„Es gibt mehrere Ungerechtigkeiten“

Ein adäquates Einkommenssystem fordern die die steirischen Spitalsärzte. Obmann Herwig Lindner erklärt die Ungerechtigkeiten des derzeitigen und die Möglichkeiten eines neuen Systems.


ÄRZTE Steiermark: Zwischen Ärztekammer und KAGes laufen schon seit einiger Zeit Gehaltsverhandlungen. Ganz gewöhnliche Verhandlungen sind das ja nicht?
Lindner: Nein, es handelt sich nicht um eine Gehaltsforderung unsererseits allein, denn einfach zu sagen „wir wollen mehr Geld“ wäre sicherlich zu wenig und würde angesichts der angespannten finanziellen Situation keinen Zahler hinterm Ofen hervorholen. Da braucht man schon gute Argumente. Weil aber auch die KAGes Wünsche hat, ist es durchaus möglich, dass wir uns im Sinne eines Kompromisses irgendwo in der Mitte treffen können. Die Wünsche der KAGes liegen besonders im Bereich des Dienstrechts und das ist auch legitim, weil die letzte Reform schon beinahe 20 Jahre zurückliegt. Es macht durchaus Sinn, über ein zeitgemäßeres Dienstrecht zu diskutieren. Wenn sich die KAGes in unsere Richtung bewegt, werden auch wir uns in Richtung KAGes bewegen.
ÄRZTE Steiermark: Worin bestehen die Ungerechtigkeiten im derzeitigen System?
Lindner: Es gibt mehrere Ungerechtigkeiten. Wo zum Beispiel gibt es sonst noch Berufsgruppen mit derart überlangen Dienstzeiten, wie dies bei den Ärzten der Fall ist, noch dazu zu einem völlig inadäquaten Grundgehalt? Es gibt nach wie vor exorbitante KA-AZG-Verletzungen mit 80, 90, ja 100 Wochenstunden im Spital. Das gehört raschest abgestellt. Die KA-AZG-Grenzen sind für uns in Ordnung, diese sollten aber von allen Spitalsbetreibern zwingend eingehalten werden müssen. Hier geht die KAGes den richtigen Weg, indem sie ernsthaft versucht, die Arbeitszeit in die vorgegebenen Grenzen zu verringern. Das Problem dabei ist aber, dass man in unserem Einkommenssystem nur durch viele Nachtdienste und Überstunden zu einem adäquaten Einkommen kommt. Deshalb müssen wir bei der Reduktion der Mehrleistungsstunden behutsam vorgehen, damit die Kolleginnen und Kollegen keine Einkommensverluste erleiden. Das darf nicht passieren und würde von uns auch nicht mitgetragen werden. Das Grundgehalt muss deutlich angehoben werden. Ein weiterer Punkt ist im SI-Schema der zu geringe Abstand des Facharztes zu seiner Ausbildungszeit. Hier sollte mit Erlangen der selbstständigen Berufsberechtigung entsprechend der Zunahme der Verantwortung ein größerer Sprung im Gehalt erfolgen. Hier hat die KAGes Möglichkeit zu zeigen, was ihnen die hauptprozessverantwortlichen Ärzte wert sind.

ÄRZTE Steiermark: Wird nicht auch immer wieder beklagt, dass Zusatzfunktionen immer mehr werden und nicht bezahlt werden?
Lindner: Das ist richtig, in den letzten Jahren haben vor allem die Oberärzte neben der ohnehin so schon im Tagesablauf stark zugenommenen Leistungsdichte auch immer mehr Zusatzfunktionen wie Antibiotikabeauftragter, Laborbeauftragter, Qualitätsbeauftragter, Hygienebeauftragter aufgebürdet bekommen, ohne dass hier eine finanzielle Abgeltung erfolgte. Diese Funktionen sind zeitaufwändig, müssen neben der Patientenversorgung Platz haben und da dies oft nicht geht, müssen sie häufig in der Freizeit erledigt werden. Von der Notwendigkeit, sich dann in diesen Gebieten weiterzubilden, gar nicht zu reden.

