AERZTE Steiermark 03/2025

 

EVA und ZAM – einzigartige Kooperationen

Es sind nur jeweils drei Buchstaben, doch dahinter stecken große Veränderungen: EVA und ZAM stehen für neue Strukturen in der Gesundheitsversorgung in der Steiermark. Die Konzepte bilden einen bedeutenden Schritt hin zu einer effizienteren Versorgung und einer Entlastung der Ambulanzen.

Die Spitalsambulanzen sind überfüllt. Vielfach durch Patient:innen, die überhaupt keine spitalsärztliche Betreuung benötigen, sondern deren Behandlung auch im niedergelassenen Bereich stattfinden könnte. Dies führt regelmäßig zu Verzögerungen und Wartezeiten für jene Menschen, die tatsächlich eine Behandlung im Krankenhaus nötig haben. Im AUVA-UKH Steiermark in Graz beschreitet man deshalb gemeinsam mit dem LKH Graz II-West seit Dezember 2024 mit der EVA Graz West, der ErstVersorgungsAmbulanz, einen neuen Weg. Dahinter steht eine österreichweit einzigartige Kooperation von sieben Organisationen (UKH, KAGes, ÖGK, Gesundheitsfonds STMK, SVS, Land Steiermark, bvaeb).

ErstVersorgungsAmbulanz

Durch diese neue, der Spitals-ambulanz vorgelagerte, allgemeinmedizinische Ordination, werden die Mitarbeiter:innen im Spital entlastet; sie können dadurch rascher und effizienter jene Menschen versorgen, die tatsächlich eine Behandlung in einer Notfallaufnahme benötigen. Der EVA Graz West kommt eine Filterfunktion zu. Durch eine Ersteinschätzung, sowohl im UKH als auch am Standort LKH Graz II-West, werden gezielt Patient:innen herausgefiltert, deren Behandlung durch Allgemeinmediziner:innen erfolgen kann. Für Kontrollen oder weiterführend notwendige Untersuchungen verweisen die Allgemein-mediziner:innen der EVA „zurück“ in den niedergelassenen Bereich. Sie sind also keine Konkurrenz zu diesem. Im unfallchirurgischen Bereich können die Allgemeinmediziner:innen der EVA, durch die Kooperation mit der KAGes, auf radiologische Untersuchungen zurückgreifen und danach eine Erstbehandlung einleiten.

Zentrum für Akutmedizin

Nicht vorgelagert, sondern integriert ist die allgemeinmedizinische Praxis in das ZAM am LKH-Univ. Klinikum Graz. Mit dem neuen Zentrum für Akutmedizin (ZAM) wurde eine zentrale Notaufnahme für Erwachsene geschaffen, in der die chirurgische Notaufnahme sowie die EBA (internistisch-neurologische Notaufnahme) unter einem Dach vereint sind. Zentral ist die interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit durch unterschiedliche medizinische Fachdisziplinen (Innere Medizin, Neurologie, Orthopädie, Traumatologie, Chirurgie) und verschiedene Berufsgruppen, die eine effizientere Patient:innen-versorgung ermöglicht. Der Start erfolgte im November 2024. Pro Tag können rund 250 Patient:innen behandelt werden, an Spitzentagen sogar rund 300.

 

EVA GRAZ WEST – IM INTERVIEW

Christian Kammerlander, Ärztlicher Leiter des UKH Steiermark und Gerhard Postl, Operativer Leiter der Notaufnahme am LKH Graz II-West
 

Warum wurde die EVA Graz West geschaffen?

Kammerlander: Im AUVA-UKH Steiermark am Standort Graz behandeln wir seit jeher eine hohe Anzahl an selbstzuweisenden Patient:innen, die eigentlich keine akute fachärztlich-unfallchirurgische Behandlung brauchen und unsere Akutambulanz überlas-ten. Wir wollen mit der EVA eine Entlastung dieser Spitalsambulanzen schaffen, um uns besser auf die Behandlung von spitalspflichtigen Patient:innen konzentrieren zu können. Gleichzeitig wollen wir auch eine Ergänzung, aber keine Konkurrenz zum Versorgungsangebot im niedergelassenen Bereich schaffen. Im jetzigen System erreichen wir genau dies mit den Allgemeinmediziner:innen, die unseren Strukturen vorgeschalten sind und jene Patient:innen, die keine Spitalsbehandlung brauchen, behandeln. Wir sind mittlerweile im Vollbetrieb und monitoren diese Abläufe sehr genau.

Wer ist Träger der EVA?

Kammerlander: Träger der EVA ist die AUVA. Die Finanzierung erfolgt gemeinsam von AUVA, Land Steiermark, Gesundheitsfonds, ÖGK, KAGes und den übrigen Sozialversicherungsträgern.

Wie ist der Ablauf, wenn jemand in die EVA kommt?

