AERZTE Steiermark 12/2024
Chirurgische Telemanipulatoren am Univ.-Klinikum Graz
Die Uni-Klinik stärkt ihre operativen Ressourcen mit Robotik-Chirurgie: Ein zweiter Da Vinci leistet seit März diesen Jahres gute Dienste in urologischer, gynäkologischer und viszeraler Transplantations/-Chirugie, seit Oktober verstärkt Senhance die chirurgische Ressource auf der Kinderchirurgie.
Seit der ersten robotergestützten OP mit „Da Vinci“ vor rund drei Jahren hat sich das Spektrum der Eingriffe mit modernen Robotersystemen am Uniklinikum Graz enorm erweitert und reicht heute von der Prostata-OP bis zur Nierenlebendspende. Seit März dieses Jahres ist ein zweiter Da Vinci im Einsatz. Beide Systeme sind zu hundert Prozent ausgelastet.
Goldrichtige Investition
Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 sind schon gleich viele Eingriffe robotergestützt erfolgt wie im gesamten Jahr davor, nämlich 415. Auf der Urologie waren es mit 265 OPs sogar mehr als im gesamten Jahr davor. „Das zeigt, wie groß der Bedarf ist und dass die Entscheidung für diese Investition goldrichtig war“, freut sich KAGes-Finanz- und Technik-Vorstand Ulf Drabek. „Mit der Anmietung eines zweiten Da Vinci-Systems im März dieses Jahres konnten wir die Kapazitäten für unsere Patient:innen verdoppeln, das Behandlungsspektrum erweitern und die Versorgung damit auf ein sehr hohes Niveau heben.“ „Durch die Präzision, die bessere Sicht und die entspannte Arbeitshaltung an der Konsole können komplexe und auch lange Eingriffe absolut präzise durchgeführt werden“, erläutert KAGes-Vorstandsvorsitzender Gerhard Stark die Vorteile aus ärztlicher Sicht.
Neue Maßstäbe für Präzision und Versorgung
Federführend bei der Implementierung des ersten Da Vinci vor drei Jahren war Univ.-Prof. Dr. Sascha Ahyai, Vorstand der Universitätsklinik für Urologie und seit mehr als zehn Jahren renommierter „Roboterchirurg“. Für ihn sind chirurgische Telemanipulatoren für eine zeitgemäße medizinische Versorgung unentbehrlich. „Die Vorteile robotisch gestützter Eingriffe für Patient:innen sind enorm und reichen von zehnfach besserer Sicht für Chirurg:innen bis dahin, dass Patient:innen insgesamt weniger Schmerzmittel brauchen.“ Das Haupteinsatzgebiet der robotergestützten Chirurgie ist – international wie auch in Graz – die Urologie. Hier assistiert Da Vinci an fünf Tagen pro Woche bei einer ganzen Spannbreite von Eingriffen – am häufigsten bei der OP des Prostatakarzinoms, wo Da Vinci routinemäßig zum Einsatz kommt. Der zweithäufigste Eingriff auf der Urologie ist die Nierenteilresektion, hinzu kommt eine große Bandbreite zwischen Nierenbeckenplastik und Blasensenkungen bis hin zu seltenen OPs des Peniskarzinoms oder Fistel-OPs, wobei sich das Spektrum der robotergestützten Operationen laufend erweitert. Die häufigsten robotergestützten Eingriffe an der Klinischen Abteilung für Gynäkologie am Uniklinikum Graz sind die Gebärmutter- und Lymphknotenentfernung bei Patientinnen mit Gebärmutterkrebs. Weiters wird das System bei Patientinnen mit großen Myomen oder ausgedehnter Endometriose eingesetzt. Bei letzterer operieren Gynäkolog:innen und Urolog:innen gemeinsam an der Konsole, je nachdem, welche Organe betroffen sind. So können innerhalb einer einzigen OP sämtliche Endometrioseherde entfernt werden.
Auch an der Klinischen Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Uniklinikum Graz hat sich die roboterassistierte Chirurgie bei vielen Eingriffen als Standard etabliert. Beispiele sind die Pankreasresektionen, Rektum-Operationen, das gesamte Spektrum der Leberchirurgie wie die Resektion von bösartigen Tumoren in der Leber, die minimalinvasive Behandlung gut- oder bösartiger Leberläsionen sowie die Entfernung der Nebennieren und der Milz. Auch Operationen für Nierenlebendspenden werden in Graz robotisch durchgeführt. Die Vorteile dieser Art der minimalinvasiven OP wie weniger Schmerzen und schnellere Genesung heben auch die Bereitschaft zu Organspenden sowie auch die Akzeptanz vonseiten der Empfänger:innen.
