AERZTE Steiermark 12/2021
Von Silent Nights zu Souly Nights
HNO-Facharzt und Stimmspezialist Georg Hammer spielt seit nunmehr 16 Jahren bei Leo Kysèlas Souly Nights Bratsche. Heuer wird die stimmungsvolle vorweihnachtliche Nicht-Weihnachtsmusik auf dem Grazer Schlossberg erklingen – sofern Konzerte erlaubt sind.
Ursula Scholz
„Als Künstler alleine spielen ist schön, mit anderen guten Musikern ist´s aber noch schöner“, sagte die Grazer Soul-Legende Leo Kysèla einmal im Interview. Einer, der sein gemeinsames Musizieren schöner macht, ist der Grazer Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Georg Philipp Hammer.
Vor mehr als 30 Jahren rief Kysèla die Souly Nights ins Leben, vorweihnachtliche Konzerte ohne typische Weihnachtsliteratur, aber in „sanfter Clubatmosphäre“, wie es Hammer beschreibt. So eine Souly Night lässt zur Ruhe kommen und bereitet die Seele auf das große Fest vor. Seit 16 Jahren ist Hammer dabei und wenn heuer am 22. Dezember am Grazer Schlossberg – hoffentlich! – die feinen Klänge des minimalistisch besetzten Ensembles erklingen werden, werden sie auch in mehrerlei Hinsicht Hammers Handschrift tragen. Als Bratschist an der Seite seines geigenden Bruders und an der Seite von Kysèla wird er für besinnliche Stimmung sorgen und hat „auch ein paar Lines dafür selbst geschrieben“. Sollten bis dorthin noch keine Konzerte erlaubt sein, hilft nur eines: CD besorgen, anhören und eintauchen in eine Welt von Otis Redding über Lou Reed bis Bob Dylan.
Trainer der Kehlkopf-Hochleistungssportler
Georg Philipp Hammer, nicht Telemann, hat seine Vornamen nicht zufällig erhalten, ist seine Mutter doch die bekannte steirische Sopranistin Franziska Hammer-Drexler und der Barockmusik nicht abgeneigt. Die Musik wurde dem heute 40-jährigen Arzt also quasi in die Wiege gelegt – und die Tradition der auf barocke Komponisten verweisenden Vornamen hat er bei seinen Söhnen weitergeführt. Seine musikalische Entwicklung führte vom Klavier und vom Hackbrett über die Violine zur Viola. In sämtlichen großen Grazer Orchestern spielte er über viele Jahre (teils als Substitut) mit.
Die Medizin hingegen lag nicht schon in seiner Wiege, plante er doch ursprünglich ein Wirtschaftsstudium in Wien. Ein Kniescheibenbruch auf der Maturareise hat schließlich aufgrund langwieriger medizinischer Nachbehandlungen dazu geführt, dass Georg Hammer in Graz bleiben musste, wo er ersatzweise Medizin studiert hat. Dieser Verletzung verdanken viele Sängerinnen und Sänger, aber auch Schauspieler*innen, Lehrer*innen und andere Kehlkopf-Hochleistungssportler*innen (®Georg Philipp Hammer) einen HNO-Facharzt, der sich aufgrund familiärer Prägung und hartnäckig betriebener medizinischer Spezialisierung mit ihren Stimmen exzellent auskennt.
Heilmittel Stimmruhe
Stimmruhe verordnet er häufig – auch sich selbst nach ein paar Stunden Fangesang in der Nordkurve beim SK Sturm-Match –, aber einer Patientin oder einem Patienten mitteilen zu müssen, dass sie oder er den erlernten Beruf in der gewohnten Form eventuell nicht mehr weiter ausüben wird können, fällt ihm nach wie vor sehr schwer. Um dies zu verhindern, ist die enge Zusammenarbeit mit Spezialist*innen der Logopädie extrem wichtig.
