Mein „Lehrpraxis“-Projekt
Die Chefredakteurin der Österreichischen Ärztezeitung kämpfte schon Mitte der 1990er-Jahre für die Lehrpraxis.
Von Agnes M. Mühlgassner*
„Warum wollen‘s denn eine Lehrpraxis machen?“ – im ersten Moment war ich mir nicht sicher, ob die Frage auch wirklich ernst gemeint war. Schließlich stand ich im Gesundheitsministerium dem für die Vergabe der Lehrpraxis-Förderung zuständigen Beamten gegenüber. Drei Monate Lehrpraxis – mehr konnte man damals nicht auf einmal beantragen – lagen hinter mir. Der Lehrpraxisinhaber und ich hatten gefunden, dass drei weitere Monate jedenfalls bereichernd wären – nicht nur für mich – und weil zwischen Lehrpraxis Teil 1 und Lehrpraxis Teil 2 nicht unnötig Zeit verstreichen sollte, war mein Plan, das Förderansuchen direkt bei der zuständigen Stelle abzugeben. Gedacht, getan.
Mit seiner Frage nach dem „Warum“ war der Beamte zwar der erste, aber nicht der einzige. Ehemalige Studienkollegen – ich begann in der Lehrpraxis unmittelbar nach der Promotion – fragten genauso nach wie Freunde, Bekannte und Verwandte. Mein Projekt „Lehrpraxis“ nahm seinen Lauf: Neben der täglichen Arbeit in der Ordination hatte ich ein weiteres Betätigungsfeld gefunden: nämlich offensive Aufklärungs- und Informationspolitik über die Lehrpraxis. Niemand in meiner näheren oder weiteren Umgebung blieb davon verschont.
Und so kam es, wie es kommen musste: Nach dem „Warum“ folgte nahezu unvermeidlich die Frage: Wieso machen das nicht alle Jungärzte? Wirklich begründen konnte ich das nicht, denn die Lehrpraxis basierte auf Freiwilligkeit, die – nicht nur wegen des Förderantrags – noch mit einigem zusätzlichen administrativen Aufwand verbunden war, wie mich der Lehrpraxisinhaber wissen ließ. Wenn man dann – so wie ich – nach den in finanzieller Hinsicht doch knappen Studentenzeiten den Ehrgeiz hatte, auf eigenen Beinen zu stehen, so gestaltete sich dies zusätzlich schwierig. Auch wenn sich das Ganze schon vor einigen Jahren ereignet hat – genau gesagt Mitte der 1990er Jahre: Dass man Medizin ganz anders vermitteln kann als im Krankenhaus, das habe ich in der Lehrpraxis gelernt. Wo sonst, wenn nicht dort …
*Dr. Agnes M. Mühlgassner ist Chefredakteurin der Österreichischen Ärztezeitung
Fotocredit: Weinwurm