Wie gesund ist unser System? Eine makroökonomische Betrachtung.
Dialoge im Haus der Medizin am 24.1.2011
Unser Gesundheitssystem ist Teil jenes Wirtschaftssystem, das durch die Krise in den vergangenen Jahren schwer gebeutelt wurde. Nach kostenintensiven Rettungspaketen und –schirmen sieht sich der Staat nunmehr zu massiven finanziellen Einschnitten gezwungen. Vor allem durch ausgabenseitige Sparmaßnahmen will man das überbordende Defizit in den Griff bekommen. Das wird auch das Gesundheitssystem massiv treffen.
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Dialoge im Haus der Medizin“ präsentierte der Wiener Ökonom Mag. Dr. Stephan Schulmeister vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) seine Diagnose der aktuellen Wirtschaftslage auf Basis einer jahrzehntelangen Anamnese und stellte seine Maßnahmenempfehlungen für eine Gesundung des Systems zur Diskussion.
Als fundierter Kritiker des vom Finanzmarkt getriebenen Neoliberalismus analysiert der Wirtschaftsforscher seit den Achtziger Jahren die realwirtschaftlichen Konsequenzen von Spekulationen an den Finanzmärkten. Er plädiert unter dem Motto „Aus nix wird nix“ für eine Rückbesinnung auf den realen Wert Arbeit, „Denn das Geld arbeiten zu lassen ist nicht möglich – denn Geld arbeitet nun einmal nicht,“ veranschaulichte Schulmeister seinen Ansatz den rund 100 gespannten Zuhörern, die der Einladung in die Ärztekammer Steiermark gefolgt sind.
Schulmeister plädiert leidenschaftlich für eine Stärkung des bedenklich abgemagerten Sozialstaates hin zu einem effizienten „Verein“, der dafür da ist, jene zu unterstützen, die diese Hilfe brauchen. Gerade auch im Gesundheitssystem träfen die schleichenden Einsparungen der letzten Jahre und Jahrzehnte jene, die sich ohne Unterstützung eben keine Zahnkorrekturen, Hör- und Sehbehelfe etc. mehr leisten können. Wodurch sich ihre Benachteiligung nochmals auf ungesunde Weise vergrößert.
Zudem räumte Schulmeister mit einem gängigen Vorurteil auf, dass nämlich das Gesundheitssystem in den letzten Jahrzehnten über die Maßen teurer geworden wäre. Die Teuerung liege sogar knapp unter der allgemeinen Teuerungsrate.
Im Anschluss an den eindrucksvollen Vortrag diskutierten die anwesenden Ärztinnen und Ärzte aber auch die zahlreichen Gäste aus der Wirtschaft unter der Leitung von Rudolf Nagiller warum laut Stephan Schulmeister die Zeit gekommen ist, als Staat in die Gemeinschaft zu investieren, in Bildung, Infrastruktur, in alternative Energien – und nicht zuletzt in die Gesundheit der Menschen. Womit die Diskriminierung sozial Schwacher auf ein für die gesamte Gesellschaft positiv wirkendes Maß zurückgeschraubt würde.
Zu machen sei das nur unter Einbeziehung jener, die wirtschaftlich besser dastünden, und die daher – durchaus im Eigeninteresse – einen Beitrag leisten sollten, der keinem wirklich weh täte. Denn unter einem, durch steigende ökonomische Ungleichheit immer instabileren System, hätten letztlich alle zu leiden.
Videomitschnitt der Veranstaltung (im 3GP-Format)
Fototext: v.l.n.r. Rektor Univ. Prof. Dr. Josef Smolle, Mag. Dr. Stephan Schulmeister, Präsident Dr. Wolfgang Routil, Vorstandsdirektor DI Dr. Werner Leodolter, GD Komm.-Rat Alois Sundl