AERZTE Steiermark 11/2025
Der November trägt wieder Moustache
… und das aus gutem Grund, denn im November ist bekanntlich auch Movember. Die Wortkreation aus dem Monatsnamen und dem Moustache („Schnurrbart“) sowie die Aktivitäten in diesem Rahmen sollen das Bewusstsein für die Vorsorge rund um die Männergesundheit erhöhen.
Auch in der Klinik für Urologie an der Uniklinik in Graz lassen sich viele Mitarbeiter einen Moustache wachsen, sagt Klinikvorstand Sascha Ahyai. Der Universitätsprofessor ist von der zunehmenden Wirkung der Movember-Initiative überzeugt: „Das ist eine gute Institution, weil wir damit eine breitere Wahrnehmung in der Bevölkerung schaffen, mehr Menschen und vor allem auch jüngere Männer über die Social-Media-Aktivitäten erreichen und sensibilisieren können.“
Notwendig ist das auf jeden Fall, weiß der Facharzt: „Generell haben Männer hinsichtlich der Früherkennung und Vorsorge nicht das Bewusstsein der Frauen. Die sind da kulturell weiter, die gynäkologische Vorsorge wird viel früher vermittelt und in Anspruch genommen.“ Mit der Urologischen Gesellschaft versucht man aber alles, um hier „gleich zu ziehen“. Ein organisiertes Prostata-Screening sollte im Gesundheitssystem fix verankert werden. „Alle Männer ab 45 Jahren sollten ihren Brief, also eine Aufforderung zur Frühuntersuchung, bekommen und damit zur urologischen Früherkennung motiviert werden.“ Eine leichte Besserung hinsichtlich der männlichen „Vorsorgemoral“ ortet Ahyai schon; das Thema Prostatakarzinom sei angekommen, doch müsse man noch weiter Vorbehalte und Ängste bezüglich der Untersuchungen abbauen. „Meist zeigen die Untersuchungen ja auch, dass alles in Ordnung ist, aber im anderen Fall ist es wesentlich, schon möglichst früh eine Diagnose zu stellen.“
Abhängig vom PSA-Wert
Weichensteller ist der PSA-Wert: Liegt er unter 1,5 braucht „Mann“ erst in 5 Jahren wieder zur Kontrolle zu kommen, liegt er zwischen 1,5 und 3, dann ist die nächste Untersuchung in 2 Jahren angebracht. „Bei einem PSA-Wert über 3 sind weitere Untersuchungen wie ein Prostata-MRT nötig“, so Ahyai. Dieses dient wiederum als Indikationsstellung, ob eine Prostata-Biopsie notwendig ist. „Früher wurde in zu vielen Fällen biopsiert, heute können wir durch das MRT schon einiges abklären, wodurch die Hälfte der Untersuchten keine Biopsie mehr benötigt.“ Das heißt, die Diagnostik wird insgesamt immer genauer, sodass es weniger invasiver Maßnahmen bedarf und wir weniger Überdiagnostik haben.
Positiv, weil dies eine Hemmschwelle abbaue, sieht der Experte, dass die digitale rektale Untersuchung als Teil der gesetzlichen Früherkennung wegfällt: „Viele Männer gehen aus Sorge vor der digital-rektalen Untersuchung nicht zum Arzt. Jetzt reicht aber die Blutuntersuchung mit der Feststellung des PSA-Werts für die erste Risikoabschätzung aus.“
Medizinische Fortschritte
Da Tumore heute tendenziell deutlich früher entdeckt werden, sind sie gut therapier- und heilbar. Sie können gezielter behandelt werden und auch die Gefahr von Inkontinenz oder Impotenz ist weiter deutlich gesunken. Ein weiterer Grund dafür: Im operativen Bereich wird immer minimalinvasiver gearbeitet, roboterassistiert und hochpräzise mit zehnfacher Vergrößerung. Sascha Ahyai: „Onkologisch wie funktionell erzielen wir damit sehr gute Ergebnisse – und das ist entscheidend: für die betroffene Person selbst, aber auch für ihre Beziehung.“ Auch wenn die Risiken noch immer im Raum stehen, sind sie heute überschaubar geworden, betont der Urologe. Man erreiche heute eine bessere Heilung und einen besseren Erhalt bzw. idealerweise eine unveränderte Lebensqualität.
