Ærzte
Steiermark
|| 07/08|2013
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und Zweifel an Ihrer Unabhängigkeit.
Was ist Ihre Antwort?
Bittner:
Die Wertung sollte nach ge-
taner Arbeit gemacht werden. Ich lege
Wert auf eine gute Zusammenarbeit
mit allen Einrichtungen, die sich um
Patientenbeschwerden annehmen.
Was werden Sie tun, was die Patienten-
anwälte bisher nicht auch schon getan
haben?
Bittner:
Die Patientenanwaltschaften
sind eher für den Spitalsbereich zu-
ständig bzw. haben keine Kompetenz
für den niedergelassenen Bereich. Die
Patientenombudsstelle der ÄK-Wien
hat – obwohl völlig unabhängig – das
Disziplinarrecht der ÄK im Rücken.
Viel wichtiger ist aber die Intervention
mit betroffenen Ärztinnen und Ärzten,
um den ratsuchenden Patienten rasch
zu helfen und eventuelle Systemfehler,
die sich negativ auf Patienten auswir-
ken, aufzuzeigen und Lösungen dafür
anzubieten.
Knapp 15.000 Menschen haben an der
Wahl teilgenommen. Das ist eine sehr
geringe Wahlbeteiligung. Wie erklären
Sie sich das und fühlen Sie sich ausrei-
chend legitimiert?
Bittner:
Einerseits hatten wahrschein-
lich viele ältere Menschen mit dem
SMS-Wahlvorgang ihre Schwierig-
keiten. Jüngere und Gesunde, die kei-
nen Bezug zu den Kandidaten haben,
hatten wahrscheinlich kein übermä-
ßiges Interesse, daran teilzunehmen.
Andererseits war es erstmalig, dass
mittels SMS über eine solche Position
abgestimmt werden konnte. Gegenüber
von bestellten Patientenvertreterinnen
und -vertretern hat diese Position
sicher genügend Legitimation. Aus-
„Gegenüber von bestellten
Patientenvertreterinnen und
-vertretern hat diese Position
sicher genügend Legitimation.“
Wie sicherlich hinreichend bekannt ist, schuldet der
Arzt im Rahmen des ärztlichen Behandlungsvertrages
Diagnostik, Aufklärung und Beratung nach den aktuell
anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst. Grundsätzlich
wird durch jeden ärztlichen Eingriff in die körperliche
Integrität des Patienten eingegriffen, der Patient muss
in die jeweilige konkrete Behandlungsmaßnahme ein-
willigen.
Grundlage für eine Haftung des Arztes wegen einer
Verletzung der Aufklärungspflicht ist primär das Selbst-
bestimmungsrecht des Patienten. Zur Wahrung dieses
Selbstbestimmungsrechts ist es erforderlich, dem Patien-
ten durch entsprechende Aufklärung eine sachgerechte
Entscheidung zu ermöglichen. Fehlt es an diesen Ent-
scheidungsgrundlagen, ist die Behandlung grundsätzlich
rechtswidrig, auch wenn die Behandlungsmaßnahme
selbst medizinisch indiziert war und lege artis durchge-
führt worden ist. Der Arzt muss nicht von sich aus alle
überhauptinBetrachtkommendenBehandlungsmethoden
oder Operationsmöglichkeiten mit dem Patienten
erörtern, er muss aber, um dem Patienten eine selbstbe-
stimmte Entscheidung zu ermöglichen, über mehrere zur
Wahl stehende, diagnostisch oder therapeutisch adäquate
Verfahren informieren und mit dem Patienten die
Vor- und Nachteile der jeweiligen Methode erörtern.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände darf nicht über-
sehen werden, dass die Aufklärungspflicht unbedingt
auch Hinweise auf adäquate prophylaktische Behand-
lungsschritte zur Vermeidung oder zumindest größtmög-
lichen Hintanhaltung an sich typischer Behandlungs- oder
Operationsrisiken zu beinhalten hat, weil dem Patienten
erst dadurch eine ausreichende Grundlage für seine
eigenverantwortliche Entscheidung, ob und unter
welchen Voraussetzungen er ein Operationsrisiko auf sich
nimmt, geboten wird. Die Zustimmung eines Patienten zu
