Intensivstation Krankenhaus
Spitalsärztinnen und Spitalsärzte stehen unter gewaltigem Druck. Die Diskussion um die Beschränkung der Durcharbeitszeit ist nur die Spitze des Eisbergs. Mit den Problemen steigt aber auch die Bereitschaft zu Reformen.
Nach viereinhalb Stunden ist Pause. Zumindest für 45 Minuten. Täglich darf neun Stunden gearbeitet werden. An zwei Wochentagen sind auch zehn Stunden erlaubt. Die durchschnittliche Höchstarbeitszeit pro Woche beträgt 48, die maximale Wochenarbeitszeit 56 Stunden. Wenn bei einer Kontrolle Überschreitungen festgestellt werden, droht der endgültige Stopp.
Nein, wir sprechen nicht von Spitalsärztinnen und -ärzten, sondern von LKW-Fahrern. Aus Sicherheitsgründen müssen alle Mitgliedsländer eine in der gesamten EU geltende Arbeitszeitrichtlinie umsetzen. Weil Österreich das nicht vollständig getan hat, hat die EU-Kommission in diesem Frühjahr Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Begründung: Die Richtlinie sei „ein wichtiges Instrument, um Berufskraftfahrer vor Beeinträchtigungen ihrer Gesundheit und Sicherheit zu schützen, die durch übermäßig lange Arbeitszeiten, unzureichende Ruhepausen oder eine unausgewogene Arbeitsorganisation verursacht werden“.
60 Stunden (mit Betriebsvereinbarung) durchschnittliche Wochenarbeitszeit, 72 Stunden Höchstarbeitszeit – für Ärztinnen und Ärzte in den Landesspitälern gelten andere Regeln. Als kürzlich am Wiener AKH die 25-Stunden-Regelung für durchgehende Dienste eingeführt wurde, standen nicht Sicherheit und Gesundheit im Mittelpunkt der Diskussion, sondern eher die Frage, ob das leistbar sei. Mit dem Kostenargument wehren sich die Länder schon seit Jahren gegen die Reduktion der durchgehenden Dienstzeiten, die noch immer weit von denen der Berufskraftfahrer entfernt sind. Für die betroffenen Ärztinnen und Ärzte ist es aber klar, dass die Senkung kommen muss, wie auch die jüngste „Frage des Monats“ von AERZTE Steiermark belegt, die von mehr als 500 Leserinnen und Lesern beantwortet wurde. 84 Prozent sagten, dass eine maximale Durcharbeitszeit von 25 Stunden dringend notwendig ist. Nur sieben Prozent sind für die Beibehaltung der bisherigen rechtlichen Vorschrift, die 32 Stunden – und am Wochenende sogar 49 Stunden – Arbeit ohne Unterbrechung erlaubt.
Warum, so argumentieren die wenigen Gegner arbeitnehmerfreundlicherer Bestimmungen, muss etwas, das früher nie ein Problem war, nun plötzlich geändert werden? Die Antwort liegt auf der Hand: 1989 betrug die durchschnittliche Verweildauer in den steirischen Akutspitälern 8,8 Tage, das war damals der höchste Wert in Österreich. Heute liegt er nur mehr bei 5,6 Tagen – eine Reduktion um mehr als 36 Prozent. Damit sind aber auch der Arbeitsdruck und die Behandlungsintensität im gleichen Ausmaß gestiegen. Aus dem früheren Bereitschaftsdienst mit entsprechenden Ruhezeiten ist vielfach eine Vollbelastung geworden.
Arbeitszeiten sind aber nur eines der offenen Probleme in den steirischen Landeskrankenhäusern. Die gesamte Problematik spiegelt sich im Projekt „Lebensphasenorientierung Ärzte“ wieder, das als gemeinsames Projekt von KAGes und Ärztekammer aufgesetzt und am 28. Oktober mit einer großen Auftaktveranstaltung offiziell gestartet wurde. Die Überschriften für die acht Projektgruppen, die laut Zeitplan bis Mitte 2015 ihre Arbeit vollendet haben, lauten:
• Verbesserung der Ausbildungsqualität im Turnus zur/zum Ärztin/Arzt für Allgemeinmedizin
• Verbesserung der Ausbildungsqualität im Turnus zur/zum Fachärztin/Facharzt
• Entlastung der ärztlichen Tätigkeit im Spital von Organisations- und Verwaltungsaufgaben
• Vereinbarkeit von Beruf und Familie
• Arbeitsbelastung während der Journaldienste
• Entwicklungsmöglichkeiten im ärztlichen Beruf/Wertschätzender Umgang/gutes Betriebsklima
• Gehaltssituation im ärztlichen Bereich
• Kommunikationskonzept
Dahinter steckt ein realer Leidensdruck: Die Ärzteschwemme ist längst Vergangenheit, es wird zunehmend schwieriger (manchmal bereits unmöglich), alle Turnusstellen zu besetzen. In manchen Bereichen liegt der Frauenanteil bereits deutlich über 70 Prozent – was den Druck, die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Kinderbetreuung zu verbessern, erhöht. Insgesamt erheben vor allem junge Ärztinnen und Ärzte (Stichwort: Generation Y) verstärkt den Anspruch, sich vom Beruf nicht „auffressen“ zu lassen. Der Dokumentationsaufwand ist einerseits aus rechtlichen, aber wohl auch strukturellen Gründen in den letzten Jahren massiv gestiegen, worunter vor allem die jungen Ärztinnen und Ärzte stöhnen, die fast bis zur Hälfte ihrer Arbeitszeit mit Administration verbringen. Darunter wiederum leidet die Ausbildungsqualität, gleichzeitig finden Ausbildungsverantwortliche (soweit es sie gibt) oft nicht genug Zeit für ihre jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Das Turnusärztetätigkeitsprofil, das die Aufgaben der Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung umreißen sollte, ist nicht verbindlich und oft genug nur Makulatur.
Aber es gibt nicht nur ein Problem der Jungen: Während früher das Gros der Ärztinnen und Ärzte irgendwann in die Niederlassung ging, sind heute reine Spitalskarrieren sehr häufig geworden – die Arbeitsbedingungen mit regelmäßigen Nacht- und Wochenenddiensten sind aber vor allem in den letzten Jahren vor der Pensionierung besonders belastend.
In diesem Zusammenhang spielt auch die Gehaltssituation eine wesentliche Rolle. Denn die Unzufriedenheit darüber, dass ein angemessenes Gesamteinkommen nur dann zu erzielen ist, wenn man Dienste macht und nicht in erster Linie vom Grundeinkommen abhängig ist, steigt immer mehr. Und natürlich blicken steirische Ärztinnen und Ärzte in andere Bundesländer, vor allem aber auch ins Ausland, etwa nach Deutschland oder in die Schweiz, wo die ärztlichen Einkommen deutlich über den österreichischen bzw. steirischen Werten liegen.
Dass man all diese Probleme in der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft erkannt hat und offensiv damit umgeht, sieht man in der Ärztekammer positiv. Deswegen wird die Projektarbeit auch mitgetragen. Wichtig ist es aber aus ärztlicher Sicht, sie mit den Zielen von Reformverhandlungen über Dienstrecht und Gehälter in Einklang zu bringen.
Fotocredits: Ärztekammer Steiermark, Schiffer