MUG: Einstufungen fragwürdig
Einstufungen in das Entlohnungsschema und Anerkennung der Vordienstzeiten für ÄrztInnen der Medizinischen Universität Graz sind rechtlich zu hinterfragen. Erste Klagen laufen.
Von Daniel Wabnegg
Durch das Universitätsgesetz (UG) 2002 wurden alle österreichischen Universitäten per 1. Jänner 2004 aus der Bundesverwaltung ausgegliedert und zu juristischen Personen des öffentlichen Rechts umgewandelt.
Das hatte zur Folge, dass alle österreichischen Universitäten ihre gesetzlich festgelegten Aufgaben einerseits weisungsfrei erfüllen, aber auch gleichzeitig der Aufsicht des Bundes unterliegen. Jede Universität erhält seither ein Globalbudget mit einer leistungsabhängigen Komponente und ist zudem Arbeitgeber ihres Personals.
Um den Anforderungen eines wissenschaftlichen, künstlerischen und universitären Arbeitsumfeldes gerecht zu werden, was einerseits die Personalstruktur, aber auch die Arbeitsbedingungen der einzelnen Universität betrifft, wurde zwischen dem Dachverband aller 21 österreichischen Universitäten und der zuständigen Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD) ein Kollektivvertrag für alle Angestellten der Universitäten ausverhandelt, der seit 1. Oktober 2009 in Geltung ist.
Dies führte dazu, dass seitdem etwa an der Medizinischen Universität Graz neben Bundesbediensteten (Beamten) auch Beschäftigte mit Dienstverträgen vor Inkrafttreten des Kollektivvertrages sowie Beschäftigte, auf deren Dienstvertrag der neue Kollektivvertrag Anwendung findet, tätig sind. Das führte, wie sich nun zeigt, auch zu großen Unregelmäßigkeiten bei der Entlohnung vieler Beschäftigten. Im Detail sind aktuell folgende Themen strittig:
Dienstverträge vor Inkrafttreten des KV für Arbeitnehmer der Unis
Die Ärztekammer Steiermark fand heraus, dass einige Dienstverträge von Ärztinnen und Ärzten im Dienste der MUG, deren Dienstverhältnis vor Inkrafttreten des KV für Arbeitnehmer der Universitäten begründet wurde, eine Vertragsklausel enthalten, wonach die betroffenen Ärztinnen und Ärzte nach Inkrafttreten des KV vertraglich in das (für Bedienstete weitaus günstigere) Entlohnungsschema des Kollektivvertrages zu überführen gewesen wäre.
Trotz Aufforderung der Ärztekammer für Steiermark kam die MUG bisher ihrer vertraglichen Verpflichtung nicht nach und lehnte eine automatische Überführung der betroffenen Ärztinnen und Ärzte in das Entlohnungsschema des Kollektivvertrages ab. Es ist außerdem davon auszugehen, dass immer noch einige im Besitz von besagten Altverträgen mit Überführungsklausel in das Entlohnungsschema des KV für AN der Universitäten sind. Die Ärztekammer bietet daher allen möglicherweise betroffenen Ärztinnen und Ärzten eine Überprüfung ihrer Dienstverträge sowie die darauffolgende Geltendmachung ihrer vertraglichen Ansprüche an. Die Ärztekammer für Steiermark gewährt jedem Mitglied vollen Rechtsschutz, es erwachsen dem Einzelnen daher keine Kosten für die Rechtsvertretung bzw. im Falle einer möglichen gerichtlichen Auseinandersetzung.
Klagen Einstufung Qualifizierungsver¬ein¬barung
Aktuell werden acht betroffene Ärztinnen und Ärzte, die in Besitz einer Laufbahnstelle (Qualifizierungsvereinbarung) mit der MUG sind, von der Ärztekammer für Steiermark in ihrer Klage vor dem Arbeits- und Sozialgericht Graz unterstützt. Die betroffenen Ärztinnen und Ärzte machen in ihren Klagen eine nicht ordnungsgemäße Einstufung in das Entlohnungsschema des Kollektivvertrages geltend. Anders als die Medizinischen Universitäten in Innsbruck und Wien verweigert die Medizinische Universität Graz allen Ärztinnen und Ärzten mit Qualifizierungsvereinbarung bis dato eine Anrechnung ihres Doktorates (nach altem Studienplan), wodurch die Betroffenen erhebliche Einbußen in ihrer Entlohnung hinnehmen müssen. Alle acht werden in ihrer Klage von Rechtsanwalt Martin Meier, einem bekannten Spezialisten für Arbeitsrecht, vertreten. Alle Verfahren sind derzeit im Gange, mit den ersten Urteilen ist Mitte des Jahres 2014 zu rechnen.
Einstufung in den KV: Anrechnung der Vor¬dienstzeiten
Da auch im Bereich der ordnungsgemäßen Einstufung von Ärztinnen und Ärzten ohne Qualifizierungsvereinbarung in den Kollektivvertrag für Arbeitnehmer der Universitäten mehrfach Ungereimtheiten aufgetreten sind, unterstützt die Ärztekammer für Steiermark aktuell eine Musterklage zur Klärung der Rechtsfrage, welche Ersteinstufung (in das Entlohnungsschema des KV für Arbeitnehmer der Universitäten) Ärztinnen und Ärzten im Dienste einer medizinischen Universität gebührt.
