Kämpfen an vielen Fronten

2006 lösten sich die Zahnärztinnen und Zahnärzte mit Leidenschaft, aber auch unter Schmerzen, aus der ärztlichen Berufsvertretung, um sich in der Zahnärztekammer selbst zu vertreten. Ein Gespräch mit dem Präsidenten der steirischen Zahnärztekammer, Dr. Reinhard Fürtinger.

Martin Novak

AERZTE Steiermark: Sieben Jahre Zahnärztekammer – welche Erwartungen haben sich erfüllt, was ist noch ausständig?
Fürtinger: Erfüllt hat sich alles. Ich war damals schon einer derjenigen, die sich sehr stark dafür eingesetzt haben, die davon überzeugt waren, dass es richtig ist, die Zahnärzte und die Ärzte zu trennen. Das war ja nicht ganz einfach, weil es auch in unserer Berufsgruppe andere Ideologien gegeben hat. Diejenigen, die in der Ärztekammer bleiben wollten, sind aber mittlerweile auch schon geläutert. Es gibt heute in der Zahnärzteschaft und der Vertretung der Zahnärzteschaft ganz eindeutig die Meinung, dass es richtig gewesen ist, uns zu trennen.
Einer der Gründe war, dass ein eigenes Studium, und damit mehr oder weniger ein eigener Berufsstand, etabliert wurde, der der Dres. med. dent., die eine neue und andere Form von Medizinern darstellen. Wir als Standesvertreter der alten Zunft, die noch Dres. med. univ. sind, sind uns im Klaren darüber, dass wir eine auslaufende Generation sind, die als Wegbereiter Strukturen schaffen müssen, die dann für die Dres. med. dent. passend sind. Das ist eine große Verantwortung und Aufgabe, die auch große Herausforderungen mit sich bringen. Wir müssen an Verhältnisse denken, mit denen wir nicht aufgewachsen sind, und die wir nur erahnen können.

Ein gutes Drittel Ihrer Mitglieder ist bereits in der Zahnärztekammer aufgewachsen. Wie ist deren Selbstverständnis im Vergleich zu den „alten“ Zahnärzten?
Fürtinger: Die „neuen Zahnärzte“ sind in der Regel mit 24 Jahren fertig ausgebildet und berufsberechtigt. Zu diesem Zeitpunkt haben sie ihre Lebensgestaltung und Lebensplanung noch vor sich. Sie müssen zu diesem Zeitpunkt Lebensentscheidungen treffen, die sie nicht treffen wollen und auch nicht treffen können. Dazu kommt, dass bisher die Gründung einer Zahnarztpraxis schon mit hohem finanziellem Aufwand verbunden war, die Wirtschaft aber ein Geschäft darin gesehen hat. Wir haben sofort Geld bekommen. Heute müssen Geschäftsmodelle vorgelegt werden, die Banken sind sehr restriktiv. Ich würde fast sagen, dass der Berufseinstieg in die Selbstständigkeit für die Dres. med. dent. im Gegensatz zu uns wesentlich schwieriger ist. Dazu kommen noch der auch in der Zahnmedizin sehr hohe Frauenanteil und die leider für Kolleginnen sehr ungünstigen Rahmenbedingungen auf dem Weg zur Selbstständigkeit. Leider blockiert der Gesetzgeber auch die von der Standesvertretung schon lange geforderte Anstellung eines Zahnarztes bei einem Zahnarzt, bzw. Kooperationsmodelle im Rahmen des Kassenvertrages, was die Situation für die Jungen wesentlich erleichtern würde. Das alles führt dazu, dass nur wenige Dres. med. dent. gleich nach der Ausbildung in den Beruf drängen. 

Die Zahnärzte waren tendenziell immer die Gruppe, bei der die Privatleistungen eine große Bedeutung hatten. Wie sehr hat die Wirtschaftskrise das Verhältnis zu den Patienten verändert? Ist private Medizin seit 2008 schwieriger geworden?
Fürtinger: Das muss man differenziert sehen. Die Patienten waren bereit, mehr Geld für dauerhafte, medizinische Lösungen auszugeben. Das flacht jetzt ein bisschen ab. Ich würde dennoch meinen, dass die Zahnärzte zwar allgemein nicht wirklich unter der Wirtschaftskrise gelitten haben. Die Wahlzahnärzte waren im Vergleich zu den Kassenzahnärzten mehr davon betroffen, weil unter anderem die Konkurrenz größer geworden ist.

