Was Ärzte wirklich wählen

Die Motive von Wahlärztinnen und Wahlärzte, ihre Praxis zu gründen, wurden im Oktober im Rahmen eines Surveys erhoben. Wenig überraschend: Das Hauptmotiv, eine (Wahlarzt-)Praxis zu gründen besteht in Autonomie. Sehr überraschend: Die Homogenität und die Intensität dieses Motivs, das Ärztinnen und Ärzte zur Praxisgründung bewegt.

Ausgangslage des Surveys, das von der Ärztekammer für Steiermark in Auftrag gegeben wurde war, die Motivlagen zur Gründung einer Wahlarztpraxis aufzuklären.

Befragt wurden jene Ärztinnen und Ärzte, die ihre Wahlarztpraxis 2010 oder später gegründet haben und die sie im Oktober 2014 immer noch führ(t)en.

Die Befragung wurde schriftlich durchgeführt, die Auswertung erfolgte streng anonymisiert. Zwölf standardisierte Items sowie vier freie Fragen zur Motivlage wurden gestellt, sodass sowohl „vorgefertigte“ Antworten ein schnelles Antworten ermöglichte, aber die Motivlage eben auch in eigenen Worten völlig frei referierbar war, falls das standarisierte Set die eigene Motivlage nicht getroffen haben sollte. Der Rücklauf betrug rund 16 %.

Die Auswertung der freien Fragen erfolgte in zwei Schritten: Zunächst wurden die Antworten, soweit lesbar, schriftlich erfasst. In einem zweiten Schritt wurden diese Antworten kategorisiert, um auch im Bereich der qualitativen Antworten quantitative Aussagen treffen zu können.


Zeit, Struktur, Klima

Drei große Motivbereiche im Zusammenhang mit der Gründung einer Wahlarztpraxis wurden abgefragt: zeitliche Aspekte, Aspekte des Arbeitsklimas und strukturelle Aspekte. In allen diesen Bereichen gab es auch die Möglichkeit, frei zu antworten, die – obwohl zeitaufwändig – von erfreulich vielen RespondentInnen auch tatsächlich genutzt wurde.

Die Motivbereiche erreichen Zustimmungsraten zwischen knapp 50% und knapp 78% – damit trifft die jeweilige Motivlage bei mindestens der Hälfte der RespondentInnen zu und erreicht Zustimmungsraten bei mehr als drei Vierteln der Befragten.


Familienfreundlichkeit und Lagerung der Arbeitszeit

Sowohl aus den Antworten auf die strukturierten – als auch aus jenen auf die freien Fragen – geht eindeutig hervor, dass Arbeitszeitbedingungen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen und weitgehende Selbstbestimmung bei der Einteilung der zeitlichen Lagerung der Arbeitszeit für die überwiegende Mehrzahl der RespondentInnen enorm wichtig sind (Zustimmungsraten über 70 %).


Fachlich/inhaltliche Autonomie

Aber auch zwei Items aus dem Motivbereich „Struktur“ erreichen Zustimmungsraten über 70 Prozent:  Weitgehende Selbstentscheidung bei fachlich/inhaltlicher Schwerpunktsetzung und die selbstbestimmte Gestaltung der Arbeitsabläufe sind auch sehr wichtige Motive, eine Wahlarztpraxis gegründet zu haben.


Arbeitsklima

Aus dem Motivbereich „Klima“ erreicht nur ein Item Zustimmungsraten über 70 Prozent – und zwar, selbst wesentlichen Einfluss auf das Arbeitsklima nehmen zu können.
Deutlich weniger Zustimmung (66 % bis 49 %) erreichen die Items: Wenn schon Stress, dann selbstbestimmter; weitgehende Kontrolle über die Menge des Zeiteinsatzes; der Einbindung in die Hierarchie eines Krankenhauses zu entgehen; die KollegInnen/MitarbeiterInnen selbst aussuchen können.


Gewichtung der einzelnen Bereiche

Arbeitszeit-Bedingungen, mit denen sich Beruf und Familie gut vereinbaren lassen, sind als Motiv sehr signifikant wichtiger als die Motive, der Einbindung in Krankenhaus-Hierarchie zu entgehen und KollegInnen bzw. MitarbeiterInnen selbst aussuchen zu können.
Auch die Selbstbestimmung bei der zeitlichen Lagerung (Einteilung) der Arbeitszeit ist sehr signifikant wichtiger als KollegInnen/MA selber aussuchen zu können und signifikant wichtiger als der Einbindung in die Krankenhaus-Hierarchie zu entgehen.

Gleiches gilt für das Motiv, dass WahlärztInnen selbst über fachlich/inhaltliche Schwerpunktsetzungen entscheiden können, selbst Einfluss auf das Arbeitsklima haben und die Arbeitsabläufe selbst bestimmten können: Sie sind sehr signifikant wichtiger als die Vermeidung der Krankenhaus-Hierarchie bzw. signifikant wichtiger als das Motiv, Kolleg-Innen/MitarbeiterInnen selbst aussuchen zu können.
 

Kompakte Motivlage

Aus sozialwissenschaftlicher Sicht ist sehr bemerkenswert, dass sich bei den Ergebnissen nur sehr wenige Gruppenunterschiede gezeigt haben – das bedeutet, die Zustimmung zu den einzelnen Motivlagen ist in weiten Teilen unabhängig von Variablen wie Alter, Geschlecht oder der beruflichen Position während der letzten Anstellung als Ärztin bzw. Arzt.

Allein die Variable Allgemeinmediziner/in vs. Fachärztin/-arzt zeigt einen Gruppenunterschied auf: Die Differenz der Wichtigkeit zwischen „Familienfreundlichkeit“ und „Selbstbestimmung bei der Lagerung der Arbeitszeit“ einerseits und „Entgehen der KH-Hierarchie“ sowie „freie Wahl von KollegInnen“ ist bei AllgemeinmedizinerInnen signifikant deutlicher ausgeprägt als bei FachärztInnen.

Ein Geschlechtsunterschied konnte noch bei einem zusätzlichen Motiv der standardisierten Fragen festgestellt werden: Bei den „sonstige Motiven“ geben Männer signifikant häufiger als Frauen als Motiv an, dass sie sich in der Niederlassung ein höheres Einkommen erwartet haben.
In Summe zeigt sich, dass flexible, familienfreundliche Arbeitszeiten und fachlich/inhaltliche Selbstentscheidung sowie selbstbestimmte Arbeitsläufe deutlich die stärksten Motive für die Gründung einer Wahlarztpraxis sind.


Grafik: Conclusio

Grazer Straße 50a1