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Ærzte
Steiermark
|| 02|2014
medien und ethik
Wissensdurst muss
nicht gestillt werden
Der Fall Michael Schumacher:
Die Öffentlichkeit lechzt nach
Neuigkeiten und eigenartige Zugriffszahlen auf die Patientenakten
werden vernommen. Ethisch und rechtlich bedenkliche Vorgänge.
Robert Ernst-Kaiser
Hunderte JournalistInnen,
dutzende Kameras und eine
Öffentlichkeit, die über jedes
kleinste Detail genauestens
Bescheid wissen will: Das wa-
ren bzw. sind die Begleitum-
stände an der Klinik in Gre-
noble rund um den Schiunfall
von Formel-1- Rekordwelt-
meister Michael Schumacher.
Im Lauf der Berichterstattung,
die mit Liveticker-Berichten
und täglichen Titelseiten gar-
niert war, wurde auch be-
kannt, dass sich Mitarbei-
terInnen der französischen
Klinik in die Akten einge-
loggt und die Hirnscans be-
gutachtet haben. Daraufhin
wurde der Zugang gesperrt
und nur mehr Chefärzten
Zugang zu den Unterlagen
gewährt. Auch ein Journalist
versuchte, sich Zugang zur
Klinik zu verschaffen – als
Priester verkleidet. Ethisch
und rechtlich werfen diese
Begleiterscheinungen einige
Fragen auf.
Für den Vorsitzenden der
Ethik- und Beschwerdekom-
mission der Ärztekammer
für Steiermark, Ronald Kurz,
sollte die Lust der Öffent-
lichkeit an einer Krankheit
bzw. einem Unfall nicht mit
täglichen Auskünften von
Ärztinnen und Ärzten gestillt
werden: „Es ist nicht anzu-
nehmen, dass in Situationen
wie diesen, die Mitteilung
des Gesundheitszustandes
zum Schutz eines höherwer-
tigen Interesses der öffent-
lichen Gesundheitspflege oder
Rechtspflege erforderlich ist.“
Für Kurz werden ethische
Fragen mit den „Fortschritten
der Medizin immer komple-
xer, und Entscheidungen zur
Wahrung der fundamentalen
Rechte des Menschen auf Le-
ben, Integrität und Würde
zunehmend anspruchsvoller.“
Dies betrifft laut Kurz jede
Facette ärztlichen Handelns
in Praxis und Forschung.
Geht es nach dem Salzburger
Religionspädagogen Anton
Bucher, sollte „Ethik“ schon
an den Schulen stattfinden:
„Auch wenn es an Kranken-
häusern in zunehmendem
Maße Ethikkommissionen
und Ethikkomitees gibt, be-
steht der Eindruck, dass die-
sem Ziel im Ausbildungscur-
riculum der Ärzte mehr Be-
achtung geschenkt werden
sollte. Grundsätzlich sollte
Ethikunterricht bereits in der
Schule beginnen, wird aber
politisch verschleppt.“
Rechtlich kann ein Blick
in „fremde“ Patientenakten
für die Ärztin/den Arzt in
den KAGes-Spitälern durch-
aus dienstrechtliche Konse-
quenzen haben. Über genaue
Protokolle ist sichtbar, wer
wann auf welche Akten zu-
greift. Auch nach außen gibt
es für PatientInnen einen
Schutzmechanismus. Besteht
eine Patientin/ein Patient da-
rauf, während des Klink-Auf-
enthaltes geschützt zu blei-
ben, kommt die sogenannte
„Portierliste“ zum Zug. Der
Wunsch der Patientin/des
Patienten wird in „openME-
DOCS“ vermerkt, somit hat
niemand die Möglichkeit,
neugierigen JournalistInnen
Auskunft zu geben, ob diese
Person im Moment in der
Klinik ist.
Auch im Krankenhaus der Eli-
sabethinen zeigt man sich im
Umgang mit der Presse gerü-
stet. „Auskünfte zu Patienten
erhalten bei uns nur Personen,
die das vom Patienten und
von Angehörigen vereinbarte
Kennwort nennen können.
Wenn Mitarbeiter mit Jour-
nalistenanfragen konfrontiert
werden, oder Medienvertreter,
insbesondere Kamerateams,
im Haus wahrnehmen, sind
sie dazu verpflichtet, den Pres-
sesprecher zu informieren“,
so Geschäftsführer Christian
Lagger.