Die Kassenambulatorien bieten jetzt auch Privatleistungen an, die Zahnärztekammer will gleichzeitig eine Ausweitung der kassenzahnärztlichen Leistungen. Das ist ja eine fast paradoxe Entwicklung?
Fürtinger: Die Situation der Zahnärzte ist schwierig. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass in Österreich Kassenleistungen durch Privatleistungen subventioniert werden. Kassenleistungen sind unterbezahlt. Das ist auch der Grund, warum die Privatleistungen bei Zahnärzten in Österreich eher höherpreisig sind. Daher gibt es auch den Druck des Auslandes, wo mittlerweile aber eine Preisannäherung erfolgt. Jetzt wollen die hochdefizitären Kassenambulatorien auch noch ein Stück vom Kuchen der Privatleistungen haben. Das ist aber eher ein ideologisches Problem, da nur ca. 5% der Patienten bisher von den Kassenzahnambulatorien betreut wurden. Was uns Zahnärzte dabei stört ist, dass es viel sinnvoller wäre den Kassenvertrag, der in seinen Grundzügen aus dem Jahre 1957 stammt, den heutigen zahnmedizinischen Möglichkeiten anzupassen. Denn davon würden alle Patienten profitieren und nicht nur einige Wenige, die nun subventionierte Privatleistungen in den Ambulatorien beziehen können. Um das Problem aufzuzeigen  läuft derzeit eine Plakataktion in den Wartezimmern der zahnärztlichen Ordinationen, die die Patienten auf diese Missstände hinweisen und sensibilisieren soll. In den letzten Jahren konnte man durch Erweiterung des Privatleistungsangebotes die wirtschaftliche Situation stabil halten. Aber es ist eindeutig so, dass sich die Kassenleistungen stark reduziert haben. Mittlerweile ist eine Weiterentwicklung bei den Privatleistungen aber nicht mehr so leicht möglich. Daher kämpfen wir an verschiedenen Fronten.

Welche Anpassungen im Leistungskatalog wollen Sie denn?
Fürtinger: Ein großes Thema seit zehn bis 15 Jahren ist die Kieferorthopädie. Festsitzende Regulierungen  spielen eine immer größere Rolle. Die müssen von den Versicherten vorfinanziert werden und sie bekommen nur einen Bruchteil von der Kasse zurück. Hier sind die Sozialversicherungen aufgefordert, gemeinsam mit den Zahnärzten an Lösungen für die Finanzierbarkeit für die Patienten zu arbeiten. Und es gibt neue Entwicklungen, wie die Implantate, die bereits eine Routinebehandlung darstellen. Und wir betreiben immer noch eine reine Reparaturmedizin. Vorsorge muss endlich finanziert werden.

Diese Argumente unterscheiden sich grundsätzlich kaum von denen der Allgemeinmediziner und der meisten Fachärzte. Es gibt also grundlegende, gemeinsame Ziele. Gemeinsames Agieren ist aber nicht erkennbar. Warum?
Fürtinger: Wir haben das gleiche Problem: kein Lobbying. Wir haben – Ärzte wie Zahnärzte – keine politische Unterstützung. Ein gemeinsames Auftreten ist aber schwierig, weil die Interessen doch zu unterschiedlich sind. Allein ist es aber auch sehr schwierig. Die Zahnärzte haben zwar bei den eigenen Patienten wunderbare Zufriedenheitswerte, das generelle Image des Standes wird aber als sehr schlecht eingestuft. Das liegt aber daran, weil der Zahnarztbesuch immer als unangenehm erlebt wird …

… aus Wellness-Gründen geht man nicht zum Zahnarzt …
Fürtinger: Richtig. Und das betrifft den Politiker, wie den Journalisten. Damit kämpfen wir, genauso wie die Ärzte.

In der Gesundheitsreformdebatte waren die Zahnärzte eher zurückhaltend. Was sind die Gründe dafür?
Fürtinger: Wir sind nicht direkt davon betroffen. Die Zahnärzte haben einen bundeseinheitlichen Kassentarif.

Wenn die Kassenausgaben gedeckelt sind, werden Sie nicht unberührt bleiben?
Fürtinger: Die Zahnärzte sind in diesem Gesetz nicht enthalten. Wir haben ein unlimitiertes Einzelleistungssystem. Wir sind von dieser Zielsteuerung nicht betroffen. Allerdings sind die Sozialversicherungsausgaben im zahnärztlichen Bereich seit zehn Jahren unverändert, also unter Berücksichtigung der Inflation rückläufig. Die Zahnärzte stellen damit keinen relevanten Kostenfaktor für das Sozialversicherungssystem dar, weil die Patienten die Leistungen mehr und mehr privat finanzieren.

Jetzt wollen Sie aber mehr?
Fürtinger: Eigentlich wollen wir mehr für die Patienten. Das ist aber eine politische Frage. Was ist man bereit, dafür auszugeben?

Der Berührungspunkt mit der Ärztekammer ist der gemeinsame Wohlfahrtsfonds. Wie sehen Sie diese Kooperation?
Fürtinger: Es ist uns sehr wichtig, hier aktiv mitzuwirken und uns einzubringen. Ein autonomes Pensionssystem ist von großer Bedeutung und wird noch wichtiger werden. Zumal die Zahnärzte auch weiterhin zum Großteil als selbstständige niedergelassene Zahnärzte arbeiten werden.

Foto: Schiffer

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