Nach Jahren am Universitätsklinikum in Graz, wo er im ehemaligen Vorstand der HNO-Klinik Gerhard Friedrich seinen Meister gefunden hatte, eröffnete Hammer, der sich im Jahr zuvor habilitiert hatte, 2017 eine eigene Wahlarztpraxis. Zu ihm kommen neben Sänger*innen ebenso andere Vielsprecher*innen, wobei er sich auch dem Leiden der Wurstverkäuferin, die stundenlang mit Maske hinter einer Plexiglaswand mit den Kund*innen sprechen muss, mit demselben Respekt vor dem Kehlkopf-Hochleistungssport widmet.
Hammer hat neben dem Notarzt-Diplom zusätzlich das ÖÄK-Diplom in Ernährungsmedizin absolviert, nicht um Tipps zu verteilen wie man abnimmt, sondern um Menschen, die mit einer Schluckstörung in seine Praxis kommen, umfassender beraten zu können. Prävention ist ein zentraler Baustein seines ärztlichen Selbstverständnisses, daher engagiert er sich auch im Verein „Zukunft Gesundheitskompetenz“. Neben Prävention setzt er auf Interdisziplinarität („ohne mein Netzwerk bin ich nichts“) und „Kommunikation im Arztberuf“ – diesbezüglich unterrichtete er in einigen Lehrveranstaltungen an der Med Uni Graz. Zukünftige Logopäd*innen (FH Joanneum) und Sänger/Schauspieler*innen (Kunstuni Graz) erleben ihn ebenfalls als Lehrenden. Ein Zentrum für Musikermedizin aufzubauen wäre für ihn noch die Krönung der Interdisziplinarität. Ansonsten möchte er einfach nur „halbwegs gesund so alt werden wie meine Eltern“. Derart vorsichtig gemacht hat ihn unter anderem die Pandemie – mit ihren umfassenden Auswirkungen auf die Gesundheit.
Lieder und Lego
Während ihm die Pandemie noch beim Mitmusizieren in den Souly Nights und bei der Christtagsmesse in der Pfarre Graz-St. Peter einen Strich durch die Rechnung machen könnte, wird das familiäre Weihnachtsmusizieren jedenfalls stattfinden. Zwei Lieder sind für Hammer untrennbar mit Weihnachten verbunden: Stille Nacht und Morgen Kinder wird´s was geben. „Ich habe immer schon gerne Geschenke bekommen und daran hat sich bis heute nichts geändert. Besonders Lego. Heuer wird es die Lego-Achterbahn sein“, verrät er verschmitzt. Altersangabe: von 16 bis 99, also eindeutig für Fortgeschrittene. Hoffentlich gelingt der Aufbau reibungsfrei, denn Hammer charakterisiert sich selbst als „aufbrausend, was mir nicht immer gut tut …“. Der Sturm legt sich aber bald wieder, denn nachtragend ist er nicht. Dafür äußerst energiegeladen.
Hätte er die Möglichkeit, ein Weihnachtskonzert ganz nach seinen Vorstellungen zu gestalten und dafür auch unbegrenzt Ressourcen zur Verfügung, wüsste er schon, was er mit dieser schier unerschöpflichen Energie auf die Beine stellen würde: „Ich würde an einem Abend in allen Höfen der Grazer Innenstadt bei stimmungsvoller Beleuchtung kleine Konzerte veranstalten. In einem würden die steirischen Hirten- und Krippenlieder gesungen, im anderen ‚Last Christmas’ und ‚Driving Home for Christmas’, im nächsten Bach-Kantaten – sodass für jeden etwas dabei ist.“
Im Wald Ruhe finden
Irgendwann kommt auch Hammer zur Ruhe, und das am besten bei der Jagd auf der Turrach oder in der Südsteiermark. Die Jagd bietet ihm die Möglichkeit, jene Bodenständigkeit zu leben, die er noch vom Hof seiner Großeltern kennt. Auch die Hege bereitet ihm besondere Freude, einen Wildacker anzulegen beispielsweise. „Das Wichtigste an der Jagd ist für mich nicht das Schießen“, betont er. „Am schönsten ist es, allein am Hochsitz zu sitzen, zu schweigen und in den Wald zu schauen.“ Silent Nights der ganz besonderen Art.
Fotos: Kipper, beigestellt