Mystery Shopping Show

Mystery Shopping bringt kaum Geld, aber massiven Vertrauensverlust. Die Regierung beharrt darauf, der Widerstand wird immer größer. Eine Möglichkeit: Nur mehr ChefärztInnen sollen den Krankenstand bestätigen.

Mystery Shopping: Von den Krankenkassen beauftragte „Spione“ werden in die Arztpraxen eingeschleust, vor allem um festzustellen, ob man sich einen Krankenstand erschleichen kann. Laut Regierung soll das eine der tragenden Säulen zur Finanzierung der Steuerreform werden. Schon die offizielle Rechnung der Verantwortlichen klingt nicht unbedingt nach tragender Säule: 15 Millionen Euro will man so pro Jahr lukrieren.

Schaut man sich die tatsächlichen Ergebnisse an, bleibt selbst von diesen 15 Millionen Euro kaum etwas übrig: Seit 2008 wurden in Österreich laut Kurier 39 e-card-Missbrauchsfälle angezeigt, der verursachte Schaden lag bei durchschnittlich rund 14.000 Euro pro Jahr – und das bei jährlichen Kasseneinnahmen von rund 16 Milliarden Euro.

Noch absurder wird das Projekt „Mystery Shopping“, wenn man die Auswirkungen gegenrechnet, wie es der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer gemacht hat: Sollten die Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner aufgrund der neuen Kontrollstrukturen sich auch nur 10 Sekunden (!) länger als bisher mit einer Patientin bzw. einem Patienten befassen, bräuchte man 120 zusätzliche Hausarztstellen, um das zu kompensieren. Oder die Wartezeit pro Jahr würde sich um mehr als 24.000 Acht-Stunden-Tage erhöhen. Andere Rechnung von Pichlbauer: „Wenn nur 10 Prozent der Patienten, die heute krankgeschrieben werden, zusätzlich überwiesen werden, steigen die Facharzt-Kontakte um 600.000, die 26,4 Millionen Euro kosten. Und wenn Patienten in Spitalsambulanzen überwiesen werden, wird es noch teurer.“

Der Allgemeinmediziner und Nationalratsabgeordnete Erwin Rasinger (er gehört zu den Politikern, die sich gegen die Ärztebespitzelung stemmen) bringt die Kritik auf den Punkt: „Nicht in Ordnung ist es, wenn Ärzte von Pseudo-Patienten mit gezielt vorgetäuschten Symptomen hereingelegt werden und so das Arzt-Patientenverhältnis missbraucht wird. Dieses Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient muss unbedingt gewahrt bleiben“, sagte er in einem Interview mit der Österreichischen Ärztezeitung.

Bereits im März hatten der steirische Ärztekammerpräsident Herwig Lindner und der Obmann der Niedergelassenen Ärzte, Vizepräsident Jörg Garzarolli das Vorhaben ganz klar abgelehnt: „Ärztinnen und Ärzte haben nicht die Aufgabe, ihren Patientinnen und Patienten zu misstrauen.“ Zudem seien die Krankenstände pro Erwerbstätigem in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gesunken. „Wir haben eher das Problem, dass Menschen trotz Krankheit arbeiten“, sagte Lindner.

Garzarolli schlug vor, nur bei „notorischen Krankenstandsammlern, wenn ein begründeter Missbrauchsverdacht vorliegt, verpflichtend eine vertiefende fachärztliche Untersuchung vorzuschreiben, statt allen Arbeitnehmern, wenn sie krank werden, pauschal staatliches Misstrauen entgegenzubringen“.

Und Kontrolle gibt es ja bereits, wie der Kurier anmerkte: „Schon jetzt werden Kosten verursachende Auffälligkeiten den Kassen automatisch gemeldet.“

Wenn etwa ein Patient innerhalb kürzester Zeit bei verschiedenen Ärzten dieselben Medikamente bezieht (möglicher Verdacht: er verkauft die Präparate), dann wird das von der Krankenkasse bzw. dem Hauptverband überprüft. Zudem bekommt der behandelnde Arzt sofort eine entsprechende Meldung.

Mittlerweile wird ernsthaft geprüft, ob die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit („Krankenstandsmeldung“) durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte weiterhin stattfinden soll. Denn, wenn das (aufgrund einer fundierten Diagnose, die Haus- und Fachärztinnen bzw. -ärzte natürlich weiterhin machen) gleich der kontrollärztliche Dienst der Krankenkassen übernimmt, würde jegliche Betrugsmöglichkeit von vornherein entfallen …

„Wenn nur 10 Prozent der Patienten, die heute krankgeschrieben werden, zusätzlich überwiesen werden, steigen die Facharzt-Kontakte um 600.000, die 26,4 Millionen Euro kosten.“

Gesundheitsökonom und Mediziner Ernest Pichlbauer