AERZTE Steiermark 06/2025

 

Ärztliche Schweigepflicht nach dem Tod

Die ärztliche Schweigepflicht zählt zu den wichtigsten Berufspflichten der Ärzt:innen und dient dem Schutz des Vertrauensverhältnisses zu den Patient:innen. Doch was gilt, wenn die/der Patient:in verstorben ist?  

In den geltenden Verschwiegenheitsbestimmungen (§ 54 ArzteG) findet sich keine ausdrückliche Regelung dazu, ob die ärztliche Schweigepflicht auch nach dem Tod fortbesteht. Dennoch ist von Lehre und Rechtsprechung anerkannt, dass der Geheimnisschutz im Sinne des postmortalen Persönlichkeitsschutzes auch über den Tod wirkt.

Keine Entbindung durch Erb:innen

Ein häufiges Missverständnis besteht darin, ob nahe Angehörige des Verstorbenen bzw. der Verstorbenen oder Erb:innen die Arzt:innen von der Schweigepflicht entbinden können. Dies ist jedoch nicht der Fall. Weder Erb:innen noch Verlassenschaftskurator:innen können rechtswirksam eine Entbindung von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht erklären. Dies wurde das Schutzkonzept unterlaufen und die ärztliche Schweigepflicht faktisch aushohlen.

Durchbrechung der Schweigepflicht

Die Verschwiegenheitspflicht ist jedoch nicht absolut. Auch nach dem Tod der Patientin bzw. des Patienten kann es zu einer Offenlegung medizinischer Informationen kommen – insbesondere dann, wenn dies dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen bzw. der Verstorbenen entspricht. Problematisch ist jedoch, dass meist nur die behandelnde Ärztin bzw. der behandelnde Arzt selbst die Details kennt, die für die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung relevant sind. Sind diese Arzt:innen womöglich selbst in ein Verfahren verwickelt (z. B. wegen des Verdachts eines Behandlungsfehlers), könnte Befangenheit vorliegen. Daher beauftragt das Gericht in der Regel in diesen Fällen unabhängige medizinische Sachverständige mit der Beurteilung.

Offenlegung im öffentlichen Interesse

Ein weiterer gesetzlicher Durchbrechungstatbestand erlaubt die Offenlegung von Gesundheitsdaten zum Schutz höherwertiger Interessen der öffentlichen Gesundheits- bzw. Rechtspflege, wie z. B. bei Strafgerichtsverhandlungen, bei denen Ärzt:innen als Zeug:innen geladen sind. Solche Fälle sind jedoch restriktiv zu handhaben und stets mit einer strengen Interessenabwägung verbunden. Wo immer möglich, ist eine anonymisierte Datenweitergabe zu bevorzugen. Auch wenn der datenschutzrechtliche Schutz mit dem Tod endet, sind gerade Gesundheitsdaten stets vertraulich zu behandeln.

Fazit

Die ärztliche Verschwiegenheitspflicht endet nicht mit dem Tod der Patientin bzw. des Patienten. Sie bleibt als Ausdruck des postmortalen Persönlichkeitsschutzes bestehen.

Eine Offenlegung medizinischer Informationen ist nur in Ausnahmefällen zulässig – entweder mit ausdrücklicher oder mutmaßlicher Zustimmung des Verstorbenen bzw. der Verstorbenen oder bei überwiegendem öffentlichen Interesse. Die Verantwortung liegt dabei bei den behandelnden Ärzt:innen und gegebenenfalls bei unabhängigen Gutachter:innen, die eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall sicherstellen müssen.

 

Verschwiegenheits-, Anzeige- und Meldepflicht § 54
(1) Die Ärztin/der Arzt und ihre/seine Hilfspersonen sind zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes
anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet.
(2) Die Verschwiegenheitspflicht besteht nicht, wenn
   1. nach gesetzlichen Vorschriften eine Meldung der Ärztin/des Arztes über den Gesundheitszustand bestimmter Personen 
       vorgeschrieben ist,
   2. Mitteilungen oder Befunde der Ärztin/des Arztes an die Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten oder sonstigen
       Kostenträger in dem Umfang, als dies für die Empfängerin/den Empfänger zur Wahrnehmung der ihr/ihm übertragenen Aufgaben
       eine wesentliche Voraussetzung bildet, erforderlich sind.

 

Mag. Markus Friessnegg
Abteilung Rechts-, Beschwerde und Disziplinarsachen in der Ärztekammer Steiermark