„Weil wir sie brauchen!“
Seit diesem Jahr sind Ausbildungsoberärztinnen und -ärzte fixer Bestandteil der steirischen LKH-Abteilungen. Mit zwei dieser Ausbildenden und zweien, die von ihnen ausgebildet wurden bzw. werden, haben wir gesprochen.
„Wir bilden die Ärztinnen und Ärzte aus, die uns einmal behandeln werden – gute Ausbildung dient unserem eigenen Schutz.“ Antonin Polach, Ausbildungsoberarzt an der Abteilung für Innere Medizin am LKH Wagna hat Argumente für eine exzellente Ärzteausbildung, die auch die egoistischsten der (älteren) Kolleginnen und Kollegen überzeugen.
Er selbst hat aber sichtlich eine Leidenschaft für die Ausbildung der Jungen. Er hat es immer schon gemacht, in der Slowakei, im LKH Stolzalpe … jetzt im neuen System ist er aber erstmals offiziell Ausbildungsoberarzt. Genauso wie sein Kollege Dieter Brass an der Unfallchirurgie des LKH Judenburg-Knittelfeld. Vorher war er „Prozessverantwortlicher“ für die Ausbildung.
Auf die Frage, was eine gute Ausbildung ausmacht, haben beide ähnliche Antworten: Es braucht ein Konzept, es braucht aber auch individuelles Engagement auf beiden Seiten, und die Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung sollten gut in das Team integriert sein.
Am Anfang der Ausbildung steht jeweils ein ausführliches Gespräch mit dem Neuankömmling. „Was wollen Sie?“, fragt Polach und hört sich die Antworten an. Auch Brass nimmt sich die Zeit für Zwei-Stunden-Gespräche, führt die neuen Kolleginnen und Kollegen durch das Haus und stellt sie dem Team vor.
In beiden Häusern gibt es auch ausführliche Skripten für die Auszubildenden. Sie sollen wissen, was sie erwartet, sie sollen den Rahmen kennen, denn „ein Rahmen bringt Ruhe“, ist Oberarzt Polach überzeugt. Dazu gibt es aber auch genug Raum für Individualität, für eigene Interessen.
Wobei kleinere, periphere Häuser, so sagen beide Ausbildungsverantwortlichen unisono, da durchaus ihre Vorteile haben. „Bei uns können sie Hand anlegen, das macht jedem Freude“, so Dieter Brass.
Die Einschätzung teilt er mit Turnusarzt Jochen Verderber, der die Zeit an der Judenburger Unfallchirurgie hinter sich und in sehr guter Erinnerung hat. Unter anderem nicht trotz, sondern wegen der in kleinen Häusern unvermeidlichen Personalknappheit: „Man lernt mehr“, ist seine Überzeugung.
Ausbildung ist aber für ihn keine Einbahnstraße: „Wenn man viel Engagement und Interesse zeigt, kann man immer etwas mitnehmen“, so seine Erfahrung. Auf die Oberärzte zuzugehen, Motivation zu zeigen, sich etwas zeigen lassen zu wollen, das werde immer gut aufgenommen.
Dass es sinnvoll ist, „überall möglichst viel mitzunehmen und einen Rundumblick zu entwickeln“ (Verderber), ist auch im Eigeninteresse der in Ausbildung Befindlichen, weiß sein Kollege Georg Kangler, Turnusarzt im LKH Wagna und einer der Schützlinge von Oberarzt Polach. „Alles, was ich kann, ist mein Kapital“, so sein trockener Befund. Polach sieht es ähnlich: „Der Marktwert steigt, wenn man gut ausgebildet ist.“
Im Team integriert
Was neben guten Ausbildungsstrukturen und individuellem Engagement zählt, ist das Betriebsklima: „Integration ist wichtig“, stellt Polach fest. Brass betont das äußerst gute Verhältnis im Team: Du zueinander zu sagen, statt „Herr Oberarzt“ und gelegentlich auf ein Bier zu gehen, gehört einfach dazu. Damit würde auch der Wert der jungen Kolleginnen und Kollegen für das Haus steigen. „Angesichts des Personalmangels brauchen wir sie.“
Kangler lobt seinen Ausbildungsoberarzt („klass“), der sich viel Zeit nimmt. Verderber hebt hervor, dass der Turnusarzt wertgeschätzt und auch sein Wissen, das er sich andernorts erworben hat, anerkannt wird: „Wenn man ernst genommen wird, behält man die Motivation.“
Zum Wohlfühlen gehört auch Verantwortung. Kangler könnte sich sogar vorstellen, noch mehr Kompetenzen zu übernehmen – „unter Supervision“ eigene Patienten eigenständig zu betreuen. Für Polach ist dieses „Mehr“ angesichts der hohen Belastung durchaus ein Thema. Das betrifft auch die Assistenzärzte: „Wenn ich sie gut einsetze, habe ich mehr Zeit.“ Höhere Belastung sollte also nicht zu weniger, sondern zu mehr Bemühen um gute Ausbildung führen, alles andere sei kurzsichtig gedacht.