Da Vincis Schwächen
Nicht einsetzbar sind Chirurgieroboter bisher in der Akutchirurgie, bei jeder Form von Traumata und wann immer Infektionen oder ein Eitergeschehen im Spiel sind. „Mir ist wichtig, dass den Patient:innen klar ist, dass diese Systeme absolut nichts alleine machen. Jede kleinste Aktion ist vom Chirurgen gesteuert, einzig und allein das etwaige Zittern der chirurgischen Hand wird automatisch herausgefiltert“, sagt Univ.-Prof. Dr. Ahyai. „Wir haben am Uniklinikum die für Patient:innen vorteilhafte Situation, dass alle Roboterärzt:innen auch offen operieren können. In vielen Kliniken können sie nur das eine oder das andere. Ein Wechsel von der Konsole hin an den OP-Tisch ist so bei Bedarf jederzeit sofort möglich“, ergänzt KAGes-Vorstandsvorsitzender Gerhard Stark.
Kinderchirurg:innen setzen auf Senhance
Auch Kinder werden seit Oktober an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie in Graz mithilfe roboterassistierter Verfahren operiert. Damit ist das Uniklinikum Graz österreichweit das einzige Krankenhaus, das Senhance, ein speziell für Kinder zugelassenes Robotersystem, zur Verfügung hat, sodass Säuglinge und Kleinkinder noch schonender und präziser minimalinvasiv behandelt werden können. Die ersten erfolgreich robotergestützt operierten kleinen Patient:innen konnten bereits nach Hause entlassen werden. Hinter Kinderchirurgie-Vorstand Holger Till und seinem Team von Ärzt:innen und Pflegekräften liegen Wochen des Trainings am neuen System, gefolgt von den ersten erfolgreichen Operationen. „Neue chirurgische Technologien sind immer eine Herausforderung für das gesamte OP-Team, in dem Pflege und Ärzt:innen immer gemeinsam und auf Augenhöhe arbeiten. Bei jeder neuen Technologie ist aber das entscheidende Kriterium, wie die Patient:innen dadurch profitieren, das gilt ganz besonders für Kinder und Jugendliche“, so Till.
„Die Roboterchirurgie ist also eine Investition in die Zukunft der Klinik und der ‚Next Generation‛ der Chirurg:innen. KAGes-Vorstandsvorsitzender Gerhard Stark unterstrich den Durchbruch, den das neue System für die Versorgung von Kindern darstellt: „Erstmals ermöglicht ein neues Gerät den Einsatz extra kleiner Instrumente – konkret: 3 bis 5 Millimeter statt der üblichen 8 Millimeter. Dank dieser verkleinerten Instrumente können Chirurg:innen nun auch Kinder ab zwölf Monaten robotergestützt operieren – mit allen Vorteilen, die wir von Systemen wie Da Vinci kennen, insbesondere der Überlegenheit in der Präzision. Dieser Vorteil kann gerade bei Operationen an Babys und Kindern den entscheidenden Unterschied machen!“
Potenziale der Grazer Kinderklinik nutzen
Erkenntnisse und Daten aus Graz werden auch in das Training der KI und damit in die Weiterentwicklung des Systems einfließen. Dass die Grazer österreichweit die Ersten sind, ist kein Zufall: Hier werden jährlich 4.300 kinderchirurgische Eingriffe durchgeführt – und das in einem außergewöhnlich breiten Spekt0rum. Das Senhance-Robotik-System wird zunächst für Eingriffe wie Leistenhernien, Gallenblasenentfernungen, Refluxchirurgie und Blinddarmentfernungen eingesetzt. „Wir bauen das Know-how behutsam auf und operieren mit zunehmendem Komplexitätsgrad“, so Till. Nur so wird das Uniklinikum Graz auch in Zukunft jener Ort sein, an dem Patient:innen eine Spitzenmedizin erhalten. Dies bekräftigte auch Ulf Drabek: „Anschaffungen wie diese sind eine klare Investition in die Zukunft der Versorgung, weil sie unseren Chirurg:innen auch ein kontinuierliches Lernen und Weiterentwickeln ermöglichen.“
Foto: Univ.-Klinikum Graz/Fechter