Noch in Ausbildung, schon preisgekrönt
Corinna Mager, Lisa Pieringer und Sascha Freigang heißen jene Turnusärztinnen und jener Turnusarzt, die den heurigen 9. HYPO Steiermark-Turnusärztepreis gewonnen haben. Sie widmeten sich dem Pankreasinsulinom, einer akuten HIV-Infektion und einer thyreotoxischen Krise.
„Ich habe schon immer gerne geschrieben, auch Berichte“, erzählt die diesjährige Siegerin des HYPO Steiermark-Turnusärztepreises, Corinna Mager. Als sie vor zwei Jahren via E-Mail von der Ärztekammer über den Turnusärztepreis informiert wurde, reichte sie sofort einen Fall ein – und gewann den 3. Preis. Heuer wurde sie sogar mit dem 1. Preis prämiert, für den Fallbericht „Pankreasinsulinom: Der lange Weg zur Diagnose“. Der Turnusärztin war im heurigen Frühjahr auf der endokrinologischen Abteilung der Grazer Universitätsklinik für Innere Medizin die Betreuung eines Zimmers zugeteilt worden, in dem ein junger Mann untergebracht war, bei dem kurz davor ein Pankreasinsulinom diagnostiziert worden war. „Zuvor war er mehrmals in der Notaufnahme vorstellig geworden, wegen Schwindels und teils in bewusstseinsgetrübten Zuständen. Zunächst lag der Verdacht auf einer psychiatrischen Erkrankung. Erst nach einiger Zeit wurde festgestellt, dass er unter starkem Unterzucker litt.“ Wiederum erst nach mehrmaligen bildgebenden Verfahren konnte das Insulinom entdeckt werden. Die darauf folgende Operation zeigte keine kurative Wirkung; der Patient wurde weiter medikamentös behandelt – und von Corinna Mager mitbetreut, bis ihre dortige Zeit im Turnus beendet war.
Gleichung mit zwei Unbekannten
Das Preisgeld möchte die 35-jährige Mager in ihre Zukunft investieren, ist doch noch nicht klar, wohin der Weg die in Halle an der Saale Geborene, in Nordrhein-Westfalen Aufgewachsene noch führen wird. In die Steiermark hat es sie wegen des Studiums gezogen, mittlerweile hat sie „Land und Leute liebgewonnen“. Wenn sie im kommenden Mai nach dem Ende der Lehrpraxis das ius practicandi erhalten wird, kommen für sie drei verschiedene Berufswege in Frage: „Ich hätte gerne eine Facharztstelle auf der Inneren Medizin oder auf der Neurologie, kann mir aber auch den Weg in die Allgemeinmedizin vorstellen, weil mich die Vielseitigkeit fasziniert.“ Bevor sich nun einige steirische Gemeinden um die junge Ärztin bemühen: Ihr Lebenspartner sucht parallel dazu eine Ausbildungsstelle zum Orthopäden und die beiden möchten am selben Ort leben. Eine Gleichung mit zwei Unbekannten also, aber hoffentlich eine zu lösende. In jedem Fall hat sich Mager zum Ziel gesetzt, auch in Hinkunft beruflich am aktuellen Wissensstand zu bleiben, sich daneben aber auch ausreichend Zeit für sich – insbesondere zum Tanzen, Tennis und Yoga – und ihre Familie zu nehmen.
„An das Seltene denken!“
„Das Chamäleon der Medizin“ nannte die Gewinnerin des zweiten Turnusärztepreises, die 29-jährige Lisa Pieringer, ihren Fallbericht. In ihrer Zeit auf der Grazer Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie wurde im Sommer 2017 ein Patient mit zunehmendem Hautausschlag am gesamten Körper vorgestellt. Abgesehen vom makulapapulösen konfluierenden gesichts- und stammbetonten Exanthem zeigten sich im Rachen des Mannes weißliche borkenartige Beläge. Sein restlicher Status war unauffällig. Er gab lediglich an, kurze Zeit davor eine Durchfallerkrankung durchgemacht zu haben und in der Woche vor der Spitalsaufnahme Amoxicillin gegen seine Halsschmerzen genommen zu haben.
