serer Verantwortung für den
Ärztestand als gemeinsam
angestellte und niedergelas-
sene Ärztinnen und Ärzte
zukunftsweisende, spitals-
entlastende Modelle erarbei-
tet und in der Ärztekammer
bis hin zur Gestaltung von
interdisziplinären, von uns
Ärztinnen und Ärzten ge-
führten Ärztezentren als Re-
formpoolprojekte entwickelt.
Die Politik macht uns gerne
den Vorwurf, die Ärztekam-
mer würde Pfründe sichern
und ständig NEIN sagen. Hier
muss der Politik der Vorwurf
gemacht werden, untätig ge-
wesen zu sein.
Rezept-Vorschlag
Wir haben ein Rezept für
unser hervorragendes, aber
in die Jahre gekommenes
Gesundheitswesen, um die
Effizienz zu verbessern: Dazu
ist es notwendig, einerseits
die Ärztinnen und Ärzte
dort auszubilden, wo Medi-
zin stattfinden soll, nämlich
wohnortnahe, beim Hausarzt.
Daher bedarf es einerseits ei-
ner Stärkung der Hausärztin/
des Hausarztes als Famili-
enmedizinerIn und anderer-
seits der Etablierung eines
verpf lichtend zu absolvie-
renden und gerecht bezahl-
ten Lehrpraxismodelles für
alle Ärztinnen und Ärzte in
Ausbildung zum Arzt für All-
gemeinmedizin. Vieles kann
bereits bei der Hausärztin/
beim Hausarzt „abgefangen
werden“ und in die rich-
tigen Bahnen (Normbehand-
lungswege) gelenkt werden,
ohne dass die meist teureren
und unterfinanzierten Spi-
talsstrukturen in Anspruch
genommen werden müssen.
Um die Spitalsambulanzen
und in weiterer Folge auch
stationären Einrichtungen,
landläufig als Spitäler be-
zeichnet, weiter zu entlasten,
ist es unerlässlich, interdis-
ziplinär aufgebaute und von
Ärztinnen und Ärzten betrie-
bene Ärztezentren zur wohn-
ortnahen, integrierten Ver-
sorgung auch an Tagesrand-
zeiten und Wochenenden/
Feiertagen zu errichten; Ohne
dass die freie Arztwahl aufge-
geben werden muss, ist den-
noch die Einführung eines
Normbehandlungsweges mit
Überweisungssystem von der
Hausärztin/vom Hausarzt
zum Ärztezentrum/Facharzt
und in weiterer Folge in die
Ambulanz, in Verbindung
mit einer sozial gestaffelten
Ambulanzgebühr als Korrek-
tiv zweckmäßig, um die soge-
nannten Selbstzuweisungen
deutlich zu minimieren. Das
widerspricht nicht dem Prin-
zip des mündigen Bürgers,
aber „Dr. Google“ ist nicht
das Maß der Dinge, denn
wozu bilden wir Ärztinnen
und Ärzte in einem sechsjäh-
rigen Studium und weiterfol-
gender sechsjähriger Facharz-
tausbildung bzw. dreijähriger
Allgemeinmedizinausbildung
aus? Wer dennoch meint,
er müsse wegen Kopfweh
zum Kieferorthopäden, dem
sei es als WahlarztpatientIn
unbenommen, dafür aber ist
da auch der Selbstbehalt in
der Rückverrechnung bereits
inkludiert. Generell ist an
dieser Stelle die Frage auf-
zuwerfen, warum es bei den
Gebietskrankenkassenver-
sicherten nicht auch einen
Selbstbehalt gibt. Ähnlich
wie bei der SVA sollte hier
ein Bonussystem Platz grei-
fen, welches den Selbstbe-
halt deutlich reduziert, wenn
Gesundheitsziele, welche ge-
meinsam mit dem Hausarzt
zum Beispiel im Rahmen
von regelmäßigen Vorsorge-
untersuchungen vereinbart
werden, eingehalten werden.
Ebenso kann bei Einhaltung
des Normbehandlungsweges
und somit der Vermeidung
von Konsultation teurerer
Strukturen, wie z.B. Ambula-
torien und Ambulanzen, eine
Reduktion des Selbstbehaltes
angedacht werden.
Stärkung
Was unser Gesundheitswesen
aber auch dringend benötigt,
ist die Entwicklung moderner
Leistungskataloge, welche die
Ärztinnen und Ärzte nicht
mehr dazu zwingen, mög-
lichst viele PatientInnen pro
Zeiteinheit zu sehen, sondern
eine Stärkung der gemeinhin
auch als sprechenden Medizin
bekannten Zuwendung bein-
haltet. Denn eine alte Weisheit
in der Ärzteschaft besagt, dass
vieles bereits durch eine aus-
führliche Anam­nese erkannt
werden kann. Dazu braucht es
aber Mut und dieser lässt sich
im aktuellen Regierungspro-
gramm aber maximal als Mut
zur Lücke finden. Vielleicht ist
auch darin das kategorische
Nein
zur Ambulanzgebühr
des Gesundheitsministers be-
gründet?
Dr. Dietmar Bayer, Fach-
arzt für Psychiatrie und
Psychotherapeutische Me-
dizin sowie Präsidialre-
fernt in der Ärztekammer
für Steiermark.
Was unser Gesundheitswesen dringend benötigt,
ist die Entwicklung moderner Leistungskataloge.
Dietmar Bayer
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