AERZTE Steiermark 11/2024

 

4 Gewinner:innen beim RLB-Turnusärzt:innen-Preis 2024

18 steirische Turnusärzt:innen − jeweils 9 Fauen und Männer − reichten Fälle zum 14. von der Raiffeisen-Landesbank ausgelobten Turnusärzt:innen-Preis 2024 ein.

2024 wurden insgesamt 17 Arbeiten eingereicht, eine davon von einer Turnus­ärztin und einem Turnusarzt gemeinsam, die Anzahl der Einreichungen lag heuer also über dem Durchschnittswert (2010–2024) von rd. 14 Fallberichten pro Jahr.

  1. Platz: äußerst selten und spannend

Die gelungene Fallbeschreibung der Überschneidung einer systemischen Sklerose und einer Riesenzellarteriitis bei einer Seniorin, die bereits 2006 wegen eines kälteinduzierten Raynaud-Phänomens vorstellig geworden war, brachte dem 31-jährigen Grazer Dr. David Kickinger den ersten Platz ein. Sein Fallbericht geht auf die Herausforderungen des Therapiemanagements dieser beiden sehr selten in Kombination auftretenden Autoimmunerkrankungen ein. Der Patientin konnte mit dem  erfolgreichen Einsatz einer Therapie mit einem Interleukin-6-Rezeptor-Blocker geholfen werden, der bei beiden Erkrankungen eingesetzt werden kann, indem er die vaskulopathische Komponente behandelt sowie bei der systemischen Sklerose sowohl auf die Haut, als auch auf die pulmonale Affektion gut wirkt. Kickinger wird seit 1.2.2019 an der Universitätsklinik für Innere Medizin der Medizinischen Universität Graz ausgebildet.

  1. Platz: die Crux bei Anabolikakonsum

Den zweiten Platz erreichte Dr. Jan Lewis (31) aus Graz  mit dem Fallbericht über einen 26-jährigen Mann, der wegen seit Stunden bestehenden thorakalen Schmerzen von wechselnder Intensität in der Notaufnahme eines peripheren Krankhauses vorstellig geworden war. Anamnestisch gab er keinen Nikotin- oder Alkoholgebrauch an, jedoch einen mehrjährigen Anabolika-Missbrauch, den er eingestellt habe. Bei der PPCI wurde der seltene Befund eines Verschlusses der proximalen LAD durch ein Koronarhämatom festgestellt, ein drug-eluting Stent gesetzt und intensiviert antithrombotisch therapiert. Gleichzeitig wurde eine thyreotoxische Krise bei zuvor unbekanntem Morbus Basedow diagnostiziert. Trotz unauffälligem Thrombophilie-Screening und guter Wirkung von Acetylsalicylsäure und Clopidogrel bildete sich  im weiteren Verlauf ein Thrombus im Herzapex. Nach kardiologischer Stabilisierung und wegen des endokrinologischen Notfalls wurde der Patient auf die endokrinologische Station verlegt und konnte am 12. Tag kardiorespiratorisch unauffällig entlassen und in das Herzinsuffizienzprogramm HerzMobil des Krankenhauses aufgenommen werden. Der von Lewis beschriebene Fall verdeutlicht eindrucksvoll, wie Anabolika-Abusus bei vermeintlich gesunden Personen zu lebensbedrohlichen Situationen führen kann – etwa einem akuten Myokardinfarkt, der anschließend eine thyreotoxische Krise bei bestehender manifester Hyperthyreose auslöste. Dieser Fall unterstreicht die Wichtigkeit, Anabolika-Missbrauch auch bei jungen, scheinbar gesunden Patienten frühzeitig zu erkennen. Verdeckte Risikofaktoren wie Anabolika sollten bei unspezifischen Symptomen stets in Betracht gezogen werden. Lehrreich für Lewis war die seltene Kombination aus Anabolika-induziertem Myokardinfarkt und thyreotoxischer Krise bei Morbus Basedow, was die diagnostische Komplexität und die Bedeutung eines multidisziplinären Behandlungsansatzes verdeutlicht. Lewis ist seit 01.01.2022 in Ausbildung und derzeit am LKH Murtal Standort Knittelfeld, Abteilung für Innere Medizin, tätig. Der blumige Titel seines Fallberichtes lautet: Wenn die Liebe zum Muskel in einem gebrochenen Herzen endet.