„Ein Exanthem dieser Art ließ mehrere mögliche Diagnosen zu“, vermerkte Pieringer in ihrem Fallbericht. Sie reichen von einer Maserninfektion über die allergische Reaktion bis zur Syphilis. Die ersten Befunde der Labordiagnostik deuteten auf eine akute Epstein-Barr-Infektion hin, die nach der Antikörperdiagnostik ausgeschlossen wurde. Schließlich resultierte aus der weiterführenden ergänzenden Labordiagnostik die Diagnose: Es handelte sich um eine akute HIV-Infektion. 70 Prozent der Infizierten entwickeln nach 3 bis 12 Wochen grippeähnliche Symptome, die auch Durchfall und Exantheme umfassen können.
„Auch wenn Seltenes selten ist, sollte man doch immer wieder an die akute HIV-Infektion denken“, resümiert Pieringer. Beim genannten Patienten wurde eine antiretrovirale Therapie eingeleitet.
Von Rottenmann nach London
Der dritte Preisträger, Sascha Freigang, konnte seinen Preis gar nicht persönlich entgegennehmen, weil ihn der Wissensdurst in der Zwischenzeit ans King´s College in London geführt hat, wo er am Department of Basic and Clinical Neuroscience forscht. Seinen Fallbericht hatte der heute 29-jährige gebürtige Leipziger, der nach hauptberuflicher Tätigkeit als Rettungsassistent in Graz Medizin studiert hat, in seiner Zeit als Turnusarzt an der Inneren Medizin im LKH Rottenmann verfasst: Differentialdiagnostische Herausforderung der thyreotoxischen Krise.
An der Abteilung wurde eine Patientin mit neurologischer Ausgangssymptomatik und signifikant erhöhten Schilddrüsenwerten aufgenommen. Da zunächst kein zerebrovaskuläres Ereignis festgestellt werden konnte, lag es nahe, die erhöhten Schilddrüsenwerte mit dem Krankheitsbild in Zusammenhang zu bringen, wohl auch, weil der Symptom-Komplex eine hohe Übereinstimmung mit dem seltenen Krankheitsbild der thyreotoxischen Krise aufwies. Trotz Scoring-Systemen, hält Freigang fest, konnte letztlich kein hundertprozentiger Nachweis der Diagnose erbracht werden.
„Wesentliche Lektionen“
Erschwert hat die Diagnostik auch der Umstand, dass in weiterer Folge doch noch zerebrovaskuläre Ereignisse stattgefunden haben. Unklar bleibt, in welchem Kausalzusammenhang diese mit den erhöhten Schilddrüsenwerten stehen. Freigang meint jedoch, dass auch ein früher erfolgter Nachweis eines Insults das Therapieregime vermutlich nicht geändert hätte. „Dies alles sind wesentliche Lektionen für einen Turnusarzt“, betont der Jungarzt. Auf den HYPO Steiermark-Turnusärztepreis ist er durch ein Rundschreiben der Ärztekammer gestoßen; das Preisgeld fließt in seinen täglichen Lebensunterhalt in London ein. Über die Zeit in Rottenmann berichtet Freigang sehr positiv, anschließend an seinen Forschungsaufenthalt möchte er allerdings eine Facharztausbildung zum Neurochirurgen absolvieren, „um meine derzeitige Tätigkeit auf klinischer Ebene sinnvoll fortzusetzen“.
Neue Chance 2019
Mit 18 eingereichten Fallberichten konnte der heurige HYPO Steiermark-Turnusärztepreis wieder zu seinem bisherigen Höchstwert im Jahr 2013 aufschließen. Wer die Ausschreibung zum diesjährigen Turnusärztepreis verpasst hat oder erst in der nächsten Zeit auf einen interessanten Fall stößt, bekommt im kommenden Jahr eine neue Chance: Voraussetzungen für eine Einreichung zum nächstjährigen Jubiläums-HYPO Steiermark-Turnusärztepreis 2019 sind die ordentliche Mitgliedschaft in der Ärztekammer für Steiermark sowie zum Stichtag 1. Juni 2019 eine Tätigkeit als Turnusarzt oder -ärztin in der Steiermark, im Rahmen der Ausbildung zum/zur AllgemeinmedizinerIn oder zum/zur Facharzt/Fachärztin. Der Fallbericht muss bis Anfang September eingesandt werden; das genaue Datum sowie die formalen Anforderungen werden zeitgerecht unter https://www.med.or.at/ veröffentlicht.
AERZTE Steiermark 11/2018
Fotos: Schiffer, beigestellt