Im jüngeren Alter
Was man aber beobachtet ist, dass die Krebserkrankungen zunehmend im jüngeren Alter auftreten – auch an Niere und Blase. Die Früherkennungsuntersuchung werde daher immer wichtiger. „Wir setzen neben Blut- und Urinanalysen auf Ultraschalluntersuchungen – das tut alles nicht weh, ist aber für die Früherkennung wichtig. Tumore sind dann gut behandelbar bzw. operierbar und
- B. ein Nierentumor kann unter Erhalt der Niere sicher entfernt werden“, erklärt der Arzt. Wichtige Fortschritte gebe es auch bei der medikamentösen Behandlung der urologischen Tumore, bei der das Immun-
system motiviert werde, die Tumorzellen zu bekämpfen. „Die langfristigen Heilungschancen bei fortgeschritte-nem Blasenkrebs können z. B. aus einer Kombination von medikamentöser (perioperativer) Therapie und Chirurgie (Entfernung und Ersatz der Harnblase) signifikant verbessert werden. Circa 30 % der Patienten zeigen nach einer Immun-Chemotherapie in der entfernten Harnblase sogar keinen Resttumor mehr. Dadurch inspiriert arbeiten wir an Konzepten, sodass wir in Zukunft in selektionierten Patienten die Harnblase hoffentlich erhalten können. Dass wir Krebs irgendwann gänzlich besiegen, wird also zunehmend vorstellbar.“
Hochpotente Medikamente
Selbst bei einem gestreuten Tumor-Setting verändern innovative Medikamente viel. Hier kommen heute u. a. Antikörper zum Einsatz, deren Ziel ein Oberflächenprotein der Tumorzellen ist: „So wird die Chemo-Therapie direkt in die Tumorzellen getragen und diese werden gekillt. Bei dieser Behandlung verzeichnen wir beeindruckende Ergebnisse mit einer Verdopplung der durchschnittlichen bisherigen Überlebenszeit der Betroffenen. Solche enormen Verbesserungen haben wir zuvor noch nicht gesehen!“ Die Urologie ist – demographisch bedingt – das Fach mit dem größten Patientenzuwachs, erklärt Ahyai: „In den nächsten 10 Jahren haben wir ein Plus von 20 % an Patienten zu erwarten.“ Eine große Herausforderung ist deshalb der Mangel an Fachärzt:innen, sowohl in den Spitälern als auch in der Niederlassung. Gerhard Posch, Urologe und Vizepräsident der Ärztekammer für Steiermark: „Aktuell gibt es in der Steiermark 81 Fachärzt:innen für Urologie und weitere 24 in Ausbildung, doch wir werden deutlich mehr brauchen, um z. B. die wichtigen Vorsorgeuntersuchungen abdecken zu können.“ Vor allem in der Peripherie mangelt es an Urolog:innen, beispielsweise ist in Murau eine Kassenarztstelle ausgeschrieben, die Besetzung allerdings mehr als schwierig …
Dabei ist das Interesse am Fach sehr groß. „Die Urologie ist ein besonderes, weil sehr autarkes Fach. Wir machen sowohl die Diagnostik als auch die Therapie. Außerdem sind die urologischen Karzinome vergleichsweise häufig“, betont Sascha Ahyai. Das Prostatakarzinom ist der häufigste bösartige Tumor bei älteren und der Hodentumor bei jüngeren Männern. Blasen- und Nierenkarzinom, welche natürlich auch bei Frauen vorkommen, stehen in der Statistik ebenfalls weit vorne.
Roboterchirurgie
Die Urologie hat auch die Roboterchirurgie salonfähig gemacht. „Das zeigt, wie modern, technikaffin und abwechslungsreich das Fach ist“, so der Facharzt. „In unser Gebiet fallen kleine und große Operationen, von minimalinvasiv bis zu, wenn auch immer seltener, offenen Eingriffen – immer begleitet von technologischen Neuerungen, wie wenn zum Beispiel über die Harnröhre operiert wird.“
Prävention: Lebensstilfaktoren
Eines ist Sascha Ahyai besonders wichtig: „Man ist als Patient nicht nur Opfer. Das Potenzial wird komplett unterschätzt: Die Menschen können selbst präventiv so viel zu ihrer Gesundheit beitragen – durch Bewegung, ausreichend Schlaf und gesunde Ernährung. Ein Beispiel: Auch eine erneute Erkrankung ist bei jenen, die ihre Ernährung umgestellt haben, unwahrscheinlicher – das zeigen die Studien deutlich.“ Gerade bei der älteren Generation gebe es oft das Missverständnis, dass der Arzt einem eine Krankheit „nachweisen“ wolle. Das Thema Prävention gehe völlig unter. Dazu sei so ein Movember übrigens auch gut, meint Ahyai: Dass man sich als Arzt bzw. Ärztin Zeit für so ein Gespräch nehme und diese Lebensstilaspekte, die oft viel zu kurz kommen, nicht unter den Tisch fallen lasse. Um zu kommunizieren, dass man es selbst in der Hand habe und zur Prävention ebenso wie zu einer Genesung viel beitragen könne.
Foto: beigestellt, Furgler, envato_Image-Source, envato_wayhomestudioo, envato_leungchopan