Brief aus Brüssel
Mehr als 48 Stunden Arbeitszeit pro Woche geht nicht, mahnt die EU-Kommission eine Änderung des Krankenanstaltenarbeitszeitgesetzes ein. Überraschend kommt die Rüge nicht. Und das Problem ist auch nicht so unlösbar, wie es aufgrund der ersten Reaktionen scheint. Wir bringen die Fakten.
Mindestens seit zehn Jahren weiß man um die Problematik, auch in Österreich. Geschehen ist wenig bis nichts. Man hat das Problem ignoriert bzw. vor sich hergeschoben. Das geht jetzt nicht mehr.
Zu teuer. Das war der Befund der Länder. Deswegen wurden die Bemühungen von Sozialminister Hundstorfer um eine EU-Rechts-konforme Lösung in den letzten Jahren gestoppt.
Noch teurer könnte es jetzt werden, nichts zu tun. Denn ein Vertragsverletzungsverfahren, das im Raum steht, könnte eine Art „Beugestrafe“ in Millionenhöhe nach sich ziehen. Nicht nur einmal, sondern jedes Halbjahr bis zur Herstellung des rechtskonformen Zustandes.
Auswege gibt es. Der formal einfachste: Man übernimmt einfach die 48-Stunden-Regelung. Damit sind aber organisatorische und wirtschaftliche Herausforderungen verbunden, vor denen sich Spitalserhalter und auch Ärztinnen und Ärzte fürchten. Gegenargumente: Es kostet zu viel, es gibt das Personal gar nicht, es lässt sich mit den Abläufen in den Krankenhäusern nicht vereinbaren.
Horrorzahlen: Von bis zu 650 Ärztinnen und Ärzten mehr, die erforderlich sind, um die EU-Arbeitszeitrichtlinie umzusetzen, spricht die KAGes. Die SALK (Salzburg) spricht von lediglich 60 Ärzt¬innen und Ärzten, die KABEG (Kärnten) von 75. Die Tilak (Tirol) von 500 bis 1.000, allerdings in ganz Österreich.
Andere Fachleute, die konkrete Berechnungen angestellt haben, kommen auf weit geringere Zahlen, auch unter weitgehender Berücksichtigung der Diensterfordernisse.
Entschärft kann die Arbeitszeitrichtlinie durch ein individuelles opting out werden, das es aber in Österreich nicht gibt. Um einzelne Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor dem Druck durch den Dienstgeber zu schützen, sind hierzulande nur Betriebsvereinbarungen möglich. Denkbar ist eine Kombination aus individuellem und betrieblichem opting out – die einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssten einer Betriebsvereinbarung zustimmen.
Unmöglich ist die Umsetzung jedenfalls nicht. Das beweist schon die Tatsache, dass sie die meisten EU-Länder unter Inanspruchnahme des opting out längst umgesetzt haben.
Eine Arbeitsgruppe im Sozialministerium, in der auch Länder und Ärztekammer mitwirken, soll eine Lösung finden.
Fotocredit: Schiffer