Einen Wunsch hat er in diesem Zusammenhang: Nicht nur stationäre, sondern auch ambulante Leistungen sollten für den Stellenschlüssel herangezogen werden, weil ja immer mehr nur ambulant gemacht werde. Auch weil es wehtue, Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung zu verlieren: „Die Guten bleiben dort, wohin sie gehen.“ In Deutschland zum Beispiel. Gerade die Besten verliere man am schnellsten.
Zur Erhöhung der Ausbildungsqualität hat das neue Konzept sicher beigetragen, sind sich die beiden Oberärzte und die Turnuskollegen jedenfalls einig. „An einigen Abteilungen waren Turnusärzte nur Systemerhalter, die Formulare ausgefüllt haben oder sie waren eine Entlastung für die Pflege“, erinnert sich Polach. Kangler lobt die „Kompetenzerweiterung für die Schwestern“, damit sei mehr Freiraum für die Ärzteausbildung geschaffen worden.
Starkes Fundament
Für den Bundesobmann der Sektion Turnusärzte, Karlheinz Kornhäusl, der selbst seine Ausbildung in Wagna macht, und den steirischen Turnusärzteobmann David Windisch ist „der Mix aus einer fundierten Ausbildungsevaluation und Dokumentation, persönlicher Ausbildungsverantwortung durch zuständige Oberärzte und mehr Freiraum durch den klar definierten Turnusärztetätigkeitskatalog ein stabiles Fundament für gute Ärzteausbildung in bewegten Zeiten“. Noch gäbe es viel Bewegung, umso wichtiger sei es, „Positivbeispiele hervorzuheben und Engagierte zu stärken“ – wie eben Dieter Brass und Antonin Polach. Aber genauso jene Ärztinnen und Ärzte, die ihre Ausbildung nicht nur selbstbewusst einfordern, sondern sich offensiv bemühen. Wie Kangler und Verderber.
„Bei uns können sie Hand anlegen, das macht jedem Freude.“
Ausbildungsoberarzt Dieter Brass (Unfallchirurgie Judenburg)
„Der Marktwert steigt, wenn man gut ausgebildet ist.“
Ausbildungsoberarzt Antonin Polach (Innere Medizin, Wagna)
„Wenn man ernst genommen wird, behält man die Motivation.“
Turnusarzt Georg Kangler
„Überall möglichst viel mitnehmen und einen Rundumblick entwickeln.“
Turnusarzt Jochen Verderber
„Positivbeispiele hervorheben und Engagierte stärken“
Karlheinz Kornhäusl und David Windisch
Spezialisierung auf breiter Basis
Positive Worte findet der erfahrene Ausbildungsoberarzt Antonin Polach für die neue österreichische Ausbildungsordnung (siehe Seite 18). Sie sei nun ähnlich der Ausbildung in Deutschland und der Slowakei – eine Spezialisierung auf breiter Basis. Wobei der allgemeine Teil sehr intensiv sein müsse, damit die PatientInnen nicht nur als „ein Haufen von Organen“ wahrgenommen würden und der ganze Mensch nicht in Vergessenheit gerate. Die Dauer der Ausbildung – 42, später 48 Monate für Allgemeinmedizin und 72 Monate für die Fächer – sei „okay“. Fachliche Details würden sicher noch nachgebessert werden, wichtig sei aber, dass die Grundstruktur stimme.
Fotocredits: Schiffer/Ärztekammer, Conclusio