Ærzte
        
        
          Steiermark
        
        
           || 07/08|2013
        
        
          19
        
        
          interview
        
        
          selbstständig, schnell, sicher, steirisch
        
        
        
          VER_INS_Woche_130516.indd   1
        
        
          23.05.13   13:45
        
        
          Die Wahlzahnärzte waren im
        
        
          Vergleich zu den Kassenzahn-
        
        
          ärzten mehr davon betroffen,
        
        
          weil unter anderem die Kon-
        
        
          kurrenz größer geworden ist.
        
        
          Die Kassenambulatorien bieten
        
        
          jetzt auch Privatleistungen an,
        
        
          die Zahnärztekammer will
        
        
          gleichzeitig eine Ausweitung
        
        
          der kassenzahnärztlichen
        
        
          Leistungen. Das ist ja eine fast
        
        
          paradoxe Entwicklung?
        
        
          
            Fürtinger:
          
        
        
          Die Situation der
        
        
          Zahnärzte ist schwierig. Man
        
        
          muss sich darüber im Kla-
        
        
          ren sein, dass in Österreich
        
        
          Kassenleistungen durch Pri-
        
        
          vatleistungen subventioniert
        
        
          werden. Kassenleistungen sind
        
        
          unterbezahlt. Das ist auch der
        
        
          Grund, warum die Privatlei-
        
        
          stungen bei Zahnärzten in Ös-
        
        
          terreich eher höherpreisig sind.
        
        
          Daher gibt es auch den Druck
        
        
          des Auslandes, womittlerweile
        
        
          aber eine Preisannäherung
        
        
          erfolgt. Jetzt wollen die hoch-
        
        
          defizitären Kassenambulato-
        
        
          rien auch noch ein Stück vom
        
        
          Kuchen der Privatleistungen
        
        
          haben. Das ist aber eher ein
        
        
          ideologisches Problem, da nur
        
        
          ca. 5% der Patienten bisher
        
        
          von den Kassenzahnambula-
        
        
          torien betreut wurden. Was
        
        
          uns Zahnärzte dabei stört
        
        
          ist, dass es viel sinnvoller
        
        
          wäre den Kassenvertrag, der
        
        
          in seinen Grundzügen aus
        
        
          dem Jahre 1957 stammt, den
        
        
          heutigen zahnmedizinischen
        
        
          Möglichkeiten anzupassen.
        
        
          Denn davon würden alle Pati-
        
        
          enten profitieren und nicht nur
        
        
          einige Wenige, die nun sub-
        
        
          ventionierte Privatleistungen
        
        
          in den Ambulatorien beziehen
        
        
          können. Um das Problem
        
        
          aufzuzeigen  läuft derzeit eine
        
        
          Plakataktion in denWartezim-
        
        
          mern der zahnärztlichen Ordi-
        
        
          nationen, die die Patienten auf
        
        
          diese Missstände hinweisen
        
        
          und sensibilisieren soll. In
        
        
          den letzten Jahren konnte
        
        
          man durch Erweiterung des
        
        
          Privatleistungsangebotes die
        
        
          wirtschaftliche Situation stabil
        
        
          halten. Aber es ist eindeutig so,
        
        
          dass sich die Kassenleistungen
        
        
          stark reduziert haben. Mittler-
        
        
          weile ist eine Weiterentwick-
        
        
          lung bei den Privatleistungen
        
        
          aber nicht mehr so leicht
        
        
          möglich. Daher kämpfen wir
        
        
          an verschiedenen Fronten.
        
        
          Welche Anpassungen im Lei-
        
        
          stungskatalog wollen Sie denn?
        
        
          
            Fürtinger:
          
        
        
          Ein großes Thema
        
        
          seit zehn bis 15 Jahren ist die
        
        
          Kieferorthopädie. Festsitzen-
        
        
          de Regulierungen  spielen
        
        
          eine immer größere Rolle.
        
        
          Die müssen von den Versi-
        
        
          cherten vorfinanziert werden
        
        
          und sie bekommen nur ei-
        
        
          nen Bruchteil von der Kasse
        
        
          zurück. Hier sind die Sozial-
        
        
          versicherungen aufgefordert,
        
        
          gemeinsam mit den Zahn-
        
        
          ärzten an Lösungen für die
        
        
          Finanzierbarkeit für die Pati-
        
        
          enten zu arbeiten. Und es gibt
        
        
          neue Entwicklungen, wie die
        
        
          Implantate, die bereits eine
        
        
          Routinebehandlung darstel-
        
        
          len. Und wir betreiben immer
        
        
          noch eine reine Reparaturme-
        
        
          dizin. Vorsorge muss endlich
        
        
          finanziert werden.
        