Zu guter Letzt sorgte auch das Thema der Anrechnung von Vordienstzeiten immer wieder für Unmut unter dem ärztlichen Personal der MUG. Konkret werden seitens der MUG vermehrt weder Beschäftigungszeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter, noch fachfremde ärztliche Ausbildungszeiten als Vordienstzeiten angerechnet. Auch von Seiten der MUG offiziell geförderte (und bei der MUG erworbene) Zusatzqualifikationen, wie etwa der Doktor der Medizinischen Wissenschaft, finden aktuell keine Berücksichtigung bei MUG-Ärztinnen und Ärzten (ohne Qualifizierungsvereinbarung).
Als Begründung von Seiten der MUG wird dabei vermehrt angegeben, dass es sich bei diesen Erfahrungen und Qualifikationen um keine tätigkeitsbezogene Vorerfahrung handle. Da jedoch auch Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung im Dienste der MUG vertraglich verpflichtet werden, an der Erfüllung von Aufgaben in Forschung und Lehre mitzuwirken, sind aus arbeitsrechtlicher Sicht sowohl Beschäftigungszeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter, als auch fachfremde ärztliche Ausbildungszeiten und erworbene Zusatzqualifikationen auf dem Gebiet der Wissenschaft selbstverständlich als Vordienstzeiten anzurechnen.
Auch zu diesem Thema werden alle betroffenen Ärztinnen und Ärzte, die an einer Anrechnung ihrer erworbenen Vordienstzeiten interessiert sind eingeladen, sich an die Ärztekammer für Steiermark zu wenden, um ihre Ansprüche vor dem Dienstgeber geltend zu machen.
Mag. Daniel Wabnegg ist Jurist in der Kurie Angestellte Ärzte der Ärztekammer Steiermark.
„Auslegung kann nicht nachvollzogen werden“
AERZTE Steiermark sprach mit dem Arbeitsrechtler Martin Meier, der die Klagen der betroffenen Ärztinnen und Ärzte wegen nicht rechtskonformer Einstufungen führt.
AERZTE Steiermark: Es scheint, die Grazer Medizinische Universität behandelt ihre Beschäftigten bei der Einstufung schlechter, als die beiden anderen öffentlichen Medunis. Wie erklären Sie sich das? Bei drei Medizinischen Universitäten sollte man doch meinen, dass sie das Gesetz gleich auslegen?
Meier: Die Auslegung des Kollektivvertrages durch die MUG kann meinerseits nicht
nachvollzogen werden, dies umso mehr, nachdem die beiden anderen Universitäten ordnungsgemäß vorgehen. Natürlich besteht ein gewisser Auslegungsspielraum der kollektivvertraglichen Bestimmungen, wobei der Standpunkt der MUG dennoch verwundert.
Man soll einen Rechtsanwalt nie fragen, wie er die Erfolgsaussichten einer Klage sieht. Aber einigen wurden ja Vergleiche angeboten. Das deutet darauf hin, dass die Meduni Graz nicht davon überzeugt ist, im Recht zu sein …?
Meier: Hinsichtlich der anhängigen Prozesse zur Qualifizierungsvereinbarung erachte ich die Erfolgsaussichten als überaus positiv, da der Standpunkt der MUG gegen den ausdrücklichen Wortlaut des KV verstößt.
Die Ärztekammer bietet jenen, deren Dienstverhältnisse vor Inkrafttreten des KV für Arbeitnehmer der Universitäten begründet wurden, rechtliche Beratung und Unterstützung an. Wie stelle ich fest, ob ich zu dieser Gruppe gehöre?
Meier: Betroffene Dienstnehmer können jederzeit durch Übermittlung ihres Arbeitsvertrages sowie der letzten Lohnzettel eine Überprüfung durch die Ärztekammer bzw. meine Kanzlei durchführen lassen. Allen Dienstnehmern ist jedenfalls anzuraten, rechtzeitig ihre Forderungen geltend zu machen, um nicht die Diskussion über einen Verfall mangels Geltendmachung zu eröffnen.
Wie viele Bedienstete insgesamt dürften von diesen Problemen insgesamt betroffen sein? Haben Sie eine Schätzung?
Meier: Derzeit sind in meiner Kanzlei mehr als zehn Fälle anhängig.
Von welchem finanziellen Volumen sprechen wir? Was haben die Einzelnen bei einem Erfolg vor dem Arbeitsgericht zu erwarten?
Meier: Die Problematik der Altdienstverträge vor Inkrafttreten des KV konnte in zwei Fällen überaus erfolgreich außergerichtlich durch Nachzahlungen von über 15.000 Euro brutto und künftige ordnungsgemäße Einstufung erledigt werden. Es ist zu befürchten, dass die kollektivvertragswidrige Bezahlung auf Basis von Altverträgen viele weitere Dienstnehmer betrifft. Auch hier sind sind die Erfolgsaussichten vor Gericht überzeugend. Die Entgeltdifferenzen bei den Altdienstverträgen belaufen sich jährlich auf bis zu 11.000 Euro brutto, bei den Qualifizierungsvereinbarungen auf ca. 8.000 Euro brutto.
Fotocredit: Furgler