Applaus für Minister Mitterlehner
Gastkommentar von Dr. Herwig Lindner in der Kronen Zeitung vom 6. April 2014
Ein 12-Stunden-Tag und 50 Wochenstunden – für diesen Vorstoß werden die Minister Mitterlehner und Hundstorfer als ausbeuterische Frühkapitalisten geprügelt. Aber die Herzen der Spitalsärzte fliegen ihnen zu. Wer nur eine 60- oder gar 72-Stundenwoche kennt, wer regelmäßig 28 oder sogar 49 Stunden durcharbeitet, wie die Spitalärzte, für den wäre das, was unsere Bundesregierer wollen, ein Arbeitszeitwunder. Zwölf Stunden sind „menschenverachtend“, meint dagegen der wahlkämpfende Arbeiterkammerpräsident Josef Pesserl. Ja gut, das hätte er als stellvertretender Obmann der steirischen Gesundheitsplattform und GKK-Obmann – als solcher sollte er ja die Arbeitszeiten in den Spitälern kennen – auch einmal sagen können. Es hätte die Ärzte gefreut. Aber dann würde das System zusammenbrechen, wie uns der Vorstandsvorsitzende der steirischen Krankenanstaltengesellschaft, Karlheinz Tscheliessnigg, mitgeteilt hat. Damit das System nicht zusammenbricht, muss man also Spitalsärzte menschenverachtend behandeln. Und wenn sie in der vierzigsten Arbeitsstunde nicht mehr ganz so perfekt, freundlich und ausgeschlafen sind, wie zu Beginn des Dienstes, werden sie von Patientenanwalt Gerald Bachinger beschimpft, der gerade am Beginn eines gemütlichen Acht-Stunden-Tages steht.
Dieses Messen mit zweierlei Maß ist politische Menschenverachtung. Keine Frage, Ärzte verdienen gut, aber das tun Techniker in der Elektronik-Industrie auch. Und wenn die einen Fehler machen, können Elektronikbauteile ausgetauscht werden. Patienten, kranke Menschen, kann man nicht austauschen. Also sind zumutbare Arbeitsbedingungen in den Spitälern nicht nur Arbeitnehmer- sondern auch Patientenschutz – kurz Menschenschutz. Die Argumente sind hinlänglich bekannt. Aber im öffentlichen Gesundheitswesen, müssen nicht in erster Linie private Unternehmen die Arbeitskosten bezahlen, dort ist es die öffentliche Hand. Da kann man schon eine mehr als 10 Jahre alte EU-Arbeitszeitrichtlinie ignorieren und sogar das großzügige österreichische Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz verletzen. Und, wenn die „böse“ EU einen mahnenden Brief schreibt, darf man so tun, als würde sich eine steirische Krankenanstaltengesellschaft im rechtsfreien Raum bewegen. In den meisten europäischen Ländern wurde die spitalsärztliche Arbeitszeit zwar schon gemäß der Richtlinie geregelt. Und die Gesundheitsversorgung ist nicht zusammengebrochen.
Eine 48- oder 50-Stundenwoche in den Spitälern werden wir nicht von einem Tag auf den anderen schaffen. Aber das Durcharbeiten in den Spitälern einmal auf 25 Stunden zu begrenzen, wäre schon eine maßgebliche Verbesserung. Das gibt es sogar in Österreich. Die Arbeitszeiten der Piloten von Verkehrsmaschinen und Schulbusfahrern mit dem Argument der Sicherheit von Passagieren und Kindern zu begrenzen, aber jene zu übersehen, die Kranke durch die Spitäler pilotieren, ist menschenverachtend. So bricht vielleicht das System nicht zusammen, aber Menschen tun es – Ärzte und Patienten.
Dr. Herwig Lindner ist Spitalsarzt am LKH Graz West und Präsident der Ärztekammer Steiermark.
Dieser Kommentar erschien in der Steirerkrone vom 6. April 2014.