Operation Notarzt
Das völlige Kollabieren der notärztlichen Versorgung in der Steiermark konnte verhindert werden. Wie stabil die politische Lösung ist, wird aber erst die Zukunft zeigen.
Dass es Reformbedarf bei der notärztlichen Versorgung gibt, war schon länger bekannt. Aber erst ein Bericht des Arbeitsinspektorates Graz und Medienberichte im Jänner weckten die Verantwortlichen auf: Unmissverständlich stellte das Arbeitsinspektorat fest, dass die Notarztdienste als verlängerte Dienste im Sinne des Krankenanstaltenarbeitszeitgesetzes zu betrachten seien und so die Höchstgrenzen der Arbeitszeit überschritten würden. Verschärfend kam hinzu, dass das Arbeitsinspektorat offenbar keine Frist setzte, sondern eine umgehende Lösung verlangte und gleichzeitig von der KAGes forderte, die Grundsatzregelung entsprechend anzupassen.
Noch im Dezember hatte Landeshauptmann Franz Voves als zuständiger Referent in einer Landtagssitzung zwar konzediert, „dass es notwendig sein wird, arbeitszeitmäßig überlasteten Ärzten in unseren Spitälern – auch zum Wohle der Patientinnen und Patienten – menschenwürdige Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen anbieten zu müssen“, die neue Auslegungs- und Interpretationspraxis des Arbeitsinspektorats sei aber „juristisch nicht unumstritten“.
Nach den Medienberichten im Jänner appellierte die Ärztekammer an Voves, rasch zu handeln und einen Notärztegipfel einzuberufen, um eine rechtskonforme Sicherstellung der notärztlichen Versorgung zu gewährleisten. Angesichts drohender Strafen drängten auch die KAGes und deren Vorstandsvorsitzender Karlheinz Tscheliessnigg auf eine rasche Lösung.
Heraus kamen ein Versprechen und eine Personalentscheidung: In einer gemeinsamen Presseaussendung versprachen Land und KAGes neben Sofortmaßnahmen die Entwicklung eines Konzepts „für eine völlige Neuordnung des Notarztwesens“. Dazu werde es „mittel- bis langfristig notwendig sein, den ärztlichen Personalstand der KAGes zu erhöhen. Die notwendigen Finanzmittel wird das Land Steiermark aufbringen.“ Primarius Klaus Pesenbacher, Koordinator für Notfallmedizin beim Land, wurde auch als Notarztbeauftragter der KAGes eingesetzt.
„Die klare Bereitschaft des Landes Steiermark, die notärztliche Versorgung arbeitszeitgesetzkonform zu regeln und die erforderlichen Mittel bereitzustellen, so wie das in den meisten anderen Bundesländern schon längst geschieht, ist ein erster wichtiger Schritt“, sagte Ärztekammerpräsident Herwig Lindner dazu.
Interesse groß
Aus Sicht der Ärztekammer, die ja laut Ärztegesetz für die Notärzteausbildung zuständig ist, gibt es keinen grundlegenden Mangel an Ärztinnen und Ärzten, die formal zur notärztlichen Tätigkeit berechtigt sind: In den Jahren 2012 und 2013 wurden 220 Notarztdiplome ausgestellt, im selben Zeitraum haben mehr als 500 Ärztinnen und Ärzte einen Refresherkurs besucht. Weil aber nicht-steirische Ärztinnen und Ärzte auch unter den Teilnehmenden waren, im Gegenzug Steirerinnen und Steirer Kurse in anderen Bundesländern absolvieren und auch „Nicht-Notärzte“ Refresher-Kurse besuchen, ist die Gesamtzahl der zur notärztlichen Tätigkeit Berechtigten nicht exakt festzustellen. Sie ist aber jedenfalls weit höher als die Zahl jener, die regelmäßig Dienste machen. Eine Umfrage unter den Stützpunktleiterinnen und -leitern ergab eine Zahl von etwas über 300. Gestaltungsraum für die Neuorganisation sollte es also geben.
Wie groß das Interesse ist zeigt sich auch darin, dass die Notarztkurse der Ärztekammer im Rahmen der Seminare im März und der Grazer Fortbildungstage zuletzt immer voll ausgebucht waren. Und es ist kein Zufall, dass am Tag der Einigung zwischen Land und KAGes 49 vorwiegend junge Ärztinnen und Ärzte an einem Notarztkurs teilnahmen.
Johann Kainz, Notfallreferent der Ärztekammer, hält aber neben der Ausbildung auch ein gutes Qualitäts- und Risikomanagement für notwendig. Dazu gehören etwa ein funktionierendes Feedbacksystem und die Möglichkeit für die Notärztinnen und -ärzte, die Qualität ihrer Ausrüstung (die von den Rettungsorganisationen angekauft wird) mitbeurteilen zu können.
Buchtipp:
„Qualitätsmanagement im prähospitalen Notfallwesen“ heißt ein erst kürzlich im Springer-Verlag erschienenes Buch, herausgegeben von Michael Baubin, Adolf Schinnerl und Agnes Neumayr, die im Tiroler Notfallwesen in leitender Funktion tätig sind.
Am Buch mitgearbeitet hat auch Johann Kainz gemeinsam mit seinen Kollegen Stefan Heschl, Simon Orlob, Gerhard Prause und Gernot Wildner: „Österreichweit findet sich ein dichtes Netz an Rettungsdienststellen und Notarztstützpunkten. Unterschiedliche Organisationsformen aufbauend auf einer komplexen Finanzierung ergeben eine teilweise inhomogene Struktur der prähospitalen Versorgungssysteme in Österreich. Sich ändernde Inputvariablen bedingen Veränderungen der Outputvariablen des prähospitalen Notfallversorgungsprozesses. Ein nicht vorhandener einheitlicher Standard und ein fehlender länderübergreifender Auftrag zu Qualitätsmanagement im Rettungs- und Notarztdienst erschweren überregionale Analysen. Die bundesweite Umsetzung einheitlicher Standards könnte eine Basis hierfür bieten“, heißt es in deren Buchbeitrag „Rettungs- und Notarztsysteme in Österreich: aktuelle Entwicklungen“.
Agnes Neumayr, Adolf Schinnerl, Michael Baubin (Herausgeber): Qualitätsmanagement im prähospitalen Notfallwesen: Bestandsaufnahme, Ziele und Herausforderungen. Springer Verlag, Wien, New York, 2013. ISBN: 978-3709115961
Fotocredit: Lunatico