        
          Diese Argumente unterschei-
        
        
          den sich grundsätzlich kaum
        
        
          von denen der Allgemeinme-
        
        
          diziner und der meisten Fach-
        
        
          ärzte. Es gibt also grundlegende,
        
        
          gemeinsame Ziele. Gemein-
        
        
          sames Agieren ist aber nicht
        
        
          erkennbar. Warum?
        
        
          
            Fürtinger:
          
        
        
          Wir haben das
        
        
          gleiche Problem: kein Lob-
        
        
          bying. Wir haben – Ärzte
        
        
          wie Zahnärzte – keine poli-
        
        
          tische Unterstützung. Ein ge-
        
        
          meinsames Auftreten ist aber
        
        
          schwierig, weil die Interessen
        
        
          doch zu unterschiedlich sind.
        
        
          Allein ist es aber auch sehr
        
        
          schwierig. Die Zahnärzte ha-
        
        
          ben zwar bei den eigenen
        
        
          Patienten wunderbare Zufrie-
        
        
          denheitswerte, das generelle
        
        
          Image des Standes wird aber
        
        
          als sehr schlecht eingestuft.
        
        
          Das liegt aber daran, weil der
        
        
          Zahnarztbesuch immer als
        
        
          unangenehm erlebt wird …
        
        
          … aus Wellness-Gründen geht
        
        
          man nicht zum Zahnarzt …
        
        
          
            Fürtinger:
          
        
        
          Richtig. Und das
        
        
          betrifft den Politiker, wie den
        
        
          Journalisten. Damit kämpfen
        
        
          wir, genauso wie die Ärzte.
        
        
          In der Gesundheitsreformde-
        
        
          batte waren die Zahnärzte eher
        
        
          zurückhaltend. Was sind die
        
        
          Gründe dafür?
        
        
          
            Fürtinger:
          
        
        
          Wir sind nicht
        
        
          direkt davon betroffen. Die
        
        
          Zahnärzte haben einen bun-
        
        
          deseinheitlichen Kassentarif.
        
        
          Die Zahnärzte stellen
        
        
          keinen relevanten
        
        
          Faktor für das Sozial
        
        
          versicherungssystem
        
        
          dar.
        
        
          Wenn die Kassenausgaben ge-
        
        
          deckelt sind, werden Sie nicht
        
        
          unberührt bleiben?
        
        
          
            Fürtinger:
          
        
        
          Die Zahnärzte
        
        
          sind in diesem Gesetz nicht
        
        
          enthalten. Wir haben ein un-
        
        
          limitiertes Einzelleistungs-
        
        
          system. Wir sind von dieser
        
        
          Zielsteuerung nicht betroffen.
        
        
          Allerdings sind die Sozialver-
        
        
          sicherungsausgaben im zahn-
        
        
          ärztlichen Bereich seit zehn
        
        
          Jahren unverändert, also unter
        
        
          Berücksichtigung der Inflation
        
        
          rückläufig. Die Zahnärzte stel-
        
        
          len damit keinen relevanten
        
        
          Kostenfaktor für das Sozialver-
        
        
          sicherungssystem dar, weil die
        
        
          Patienten die Leistungen mehr
        
        
          und mehr privat finanzieren.
        
        
          Jetzt wollen Sie aber mehr?
        
        
          
            Fürtinger:
          
        
        
          Eigentlich wollen
        
        
          wir mehr für die Patienten.
        
        
          Das ist aber eine politische
        
        
          Frage. Was ist man bereit, da-
        
        
          für auszugeben?
        
        
          Der Berührungspunkt mit der
        
        
          Ärztekammer ist der gemein-
        
        
          same Wohlfahrtsfonds. Wie
        
        
          sehen Sie diese Kooperation?
        
        
          
            Fürtinger:
          
        
        
          Es ist uns sehr
        
        
          wichtig, hier aktiv mitzuwir-
        
        
          ken und uns einzubringen. Ein
        
        
          autonomes Pensionssystem
        
        
          ist von großer Bedeutung und
        
        
          wird noch wichtiger werden.
        
        
          Zumal die Zahnärzte auch
        
        
          weiterhin zum Großteil als
        
        
          selbstständige niedergelassene
        
        
          Zahnärzte arbeiten werden.
        
        
          597
        
        
          Zahnärztestand
        
        
          Juli 2007
        
        
          653
        
        
          Zahnärztestand
        
        
          Juli 2013