Zwischen Intensivstation und Waldrevier
Frank Unger ist mit Leidenschaft als Intensivmediziner, Forscher und Lehrer der Grazer Neurochirurgie im Einsatz und ebenso ein engagierter und experimentierfreudiger Forst- und Landwirt.
Von Reinhard A. Sudy
Die Steiermark ist laut Amt der Steiermärkischen Landesregierung mit 57,5% Waldanteil tatsächlich das grüne Herz Österreichs. Und 2012/2013 war das Jubiläumsjahr für „150 Jahre Universitätsmedizin Graz und 100 Jahre LKH-Univ.-Klinikum Graz“. Was das miteinander zu tun hat? Na ja, das weitläufige LKH Graz hat laut Kennzahlen des Klinikums eine Fläche von rund 60 Hektar, wovon etwa die Hälfte Grünanlagen und Wald sein dürfte, und der zu seiner Zeit wohl berühmteste deutsche Chirurg, August Bier, begann 1912/1913, also 100 Jahre zuvor, mit dem „großen Experiment seines Lebens, nämlich dem Aufbau eines ausgedehnten Waldes nach den allgemeinen philosophischen und biologischen Regeln, die ihm die Medizin erschlossen hatte“. Dazu hatte er ein heruntergekommenes Forstgut gekauft, um seine Kenntnisse der Medizin und Biologie auf den Wald zu übertragen und diesen gleichsam zu heilen versucht.
Für den Neurochirurgen und Intensivmediziner Frank Unger von der Grazer Universitätsklinik für Neurochirurgie ist der „Arzt und Waldbauer“ August Bier beispielhaft für eine innovative und vor allem nachhaltige Waldbewirtschaftung. Das Buch über dessen ökologisches Experiment bekam er übrigens von einem seinem Förster empfohlen. Auch Frank Unger ist es ein Anliegen, seine Waldreviere im deutschen Harz und in der Heide naturgemäß, zukunftsorientiert, aber durchaus experimentell zu bewirtschaften.
Gleich nach der Matura ging der in Braunschweig (Niedersachsen) geborene Frank Unger für drei Jahre zur Kampftruppe der Bundeswehr, machte dort seine Fallschirmjäger- und Offiziersausbildung, und ist heute ausgebildeter Regimentskommandeur und Oberstarzt der Reserve. Dann begann er, Medizin zu studieren, eine Entscheidung, die er eigentlich schon zu Beginn seiner Militärlaufbahn getroffen hatte. „Während meiner Turnusarzt-Ausbildung war ich ein Jahr in Durban in Südafrika und lernte dort meine Frau kennen, eine Oberösterreicherin“, erzählt Unger. Über Linz, wo seine Frau als Neuroradiologin und er als Neurologe arbeiteten, führte die beiden der berufliche Weg weiter nach Graz. Hier wechselte ao. Univ.-Prof. Frank Unger auf die Neurochirurgie zu Univ.-Prof. Gerhard Pendl, habilitierte sich und war bis zuletzt Leitender Oberarzt des Gamma Knife. Heute ist er als Intensivmediziner in Forschung und Lehre im Einsatz.
Im einst ostdeutschen Sachsen-Anhalt hatte Frank Ungers Großvater eine Land- und Forstwirtschaft. „Der Traum meines Vaters, den ehemaligen Besitz wiederzubekommen, ging nach dem Ende der DDR weitestgehend in Erfüllung“, freut sich Unger: „Es hat dann einige Jahre gedauert, bis es so weit war, und wir etwa eine Autostunde entfernt liegende Grundstücke (leider mit vielen Splitterflächen) zugeteilt bekommen haben. Wir arbeiten ständig an einer Arrondierung durch Zukäufe.“ Das eine Anwesen mit 60 Hektar Wald (vorwiegend Fichtenbestände) und 90 Hektar, meist verpachteter landwirtschaftlicher Flächen, liegt im Harz im Mittelgebirge. Das andere ist ein 220 Hektar großer Besitz in der Dübener Heide in Martin Luthers Heimat, davon 5/6 Forstwirtschaft (vorwiegend Kiefer) und 1/6 Landwirtschaft, die ebenfalls noch verpachtet ist, mit einem 160 Hektar großen Eigenjagdrevier mit Rotwild, Rehwild, Schwarzwild, Hasen und gelegentlich gesichteten Wölfen.
Dass Frank Unger damit Forstwirt, Landwirt und Jäger in einem ist, erleichtert sein Verständnis für die oft gegensätzlichen Anliegen. Im Vordergrund steht für ihn aber die Holznutzung und Waldbewirtschaftung, bei der ihn Förster der staatlichen Forstbehörde auf Vertragsbasis unterstützen. So hat er in seinen Nadelholz-Wäldern bereits kleine, zum Schutz vor dem Wild eingezäunte, Inseln mit Buchen und Eichen bepflanzt, gleichsam als Initialzündung für eine natürliche Mischwaldentwicklung. Stolz erklärt er an Hand von Fotos, wie eine „von Forstfrevlern“ abgeholzte, brachliegende und verunratete Fläche freigemacht und in mühseliger Arbeit aufgeforstet wurde: „Von Hand haben wir hier im vorigen Herbst 55.000 Roteichen gepflanzt. Diese sind sehr resistent gegen Trockenheit und wachsen schnell. Auf kleineren, früher angelegten Versuchsflächen, sind die Roteichen-Pflanzungen in zehn Jahren fünf Meter hoch geworden.“ Dass diese sehr dicht, im 30 Zentimeter Abstand gepflanzten Bäumchen später einmal in einem weiteren Arbeitsschritt radikal gelichtet werden müssen, erwähnt Frank Unger so nebenbei.
Der Zeitaufwand dafür ist beachtlich. „Ich muss aber Ziele und Engagement haben und versuche, meine Zeit für die Familie, den Beruf als Mediziner und die Begeisterung für die Forstwirtschaft zu nutzen“ erklärt Frank Unger, der etwa alle zwei Monate für eine Woche auf seinem Anwesen in Deutschland ist: im Winter seltener und im Sommer naturgemäß öfter, dazu große Teile seines Jahresurlaubs. Seine beiden Kinder Gerd und Christine, die in Hasselsfelde im Harz getauft worden sind, verbringen Teile ihrer Sommerferien dort. Fit hält sich der schlanke 49-Jährige durch Radfahren und Treppensteigen – immerhin sind es neun Stockwerke bis zu seinem Arbeitsplatz in der Grazer Neurochirurgie.
Mit Spannung sieht Unger einer Begehung seines Waldreviers durch die Mitglieder einer Arbeitsgemeinschaft von Waldbesitzern, Förstern und Wissenschaftlern im Herbst entgegen. Diese schauen sich regelmäßig Waldentwicklungen und Aufforstungen an. Dabei steht er auf dem Prüfstand und wird sein Konzept eines Waldumbaus erklären und die bisherigen Fortschritte vor Ort zeigen können. „Bei allem Bemühen um Neuerungen und Nachhaltigkeit darf die Wirtschaftlichkeit nicht aus den Augen verloren werden“ ist sich Unger bewusst, „auch wenn sich meine Arbeit und Investitionen erst in späteren Jahren, meist sogar erst für spätere Generationen rechnen.“
Fotocredit: beigestellt