Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser: „Viel Verantwortung, wenig Kompetenzen“
Ein Gespräch über raue Töne in den Spitalsverhandlungen, kleine Schritte in der Gesundheitspolitik, die spezielle Situation der Medizinischen Universitäten, die Bedeutung des Todes von Journalist Kurt Kuch für die Nichtraucher-Debatte und die Zukunft der extramuralen Versorgung.
AERZTE Steiermark: Frau Dr. Oberhauser, Sie sind jetzt rund ein halbes Jahr Gesundheitsministerin. Gibt es – auch wenn Sie zuvor schon einer der wichtigen „Player“ in der Gesundheitspolitik waren – etwas, das Sie unerwartet getroffen hat?
Oberhauser: Nachdem ich schon viele Jahre in der Gesundheitspolitik tätig bin, war für mich nichts dabei, was mich völlig unerwartet getroffen hätte. Und es macht mir immer noch Spaß!
Das Jahr war geprägt von den Verhandlungen über die Arbeitsbedingungen für die Spitalsärztinnen und -ärzte und die Handhabung des KA-AZG. Dabei sind auch heftige Worte gefallen. Der oberösterreichische Landeshauptmann hat gedroht, die Verhandler in die Pfanne zu hauen, in Kärnten mussten sich die Ärzte anhören, sie seien Kälber und der Ärztekammerpräsident der Schlächter. Warum diese rauen Töne?
Dass Verhandlungen über die Arbeitsbedingungen emotional geführt werden, ist wenig überraschend. Wenn es ums Eingemachte geht, passiert es leider immer wieder, dass sich der eine oder die andere im Ton vergreift. Wichtig ist, dass sich alle Beteiligten ihrer Verantwortung bewusst sind und am Ende miteinander am Verhandlungstisch sitzen und zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen, mit dem alle Betroffenen gut leben können. Keinesfalls darf es sein, dass die Patientinnen und Patienten darunter leiden, dass sich die Verhandlerinnen und Verhandler nicht einig werden. Das habe ich immer betont.
Inhaltlich hat man von Bundesseite wenig gehört, auch von Ihnen nicht. Ist die Gesundheitspolitik, wenn es konkret wird, dann doch primär Ländersache?
Ich habe schon öfter gesagt, dass man als Gesundheitsminister oder –ministerin in Österreich viel Verantwortung und wenig Kompetenzen hat. Meine Aufgabe als Gesundheitsministerin ist es, in die diversen Verhandlungsprozesse im Gesundheitsbereich moderierend und vermittelnd einzugreifen. Gesundheitspolitik ist eine Politik der kleinen Schritte, dessen bin ich mir bewusst. Ich glaube aber dennoch, dass die Rolle als Moderatorin eine enorm wichtige ist und oft über den Ausgang von Verhandlungen entscheidet.
Es fällt auf, dass es an den Medizinischen Universitäten noch keine greifbaren Lösungen gibt, die eindeutig dem Bund zuzurechnen sind. Droht da nicht die paradoxe Situation, dass die Länder und auch Ordensspitäler schneller und konstruktiver mit einem Bundesgesetz umgehen als der Bund selbst?
Die medizinischen Universitäten fallen in den Zuständigkeitsbereich meines Kollegen, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der für die Wissenschaftsagenden zuständig ist. Ich kann nicht für ihn sprechen. Daher nur soviel: Der Betrieb medizinischer Universitäten ist nicht mit dem Regelbetrieb eines Krankenhauses zu vergleichen. Die Problemlagen sind hier andere. Ich bin mir aber sicher, dass sich der Wissenschaftsminister seiner Verantwortung bewusst ist und die Verhandlungen zu einem guten Abschluss bringen wird.
Themenwechsel: Das dominante Medien-Thema ist der Umgang mit Rauchverboten. Der Tod des Journalisten Kurt Kuch scheint da mehr bewegt zu haben als die gesamte politische Diskussion zuvor. Fühlt man sich da als Politikerin nicht auch ein wenig ohnmächtig?
