AERZTE Steiermark 12/2021
Let‘s talk about COVID-19
Wie ausgewogen ist die Kommunikation über die Pandemie, wie sachlich und informativ? Nicht nur die medizinische Forschung ist zu Hochtouren aufgelaufen; auch die Kommunikationswissenschaft leistet ihren Beitrag zur Pandemie-Bekämpfung.
Ursula Scholz
Wie berichten deutsche Medien über die Pandemie – zu expertenhörig, zu milde gegenüber der Regierung, zu dramatisierend, zu einheitlich? Im Zuge allgemeiner Hilflosigkeit gerieten auch die Medien unter Beschuss. In einer empirischen Studie der Rudolf Augstein Stiftung untersuchten drei Publizisten der Universitäten München und Mainz die Qualität der deutschen Nachrichten-Berichterstattung.
Dabei zeigte sich, dass der Höhepunkt der Berichterstattung in der ersten Erkrankungswelle lag, während die Infiziertenzahlen in allen anderen Wellen deutlich höher waren. Der Fokus lag auf Politiker*innen; mit einigem Abstand folgten Ärzt*innen und andere Expert*innen. Berichtet wurde überwiegend sachlich, jedoch häufiger über statistische Phänomene als über Einzelschicksale (die Menschen üblicherweise tiefer berühren). Der Wissenschaft wurde von den Medien ein – nicht vorhandener – Konsens unterstellt; die Unsicherheit wissenschaftlicher Prognosen oft nicht ausreichend vermittelt. Vielmehr hagelte es Kritik, wenn Prognosen sich nicht verifizierten. Die Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung wurden eher selten als überzogen dargestellt, vielmehr als angemessen oder nicht weitreichend genug.
Schon ab Oktober nahm in der medialen Berichterstattung die Kritik an den wichtigsten politischen Akteur*innen stetig zu. Zumindest in den deutschen Medien, so das Studienergebnis, wurde in sukzessive abnehmendem Maß über die negativen Folgen für die Wirtschaft berichtet.
Als Informationsquellen während der Pandemie nutzen die Befragten (n= über 1.800) bevorzugt das Fernsehen sowie Online-Nachrichtenmedien. An dritter Stelle steht schon das persönliche Umfeld, über das sich mehr als 70 Prozent der befragten Deutschen häufig informieren. Wissenschaft und Soziale Netzwerke liegen beide um die 50 Prozent.
Nicht übertrieben hysterisch
Rund 80 Prozent der Befragten fanden die Berichterstattung über die COVID-19-Pandemie verständlich, mit leicht abnehmender Tendenz. Diese leicht abfallende Tendenz zeigte sich auch bei der Glaubwürdigkeit, der Wahrnehmung von Vollständigkeit und Ausgewogenheit der Berichterstattung: Zwischen April 2020 und Februar 2021 sank jeweils die Zustimmung dazu. In einem einzigen Punkt nahm sie zu: Je mehr über die Erkrankung bekannt wurde, desto mehr Menschen konstatierten, dass die Berichterstattung nicht übertrieben hysterisch erfolge.
Klar hat sich in der Studie herauskristallisiert, dass die untersuchten Nachrichtenmedien nicht unkritisch über die Regierung und die Maßnahmen berichtet haben. Vielmehr orientierten sie sich daran, was sie als wissenschaftlichen Konsens wahrgenommen haben.
Kontroverse nimmt zu
Neben der Studie zur Qualität der Berichterstattung in Nachrichten-Formaten veröffentlichte die Rudolf Augstein Stiftung eine weitere über die Corona-Berichterstattung in den deutschen Talk Shows „Anne Will“, „Hart aber Fair“ und „Maybrit Illner“. Diese wurde von Thorsten Faas (Freie Universität Berlin) und von Mona Krewel (Victoria University Wellington) verfasst.
Zu den 112 analysierten Sendungen waren 308 Gäste geladen, am häufigsten Wissenschafter*innen, gefolgt von Politiker*innen. Spitzenreiter war mit 22 Sendungen der SPÖ-Politiker, Arzt und Gesundheitsökonom Karl Lauterbach, mittlerweile deutscher Gesundheitsminister. Bestgereihte Wissenschafterin war die Braunschweiger Virologin Melanie Brinkmann.
Häufigste Themen der Talk Shows waren die Coronamaßnahmen, gefolgt vom Impfen. Ein kontroverser Punkt blieb, wie mit Meinungsvielfalt umzugehen sei. Sollten die Medien die Maßnahmen durch ihre Berichterstattung stützen? Oder sollten sie mehr Raum für divergierende Meinungen bieten? Zumindest in Bezug auf die Schutzmaßnahmen hat die Kontroverse im Laufe der Zeit zugenommen.
Was die Impfbereitschaft steigert
Ein Expertenteam dreier Wiener Universitätsinstitute (Medical Statistics MUW, Political Science und Communication Science Uni Wien) untersuchte potentielle Maßnahmen zur Steigerung der Impfbereitschaft. Dafür wurde eine hypothetische Impfkampagne für einen hypothetischen neuen Impfstoff gegen COVID-19 kreiert und die Wirksamkeit der einzelnen Argumente getestet. Die Befragung fand im Oktober 2021 statt, beteiligt haben sich fast 8.200 Personen (davon 1.543 Ungeimpfte).
Beim Impfaufruf zeigte sich, dass die Vision einer Rückkehr zum alten Leben die am stärksten treibende Kraft für die Impfmotivation darstellt. Empfehlungen von Ärzt*innen wirken stärker als jene von Politiker*innen (die allerdings noch weit vor sympathischen Promis rangieren). Als Anreiz, sich impfen zu lassen, wurde eine 100-Euro-Prämie goutiert; weniger gut kam die Impflotterie an. Die stärkste Zustimmung unter verschiedenen Reglements fand die 3G-Regel (weitere Optionen waren 2G oder „alle Regeln aufgehoben“).
Der zweite Teil des Experiments widmete sich der Kommunikation über die Impfung: Da siegten klare, einfache Informationen in der Bewertung der Befragten. Die Nennung einer 90%igen Wirksamkeit der Impfung wurde zur besten Informationsvariante gekürt, ohne zusätzliche Verhältniszahlen etc. Auch bei den Impfnebenwirkungen schätzten die Probanden eine simple Aufzählung möglicher Symptome inklusive Zahlen zur Häufigkeit. Eine Infografik dazu wurde nicht als informativer empfunden. Bei der Frage nach dem besten Zulassungsverfahren (österreichisches, europäisches, beschleunigtes) galt das europäische Zulassungsverfahren als das vertrauenswürdigste.
Diejenigen, die sich nicht impfen lassen wollen, stimmten zu mehr als 60 Prozent voll und ganz dem Argument zu „mache mir Sorgen über unvorhergesehene Nebenwirkungen“. Die zweitgrößte Gruppe von Impfskeptikern argumentierte mit dem Vertrauen auf das eigene, starke Immunsystem (fast 50 Prozent stimmten voll und ganz zu). Wenig Anklang fand die Aussage „behördlich zugelassene Impfungen sind sicher“ (fast 40 Prozent gaben „trifft gar nicht zu“ an).
Am Zeitmangel liegt die stagnierende Impfbereitschaft jedenfalls nicht: Für rund 70 Prozent war die Aussage, keine Zeit für die Impfung zu haben, gar kein oder eher kein Argument.
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