einem Eingriff oder zu einer Behandlungsmaßnahme in
Kenntnis des damit verbundenen Risikos ist nicht so zu
verstehen, dass er auf einen Aufklärung über das Opera-
tionsrisiko senkende Maßnahmen verzichtet hätte. Dies
wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass der Patient
in aller Regel gar keine Kenntnis von solchen Maßnahmen
hat. Erst wenn ihm diese Maßnahmen bekannt sind, kann
der Patient darauf verzichten. In einem vom Obersten
Gerichtshof entschiedenen Fall wurde im Zuge eines
Aufklärungsgesprächs vor einer Operation vom Arzt fest-
gestellt, dass die Vorderzähne des Patienten locker wa-
ren. Der Kläger wies den Patienten auf diesen Umstand
und darauf hin, dass es im Zuge der Intubation zu einer
weiteren Lockerung kommen könne und die Wahrschein-
lichkeit der Schädigung umso größer sei, je größer die
Vorschäden seien. Der Patient gab an, Kenntnis von
diesem Umstand zu haben, die Lockerheit stelle für ihn
bis dahin kein Problem dar und habe er ohnehin vor, die
Zähne in den nächsten 1-2 Jahren entsprechend „richten
lassen zu wollen“. Sowohl die Voruntersuchung als auch
die Anästhesie erfolgten unter besonderer Vorsicht lege
artis, dennoch kam es zu einer weitern Lockerung der
Zähne. Es hätte die Möglichkeit bestanden, die Zähne
vor der Operation zahnärztlich zu fixieren oder einen
Schutz anzufertigen. Darüber wurde der Patient nicht
informiert. Die Krankenanstalt wurde schuldig erkannt,
dem Patienten Kosten für die danach durchgeführ-
te Zahnbehandlung zu ersetzen. Dies deshalb, da er
nicht über Prophylaxe-Möglichkeiten aufgeklärt wurde.
Daran ändere auch die Aussage des Patienten, sich
ohnehin später die Zähne entsprechend behan-
deln lassen zu wollen, nichts, da ohne Kenntnis der
Präventivmaßnahmen
keine
vorbehaltslose
Einwilligung
in die Verwirklichung des ihm
beschriebenen Operationsrisikos
anzunehmen sei.
Ihr Rechtsanwalt.
Für jeden Fall.
Aufklärungspflicht
über prophylaktische
Maßnahmen
RA Dr. Herbert Emberger
schlaggebend wird aber der Erfolg für
die Betroffenen sein.
In der Vertretung der Patienten gibt es
eine individuelle Ebene, also das Ver-
sagen Einzelner, und eine strukturelle
Ebene, sprich Systemversagen. Welche
Ebene halten Sie für wichtiger und glau-
ben Sie, dass Sie auf der Systemebene
etwas bewegen können?
Bittner:
Das Problem des Einzelnen hat
natürlich Vorrang. Bei ähnlich gelager-
ten Problemen wird es eine Systemfrage
sein. Diese wird von mir dokumentiert
und an die jeweiligen Verantwortlichen
mit Vorschlägen zur Veränderung bzw.
zur Verbesserung weitergeleitet.
Die Medien haben die Wahl teils sehr
unfreundlich begleitet. Woher kommt
diese Skepsis Ihrer Meinung nach?
Bittner:
Ich habe die Skepsis – egal ob
in Medienkommentaren oder Patienten-
einrichtungen – nicht als unfreundlich
erachtet, sondern auf die diversen Aus-
einandersetzungen zwischen Ärzte-
kammern, Patientenanwaltschaften und
anderen Einrichtungen zurückgeführt.
Hatten doch die Ärztekammern in den
letzten Monaten nicht unbedingt die
Medien und die Öffentlichkeit für ihre
Anliegen (ELGA) gewinnen können.
Sie werden sicher Jahresberichte abge-
ben. Welche positive Bilanz wollen Sie
nach dem ersten Jahr und welche nach
Ablauf der gesamten Periode ziehen?
Bittner:
Natürlich wird es einen trans-
parenten, für alle zugänglichen Jahres-
bericht geben. Der Erfolg hängt von der
Anzahl der Beschwerden und den erfolg-
reichen Interventionen für die Patienten
ab. Jetzt wäre es noch viel zu früh, um
eine Aussage tätigen zu können.
Patient/Innen-Rechte