ÄRZTE Steiermark: Was sind die Punkte, die im neuen System, das die Ärztekammer vorschlägt, für die betroffenen Ärztinnen und Ärzte entscheidend besser werden?
Lindner: Wir wollen für alle Kolleginnen und Kollegen ein höheres Gehalt erreichen. Die Leistungssteigerung in den letzten Jahren und damit die Wertschöpfung des Unternehmens KAGes wurde unter maßgeblicher Mitwirkung der Ärzte erreicht. Immer mehr Patienten werden in immer kürzerer Zeit untersucht und behandelt und das mit immer mehr Untersuchungsmethoden, die es zum Teil vor 20 Jahren überhaupt noch nicht gab. Dieser Leistungssteigerung und der gestiegenen Verantwortung soll das Grundgehalt der Zukunft gerecht werden, denn das tut es schon lange nicht mehr. Hier ist großer Nachholbedarf gegeben. Das SI-Schema versuchen wir so zu gestalten, dass die mittleren Erwerbsjahre betont werden, in denen sich die meisten Kolleginnen und Kollegen etwas schaffen wollen, ein Haus errichten und Kinder großziehen, aber auch für ihre Pension vorsorgen wollen. Das kostet Geld. Hier sollte ein neues Schema einen Bauch nach oben aufweisen. Besonders wollen wir die Leistungsträger in den Spitälern bewertet wissen. Definierte zeitaufwändige Zusatzfunktionen und Zusatzaufgaben sollen unserer Vorstellung nach honoriert werden. Vergessen werden dürfen aber auch nicht die Stations- und Turnusärzte, die einen wertvollen Beitrag zum Gelingen des Unternehmens Spital beitragen. Neben den pekuniären Aspekten ist für mich aber die geringere Arbeitszeit und der damit verbundene Gewinn an Lebensqualität entscheidend. Weniger im Spital und mehr bei der Familie, ist ein großes Ziel. Wir erleben gerade eine Verweiblichung der Spitals“mann“schaften und mehr noch als Männer leiden die Frauen unter den überlangen Dienstzeiten von 70 oder 80 Wochenstunden. Hier muss in Zukunft dafür gesorgt werden, dass berufstätige Ärzte als Eltern mehr Zeit bei ihren Kindern verbringen können. 60 Stunden Dienst im Spital pro Woche sind genug.

ÄRZTE Steiermark: Im Gesundheitssystem wird allgemein über Geldmangel geklagt. Was hat die KAGes vom neuen System? Wie argumentieren Sie?
Lindner: Was die KAGes davon hat ist schon wichtig, aber noch wichtiger ist, was die Patienten davon haben. Es kann eine Win-Win-Win-Situation entstehen. Die KAGes kommt ihrem Ziel, EU-richtlinienkonforme Dienst- und Arbeitszeiten zu erlangen, einen großen Schritt näher. Wir sind bereit, die KAGes bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit bis 19 Uhr zu unterstützen, damit ist eine bessere Auslastung von teuren Geräten und OP´s möglich. Die Patienten profitieren durch eine patientenorientierte Dienstplangestaltung, Wartelisten z.B. auf Bypassoperationen können rascher abgearbeitet werden. Und die Ärztinnen und Ärzte bekommen für ihre Bereitschaft zur Flexibilisierung höhere, leistungs- und verantwortungsadäquate Grundgehälter.

ÄRZTE Steiermark: Wie ist der Stand der Verhandlungen? Bis wann rechnen Sie mit einer Einigung?
Lindner: Dass sich die Verhandlungen schwierig gestalten werden, war zu erwarten. Es gab einen Punkt, wo die Verhandlungen knapp vor dem Abbruch standen. Das war als wir der KAGes bereits weit entgegengekommen waren, die KAGes aber nur bereit war 3,3 Millionen Euro in das neue SI-System zu investieren. Damit wäre vorprogrammiert gewesen, dass es bei kürzeren Dienstzeiten eine große Zahl von Kollegen gegeben hätte, die Einkommenseinbußen hinzunehmen gehabt hätten. Das haben wir abgelehnt. In der letzten Verhandlungsrunde hat die KAGes aber signalisiert, hier doch entscheidend nachbessern zu wollen. Nun müssen neue Berechnungen angestellt werden, die dann in den zu erwartenden Auswirkungen zu prüfen sind. Anfang 2006 sollte bei etwas gutem Willen eine Einigung möglich sein.

ÄRZTE Steiermark: Was wird passieren, wenn diese Einigung nicht stattfindet?
Lindner: Die letzten Gespräche haben gezeigt, dass die KAGes mit dem jetzigen System auch nicht glücklich ist. Dass motivierte und zufriedene Mitarbeiter die Basis des Erfolges eines Unternehmens sind, ist auch nicht neu. Was passiert, wenn die Bedingungen nicht stimmen, erlebt derzeit Deutschland. Dort ist die Gesundheitsversorgung mittlerweile ernsthaft in Gefahr, weil die Ärzte scharenweise das deutsche Gesundheitswesen verlassen. Die KAGes scheint sich aber über den Wert ihrer Hauptleistungsträger durchaus bewusst zu sein und deshalb bin ich zuversichtlich, dass sich die KAGes in den nächsten Wochen einen wesentlichen Schritt in unsere Richtung bewegen wird. Schließlich bekommt sie auch etwas dafür.

Dr. Herwig Lindner ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte in der Ärztekammer für Steiermark