E-Medikation: Testlauf muss viele Fragen beantworten

Nach dem weitgehend gescheiterten Pilotprojekt im Jahr 2011 soll der zweite Anlauf in Deutschlandsberg nun besser klappen. Entscheidend ist, dass die verantwortlichen Betreiber aus den praktischen Erfahrungen tatsächlich etwas lernen wollen. Und: Dass es bei den zeitgleich stattfindenden Verhandlungen über die Finanzierung auf Bundesebene zu einer einvernehmlichen Lösung kommt.

Der erste Testlauf für die E-Medikation im Jahr 2011 ist ziemlich danebengegangen. Der Bundesrechnungshof zerzauste in seinem Bericht das Pilotprojekt, das in Wien, Oberösterreich und Tirol stattfand, in mehrerer Hinsicht: Die Kosten seien mit 3,9 Millionen Euro erheblich gewesen, durch Verzögerungen habe es Kostenüberschreitungen gegeben, es wurden Mängel in der Projektorganisation festgestellt, laut Rechnungshof habe es keine messbaren und überprüfbaren Ziele gegeben.

Nach einer schöpferischen Pause von mehreren Jahren soll der Pilot Nr. 2 im Bezirk Deutschlandsberg nun besser laufen. Zwei Vorteile gibt es jedenfalls: Die Testregion ist überschaubar und ein ursprünglich als Filetstück gedachtes Feature der E-Medikation, die automatisierte Wechselwirkungsprüfung, gibt es nicht mehr. Das sollen nun wieder die Ärztinnen und Ärzte mit ihrem Fachwissen übernehmen – unterstützt gegebenenfalls von der eigenen Ordinationssoftware.

Aber bei allem grundsätzlichen Konsens darüber, dass EDV-gestützte Medikamenteninformationen hilfreich sein können, verlief der Start auch jetzt holprig. Zum offiziellen Starttermin, dem 25. Mai, gab es zwar eine Pressekonferenz, die nötige Software war aber laut übereinstimmender Aussage von ÄrztInnen und Software-Herstellern zumindest noch nicht überall installiert – von einem flächendeckenden Start konnte also nicht die Rede sein.

Für den Obmann der Niedergelassenen Ärzte, Vizepräsident Jörg Garzarolli, ist das Projekt dennoch eine Chance. Vor allem die Usability könne authentisch geprüft werden. Allerdings müsse eine seriöse Evaluierung der Erfahrungen stattfinden, Verbesserungsvorschläge seien dann auch ernstzunehmen und müssten berücksichtigt werden. Alles andere wäre eine Missachtung der Projektteilnehmer.
Unabhängig vom Pilotprojekt gibt es aber noch einiges zu klären: Das ist einmal die Finanzierung, die zwischen Gesundheitsministerium und Bundeskurie Niedergelassene Ärzte zu vereinbaren ist. Es ist eine zweiteilige Aufgabenstellung: Erstens geht es um die Implementierung und vor allem die Schulung der Anwender, sowohl der Ärztinnen und Ärzte, als auch des Ordinationspersonals. Und zweitens geht es um den laufenden Aufwand, den das System zwangsläufig mit sich bringt.

 

Wie aufklären?

Aber es geht nicht um die Finanzierung: Im Gegensatz zu den ELGA-Befunden, kann der Patient nicht einzelne Medikamente eigenständig löschen. Er kann allerdings die Gesamtliste – unwiderruflich – löschen. Und er kann im Rahmen des situativen Opt-out bei der Verschreibung in der Arztpraxis sich gegen die Aufnahme einzelner Medikamente in seine Liste verwehren. Hier stellt sich die Frage, wie die diesbezügliche Aufklärung des Patienten zu handhaben ist. Genügt ein Aushang in der Praxis oder muss zumindest in bestimmten Fällen – etwa bei der Verschreibung von Psychopharmaka – auch persönlich aufgeklärt werden?

In den LKH ist es laut KAGes-Richtlinie so, dass eine persönliche Aufklärung bei psychischen Erkrankungen dann obligatorisch ist, wenn es sich um die Hauptdiagnose handelt. Aber wie ist es in der Praxis? Und was ist bei Medikamenten, die mehrere Wirkungen haben, etwa schlaffördernd wirken, Angstlöser und Stimmungsaufheller sind, aber auch der Behandlung von Psychosen dienen? Muss dann bei der einen Verschreibungsursache aufgeklärt werden und bei der anderen nicht …?

In der Apotheke kann ein Patient auch „verschreibungspflichtige, aber möglicherweise wechselwirkungsrelevante Arzneimittel“ (so die Information auf www.chipkarte.at) in seine E-Medikationsliste aufnehmen lassen. Wer aber entscheidet, ob ein Medikament „möglicherweise wechselwirkungsrelevant“ ist, bleibt unklar.

 

E-Medikation ist nicht ELGA

Was (zu) wenig bekannt ist: E-Medikations-Daten werden im Gegensatz zu E-Befunden (die auf so genannten Affinity Domains landen) zentral gespeichert. Den Server für die E-Medikationsdaten betreibt  die E-Health Gesellschaft des  Hauptverbandes SVC. Der Datenfluss erfolgt über das normale E-Card-System. Rein technisch hat also das System E-Medikation mit dem System E-Befunde nichts zu tun. Der Patient kann sich auch für E-Medikation, und für E-Befunde gesondert an- und abmelden.

Kurz: Viele Fragen und Probleme werden sich möglicherweise erst im Probebetrieb auftun. Dass die E-Medikation letztlich hilfreich, aber nicht aufwendig, aussagekräftig und rechtskonform wird, das ist die große Herausforderung.


Foto: Screenshot/Conclusio

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