AERZTE Steiermark 11/2025
Wenn Verständnis zur Hürde wird: Ärztliche Aufklärung
Die ärztliche Aufklärung ist nicht nur Formalität, sondern Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung in medizinische Behandlungen und damit Grundlage des Selbstbestimmungsrechts. Ein rechtlicher Überblick – Teil 1.
Ziel der ärztlichen Aufklärung ist der „informed consent“, also die rechtlich wirksame Einwilligung auf Basis einer umfassenden, verständlichen und rechtzeitigen Selbstbestimmungsaufklärung. Besondere Sorgfalt ist beim Umgang mit nicht entscheidungsfähigen Erwachsenen, Minderjährigen und fremdsprachigen Personen geboten.
Aufklärung
Die ärztliche Aufklärung ist mehr als ein Pflichtgespräch. Vor einer Behandlung ist den Patient:innen in einer für sie verständlichen Weise darzulegen, welche Diagnose vorliegt, welche Behandlungsoptionen bestehen, welche Chancen und Risiken zu erwarten sind und welche Konsequenzen ein Unterlassen zur Folge haben kann. Wie detailliert dabei aufgeklärt werden muss, hängt vom Einzelfall und den „persönlichen Umständen“ ab – vor allem von der Schwere des Eingriffs und dem individuellen Verständnis der Patient:innen bzw. deren Vorkenntnissen.
Sprachbarrieren und Minderjährigkeit
Aufzuklären ist stets jene Person, die letztlich die Entscheidung über die Durchführung der Behandlung trifft. Besonders herausfordernd gestalten können sich dabei Situationen, in denen Patient:innen nicht voll entscheidungsfähig oder minderjährig sind, oder wenn Sprachbarrieren das gegenseitige Verständnis erschweren. In diesen Fällen zeigt sich, dass Aufklärung weit mehr ist als das bloße Weitergeben von Informationen – sie verlangt angepasste Vorgehensweisen. Unterbleiben diese, können trotz fachgerechter Behandlung (haftungs-)rechtliche Konsequenzen drohen.
Bei fraglicher Entscheidungsfähigkeit
In eine medizinische Behandlung kann grundsätzlich eine volljährige und voll entscheidungsfähig Person nur selbst einwilligen. Selbes gilt für voll entscheidungsfähige minderjährige Kinder. Entscheidungsfähig in medizinischen Angelegenheiten ist dabei der- bzw. diejenige, der/die die Bedeutung und die Folgen seines/ihres Handelns im jeweiligen Zusammenhang mit der Behandlung verstehen, seinen Willen danach bestimmen und sich entsprechend verhalten kann.
Beurteilung durch Arzt
Ob die Patient:innen ausreichend entscheidungsfähig sind, muss der jeweils behandelnde Arzt bzw. die Ärztin für die einzelne Behandlung gesondert beurteilen. Hält der Arzt/die Ärztin den Patienten bzw. die Patientin für nicht entscheidungsfähig, muss er/sie sich nachweislich (unbedingt dokumentieren!) um die Beiziehung von „Unterstützer:innen“ (Angehörige, Nahestehende, Vertrauenspersonen, etc.) kümmern, mit deren Hilfe die Patient:innen ihre Entscheidungsfähigkeit erlangen sollen. Der Arzt/die Ärztin muss in dem Fall sowohl die Unterstützer:innen als auch mit deren Hilfe den Patienten/die Patientin aufklären.
Mögliche Unterstützung
Mögliche Unterstützungsmaßnahmen können dabei der Einsatz leichterer Sprache, Fotos, Symbolen, die Zuhilfenahme von Karten, Sprachcomputern, Tablets oder die Unterstützung durch einen Gebärdendolmetsch sein.
Können die Patient:innen so zu einer Entscheidung gelangen, ist ihre Einwilligung ausreichend.
Mangelnde Entscheidungsfähigkeit
Erlangen die Patient:innen ihre Entscheidungsfähigkeit nicht, muss die Einwilligung von Vorsorgebevollmächtigten oder Erwachsenenvertreter:innen eingeholt und diese im Vorfeld ausreichend aufgeklärt werden. In diesem Fall müssen aber auch die entscheidungsunfähigen Patient:innen so gut wie möglich über den Grund und die Bedeutung der Behandlung informiert werden, damit sie die Entscheidung „mittragen“ und gegebenenfalls der Behandlung widersprechen können. Eine Ausnahme gilt bei Notfällen: Ist die Behandlung dringend, weil etwa das Leben der betroffenen Person gefährdet ist und nicht zugewartet werden kann, darf die Aufklärung unterbleiben.
Weitere Informationen zur Aufklärung im Kindes- und Jugendalter sowie zur Einwilligung bei Sprachbarrieren und die Beiziehung von Dolmetscher:innen liefern wir Ihnen in Teil 2 in der nächsten Ausgabe.
Mag. Michael Tauss ist Rechtsanwalt bei HP+T Heitzmann Pils Tauss Rechtsanwälte GmbH
Mehr zum Thema ärztliche Aufklärung erfahren Sie auch in unserem Webinar am 15.1.2026. Einladung folgt.
Fotos: beigestellt, Adobe Firefly