Postl: Wir haben eine Voreinschätzung eingerichtet. DGKPs lenken die Patient:innen anhand eines standardisierten Fragekatalogs. Ein offensichtliches internistisches Problem, eine augenscheinliche Verletzung oder ein Arbeitsunfall kommen direkt in die betreffende Notfallaufnahme, ansonsten werden die Patient:innen in die EVA überwiesen. Wir stellen Walk-in-Patient:innen mit hohem Triage-Scor (4-5) den EVA-Kolleg:innen vor. Das sind jene, die keine wirklichen internistischen Behandlungsindikationen haben. In der EVA gibt es ein Vor-Ort-Labor für Basis-Laboruntersuchungen, auch ein EKG kann geschrieben werden. Das entspricht dem Leistungsprofil einer allgemeinmedizinischen Ordination.

Kammerlander: Für den unfallchirurgischen Bereich besteht die Möglichkeit, in der EVA eine Röntgendiagnostik für einen Frakturausschluss durchzuführen. Die Allgemeinmediziner:innen bekommen durch die Kooperation mit KAGes-Radiolog:innen einen radiologischen Befund und können die weitere Behandlung durchführen. Wenn eine weitere unfallchirurgische Versorgung notwendig wird, kann eine Direktzuweisung in unsere Akutambulanz erfolgen. Patient:innen mit chronischen Gelenksbeschwerden können nachfolgend auch in unsere neu geschaffenen Terminambulanzen überwiesen werden.

Welche Allgemeinmediziner:innen sind in der EVA im Einsatz?

Postl: Die EVA ist im Arbeitsablauf vollkommen autonom organisiert. Die Ärzt:innen sind selbstständig mit Werkvertrag in der EVA tätig. Wie im Notarztwesen können sich die Allgemeinmediziner:innen über die online Plattform der GVG einbuchen. Das wird auch sehr gut angenommen. Wir sind froh, wenn vom Standort West 8 bis 10 Patient:innen pro Tag in der EVA behandelt werden. Jede:r Einzelne ist eine große Unterstützung zur Entlastung der Notfallaufnahme.

Wann ist die EVA geöffnet?

Postl: Der Vollbetrieb wurde mit 7. Jänner 2025 gestartet. Die Öffnungszeiten der EVA sind Montag bis Freitag 8-20 Uhr. An Samstagen, Sonntagen und Feiertagen 9-17 Uhr.

Könnten die niedergelassenen Ärzt:innen die EVA nicht als Mitbewerber:in empfinden?

Postl: Das ist die EVA definitiv nicht.  Es werden zwar Rezepte ausgestellt, aber Kontrollen oder Folgetermine finden nicht mehr statt. Da ist die Empfehlung klar: Diese Leistungen wandern wieder zurück zu den niedergelassenen Ärzt:innen. Die EVA stellt also weder im allgemeinmedizinischen, noch im internistischen Bereich eine Konkurrenz dar.

 

ZAM – IM INTERVIEW

Philipp Kreuzer, Operativer Leiter des ZAM
 

Was sehen die Ärzt:innen vor Ort als Vorteil des ZAM gegenüber der alten EBA?

Kreuzer: Die Zusammenlegung mit der Univ.-Klinik für Chirurgie und der Univ.-Klinik für Orthopädie und Traumatologie wird als optimierte Patient:innen-versorgung wahrgenommen. Patient:innen können unmittelbar von mehreren Disziplinen behandelt werden, was eine effizientere Betreuung ermöglicht. Auch der enge Kontakt mit der Univ.-Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin ermöglicht uns einen wertvollen Austausch und fördert die Weiterentwicklung der universitären Akut- und Notfallmedizin.

Wie ist das Feedback des Teams bisher?

Kreuzer: Das Feedback bisher ist gemischt. Das ZAM ist knapp 4 Monate „alt“. Viele Maßnahmen und Änderungen im Arbeitsalltag sind gut angenommen worden, einige sind nach wie vor ungewohnt.

Gibt es ein (internationales) Vorbild für das ZAM?

Kreuzer: Ein Vorbild im Sinne einer effizienten Patient:innenlenkung einer großen Notaufnahme nach dem optimalen Patient:innenflusskonzept stellt für mich das Universitätsspital in Basel dar. Das Ziel muss die best- und schnellstmögliche Patient:innenversorgung unabhängig von der Arbeitsdiagnose und Tageszeit sein. Das ist nach meinem Verständnis in Basel gelungen. Auch die Universitätsklinik für Notfallmedizin am AKH Wien stellt u.a. am wissenschaftlichen Sektor ein Vorbild dar. Langfristig sollte es ein zentrales Ziel des ZAM sein, sich an solchen bewährten Konzepten zu orientieren und sie weiterzuentwickeln.

Wird es eine Evaluierung der Abläufe geben?

Kreuzer: Es gibt laufend Evaluierungen. Diese entstehen im Rahmen von Morgen-übergaben, Team-Treffen und oft auch aus einem Konflikt. Die Mitarbeiter:innen des ZAM müssen aktiv integriert sein. Eine erste große Mitarbeiter:innenbefragung findet im Frühling 2025 statt.

Eines der großen Probleme ist die quantitative Überlastung der Notaufnahmen. Gibt es durch das ZAM eine Entspannung?

Kreuzer: Eine Entspannung in der Patient:innenzahl pro 24 Stunden können wir derzeit nicht wahrnehmen. Ich denke, das ist in allen Notfallambulanzen ident.

 

Foto: shutterstock/Stokkete, Schiffer, Ärztekammer