  1. Platz: Auslöser Autoimmunenzephalitis

Die Beschreibung eines im stationären kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich häufig auftretenden Standardfalls, der sich bei näherer Betrachtung aber als hochgradig spezifisch herausstellte, brachte Dr. Sarah Schanofsky, MSc (30) aus Graz auf den 3. Platz des Turnusärzt:innenpreises 2024. Ein 15-Jähriger wird in der kinder- und jugendpsychia­trischen Ambulanz in Begleitung der Polizei mit § 9 vorstellig. Die Polizei wurde von der Mutter alarmiert, da der Jugendliche fremdaggressiv geworden sei. Zusätzlich würden seit längerer Zeit Suizidgedanken mit konkreten Durchführungsideen bestehen. In der Eigenanamnese zeigte sich der Patient wenig auskunftsbereit, berichtete aber von einer depressiven Symptomatik sowie Schulabsentismus. Medikamentös wären in der Vergangenheit Ritalin für die Symptomatik der ADHS und Sertralin für die depressive Symptomatik eingeleitet worden, die Medikation wurde jedoch vom Patienten verweigert. Anfangs zeigte sich der Patient sehr ablehnend bezüglich Unterstützungsmaßnahmen. Es lag im weiteren Verlauf aber keine akute Selbst- oder Fremdgefährdung vor und der Patient war so weit kooperativ, dass eine Führung im offenen Bereich der Station möglich war. Im Rahmen des stationären Aufenthaltes berichtete der Patient von einer starken Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit sowie von Wahrnehmungsverzerrungen. Aufgrund eines anhaltenden Fatigue-Syndroms wurde eine erweiterte Diagnostik durchgeführt. Im Rahmen der weiterführenden somatischen Diagnostik ließen sich neuronale Antikörper gegen LGI-1 im Serum nachweisen. Im Rahmen einer neuropathologischen und neurochemischen Begutachtung wurde die Diagnose einer limbischen Enzephalitis assoziiert mit anti-LGI 1 Antikörpern gestellt. Aufgrund der deutlich erhöhten LGI-1 Antikörper im Serum, vergesellschaftet mit einer limbischen Enzephalitis, wurde bei unauffälligem Ganzkörper-MRT und unauffälligem EEG und nach Ausschluss eines juvenilen Morbus Wilson eine Kortison-Stoßtherapie mit laborchemischer Verlaufskontrolle durchgeführt. Die schon seit ungefähr zwei bis drei Jahren bestehenden psychiatrischen Symptome sowie die im Verlauf erhobenen Befunde waren mit einer chronischen limbischen Enzephalitis vereinbar. Daher erfolgte eine neuerliche Hochdosis Kortison-Stoßtherapie. Sarah Schanofsky ist seit 01.09.2021 in Ausbildung, derzeit am LKH Graz 2, Standort Süd, Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie.

  1. Platz: Cutibacterium acnes im Perikard

Dr. Valentin Walter Zsilavecz (25) aus Graz kam ex äquo auf den 3. Platz und zwar mit dem Fallbericht eines rezidivierenden Perikardergusses, bei dem  Cutibacterium acnes nachgewiesen wurde. Ein 36-jähriger Patient mit bekanntem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom, welches erstmals 2017 diagnostiziert wurde, kam 2018 mit einem neu diagnostizierten Perikarderguss im Rahmen der Krebs-Routinekontrolle. Es erfolgte eine diagnostische und therapeutische Perikardio­zentese, wobei der Hautkeim Cutibacterium acnes nachgewiesen werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt wurde von einer Kontamination der Probe ausgegangen und von einer spezifischen Therapie abgesehen. Anfang 2024 präsentierte sich der Patient jedoch erneut mit zunehmender Dyspnoe und Minderung der Leistungsfähigkeit. Abermals zeigte sich ein klinisch relevanter Perikarderguss, erneut wurde Cutibacterium acnes in der gewonnenen perikardialen Flüssigkeit nachgewiesen. Eine antibiotische Breitbandtherapie, welche in ihrem Wirkspektrum das nachgewiesene Bakterium abdeckt, wurde eingeleitet, außerdem erfolgten eine chirurgische Drainage des Perikardergusses sowie eine perikardiale Fensterung. Aufgrund radiologischer Hinweise auf eine Perikarditis erfolgte zusätzlich eine leitliniengerechte Perikarditis-Therapie mit einem NSAR und Colchicin. Unter den eingeleiteten Maßnahmen besserte sich der Zustand des Patienten deutlich und in den folgenden Kontrolluntersuchungen zeigte sich kein Hinweis mehr auf einen neuerlichen Perikarderguss. Valentin Walter Zsilavecz ist seit 01.10.2023 in Ausbildung, derzeit an der Universitätsklinik für Innere Medizin der Med Uni Graz.

Foto: Schiffer