So sehe ich das nicht. Es ist zwar sicher richtig, dass der Tod von Kurt Kuch gewissermaßen als Katalysator für eine Entwicklung gewirkt hat. Gleichzeitig war dies aber nur möglich, weil vorher das Feld – nicht zuletzt von Politikerinnen und Politikern – dafür bereitet wurde. In meiner eigenen Fraktion habe ich noch 2008 keine Mehrheit für ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie zusammengebracht. Und sehen Sie sich an, wo wir heute stehen. Das ist nicht allein der Verdienst von Kurt Kuch, wenngleich er unbestritten dazu beigetragen hat – vor allem mit seinem Engagement gegen das Rauchen in den letzten Monaten vor seinem Tod.
Um die Krankenkassen ist es zuletzt wieder sehr ruhig geworden. Die Spitäler stöhnen, aber „Spitalsentlastung“ ist keine sichtbar. Im Gegenteil, Hauptverband und Kassen haben angekündigt, bald wieder in den roten Zahlen zu sein und damit wenig zu einer Reform beitragen zu können. Wie müssen denn aus Ihrer Sicht die „Spitalsentlastung“ und die immer wieder apostrophierte Stärkung des niedergelassenen Bereichs aussehen?
Ein wichtiger Schritt zur Spitalsentlastung, um nur ein Beispiel zu nennen, ist die Stärkung des tagesklinischen Bereichs, um so Umstrukturierungen in den Spitälern zu erreichen, ohne dass dabei die Qualität der Versorgung einbüßt. Die Vorteile wären ein leichter und rascher Zugang zu Gesundheitsleistungen, da der tagesklinische Bereich unabhängig von der Verfügbarkeit freier stationärer Kapazitäten funktionieren würde, eine höhere Planbarkeit, da die Tagesklinik grundsätzlich geplant und unabhängig vom Akutbetrieb läuft und die Reduktion des Risikos von im Spital erworbenen Infektionen dank kürzerer Spitalsaufenthalte.
Auch das so genannte „Telefon- und webbasierte Erstkontakt- und Beratungsservice“, kurz TEWEB, soll zur Entlastung des Spitalsbereichs beitragen. Als Gesundheits-Hotline ist TEWEB ein wichtiger Baustein, um den Menschen eine gute Orientierung im Gesundheitswesen zu ermöglichen. Das Projekt befindet sich derzeit in einer Planungs- und Pilotierungsphase.
Zur Stärkung des niedergelassenen Bereichs wollen wir die so genannte Primärversorgung ausbauen. Unser Ziel ist die Förderung von neuen, vernetzten Strukturen, mit besseren Öffnungszeiten und einem vernetzten Angebot an Allgemeinmedizin, Pflege und anderen Gesundheits- und Sozialberufen. Derzeit befinden wir uns in einer Pilotierungsphase, in der wir verschiedene Modelle und Zugänge ausprobieren und auf ihre Praxistauglichkeit hin testen. Bis 2016 soll rund 1 Prozent der Bevölkerung in Einrichtungen der Primärversorgung behandelt werden.
Wichtig ist mir anzumerken, dass es um keine Zwangsverpflichtung geht. Bewährtes soll auch in Zukunft bestehen bleiben. Es wird auch weiterhin Einzelordinationen geben. Uns geht es lediglich darum, die bestehenden Strukturen der medizinischen Grundversorgung zu stärken und gleichzeitig neue Formen der Zusammenarbeit zu ermöglichen – und zwar für jene Anbieterinnen und Anbieter, die das auch wollen. Wir erwarten uns von der Primärversorgung eine Attraktivierung der Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte, bessere Zusammenarbeitsmöglichkeiten sowie eine bessere Work-Life-Balance.
Noch eine persönliche Frage: Sie sind Ärztin, haben Ihre Ausbildung abgeschlossen, sind dann aber sehr rasch in die Politik gegangen. Geht es Ihnen nicht ab, nicht in Ihrem ursprünglichen Beruf zu arbeiten?
Mir hat der Beruf als Kinderärztin große Freude gemacht, aber nach so langer Zeit wäre es sehr schwierig, wieder Anschluss an die neuesten medizinischen Entwicklungen zu finden. Ich habe aber auch eine Ausbildung zur akademischen Krankenhausmanagerin an der Wirtschaftsuniversität Wien sowie einen Masterstudiengang zu Gesundheitsmanagement an der Donau Universität Krems gemacht und habe somit mehrere berufliche Standbeine.
Foto: BMG