Die Lösung heißt „Management“
Am Mittwoch, dem 14. März diskutierten im Hörsaalzentrum der Medizinischen Universität Graz Univ. Prof. Dr. Josef Smolle, Rektor der Medizinischen Universität Graz, Univ. Prof. Dr. Gernot Brunner, Ärztlicher Direktor des LKH-Universitätsklinikums Graz, Dr. Othmar Hill von Hill International und Ass. Prof. Dr. Andreas Klein vom Institut für Systematische Theologie und Religionswissenschaft der Evangelischen Fakultät der Universität Wien mit Dr. Wolfgang Routil, Präsident der Ärztekammer Steiermark, ob die Gratwanderung zwischen Ökonomie und Menschlichkeit, die im Spitalsbereich tagtäglich verlangt wird, für die Ärztinnen und Ärzte noch machbar und lebbar ist.
Unter der Moderation von Dr. Ernst Sittinger von der Kleine Zeitung, kristallisierten sich zahlreiche Schwerpunkte in der Diskussion heraus.
Andreas Klein eröffnete mit einer Begriffsdefinition und stellte die Frage, ob es ethischer sei, den Gesundheitsbegriff herunterzuschrauben um ihn erfüllen zu können oder einen so hohen Gesundheitsbegriff, wie den, den die WHO 1946 festlegte, nie erreichen zu können.
Relativ einig schien man sich hinsichtlich der nur scheinbaren Gegensätzlichkeit von „Ökonomie“ und „Menschlichkeit.“, denn was im Titel einen Widerspruch impliziere, müsse in der Realität vereinbar sein. Denn Ökonomie brauche Menschlichkeit und auch die Menschlichkeit könne auf die Ökonomie nicht wirklich verzichten. Was Ökonomie aber brauche, sei ethische Begleitung.
Sehr wohl existierten aber eine Reihe von Spannungsfeldern zwischen den Polen Ökonomie und Menschlichkeit. Rektor Smolle skizzierte einige:
So sollten Ärzte mehr verdienen, gleichzeitig fordere man aber mehr Ärzte, Patienten hätten den Wunsch nach einer Ansprechperson, die einen ganzen Spitalsaufenthalt lang zur Verfügung stehe, gleichzeitig wolle man aber auch von einem ausgeruhten Arzt behandelt werden, das System fordere Dokumentation und der Patient Zuwendung und jede Bezirksstadt wolle sämtliche Spezialisten vor Ort beschäftigen und erwarte gleichzeitig Routine von diesen. Allesamt Utopien.
Weniger utopisch der Ansatz, mit dem Direktor Brunner an die Problematik heranzugehen vorschlug. Für ihn sind Menschlichkeit in der Medizin und wertschätzende Kommunikation untrennbar, das erste was er seinen Studenten beigebracht hätte, sei es gewesen, bei Patientenzimmern anzuklopfen, bevor man diese betrete und zu grüßen.
Der Wirtschaftspsychologe und Managementcoach Otmar Hill diagnostizierte eine rasende Gesellschaft, völlig neue Arbeitsformen, mit denen die Sicherheit wegfalle und einen gleichzeitigen Anstieg der Gier und prognostizierte eine Epidemie von Burn-out und Erschöpfung.
Wir alle stünden vor der Entscheidung. Schließe man sich der allgemeinen Brutalität an oder steuere man dagegen.
Dagegensteuern ginge allerdings ganz einfach, war seine beruhigende Botschaft: es sei alles eine Frage des richtigen Managements, der entsprechenden Personalstruktur. „Wenn der falsche Primar wird, leiden alle!“ formulierte Hill plakativ! Führung, Kommunikations- und Meetingkultur, Projekt- und Prozessmanagement all das könne man lernen.
Für den Gesundheitsbereich empfahl er den Ärzten „aufzustampfen“ und sich zu emanzipieren. Sie seien in der glücklichen Situation einen Beruf zu haben der über eine enorme Sinnkomponente verfüge und müssten endlich fordern, dass Entscheidungen dort zu treffen seien, wo die Verantwortung liege.
Denn da kranke es im Gesundheitssystem gewaltig, dort fielen die Entscheidungen prinzipiell ganz woanders.
Präsident Routil, der bereits in seiner thematischen Einführung das Paradoxon von mehr als 90% Österreicherinnen und Österreichern, die mit unserem Gesundheitssystem sehr zufrieden sind und 90% Ärztinnen und Ärzten, die ihren Beruf lieben und gleichzeitig explodierenden Burn-out Raten im Gesundheitswesen aufzeigte, forderte die Verantwortlichen auf, die enorm hohe intrinsische Motivation der Ärztinnen und Ärzte durch Systemfehler nicht vollkommen zu zerstören, den Prozess der Patientenversorgung in den Mittelpunkt zu stellen und mittels eines primary health care Modells die Prioritäten entsprechend zurechtzurücken.
Videomitschnitt der Veranstaltung (mp4)
Fotocredit: Ärztekammer Steiermark / Schiffer
v.l.n.r. Dr. Othmar Hill, Rektor Univ. Prof. Dr. Josef Smolle, Präsident Dr. Wolfgang Routil, Direktor Univ. Prof. Dr. Gernot Brunner und Ass. Prof. Dr. Andreas Klein