Dolmetsch am Monitor

Sprechen Patient und Arzt keine gemeinsame Sprache, kann Videodolmetschen eine rasche, zuverlässige Lösung sein, um die Einhaltung der ärztlichen Aufklärungspflicht zu gewährleisten. Allerdings muss dazu meist die Internetverbindung aufgerüstet werden und auch die Kosten sind von der Ärzteschaft (noch) selbst zu tragen.

Der Flüchtlingsstrom verstärkt eine Problematik, die bereits seit Jahren besteht: Immer öfter suchen Menschen ärztliche Hilfe, die weder Deutsch noch eine andere gängige Sprache sprechen. Um die ärztliche Aufklärungspflicht erfüllen zu können, müsste das Gespräch also übersetzt werden. Aber woher so schnell eine/n DolmetscherIn nehmen – und wer bezahlt den Aufwand? Zumindest das Zeitproblem könnte durch das Angebot von Video­dolmetschen gelöst werden, verspricht Peter Merschitz, Geschäftsführer der SAVD Videodolmetschen GmbH, einer Gesellschaft, die aus einem gemeinsamen Projekt der Plattform Patientensicherheit und des Gesundheitsministeriums hervorgegangen ist. „Für rund 20 Sprachen können wir innerhalb von zwei Minuten einen Dolmetscher stellen, bei den restlichen 30, die wir anbieten, dauert es maximal zwei Stunden.“ Gedolmetscht wird konsekutiv – also indem jeder abwartet, bis sein Gegenüber fertig gesprochen hat.

Das Service steht derzeit werktags von 7 bis 19 Uhr zur Verfügung; ab 2016 soll es rund um die Uhr abrufbar sein. Zum Einsatz kommen in der Regel TranslationswissenschaftlerInnen, im Falle seltener Sprachen gerichtlich beeidete Sachverständige. Rund 500 arbeiten derzeit für SAVD – alle wurden auch in ihrem medizinischen Wissen geprüft. „Jeder Kunde übergibt uns außerdem Glossare und Terminologien, die unser Mitarbeiterstab dann lernen muss“, betont Merschitz.


Nachfrage steigt

Somit sollte die Verständigung reibungslos funktionieren. „Wir tragen zu hundert Prozent die Verantwortung im Bereich der Kommunikation“, so der SAVD-Geschäftsführer. Das bedeutet, dass im Schadensfall der jeweilige Dolmetscher oder die Dolmetscherin namhaft gemacht wird, der oder die vor Gericht seine/ihre Expertise nachweist. Laut Merschitz soll das als Beweis ausreichen, dass der Fehler nicht aufgrund falscher Übersetzung zustande gekommen sein kann.

Ob das wirklich reicht, muss sich erst weisen. Denn einen greifbaren Beweis gibt es nicht: Videogedolmetschte Gespräche werden nicht gespeichert. Ob das auf Dauer zu halten sein wird, bezweifelt Peter Schweppe, in der KAGes zuständig für Recht und Risikomanagement. „Wir fürchten die Verpflichtung zu noch mehr Dokumentation; außerdem müssten die Patienten der Aufzeichnung zustimmen, was die Angelegenheit zusätzlich verkompliziert. Im Probebetrieb in Leoben hat sich gezeigt, dass manche Patientinnen nicht bereit waren, per Videokonferenz mit einem männlichen Dolmetscher zu sprechen.“ Im versuchsweisen Einsatz war das Videodolmetschen nämlich bereits 2012/2013 im LKH Leoben, in hochsensiblen Bereichen wie Gynäkologie, Geburtshilfe und Kinder- und Jugendheilkunde, allerdings vorerst nur mit drei Sprachen. Als Resümee des Probebetriebes wurde kein besonders großer Bedarf gemeldet und das Angebot daher nicht verlängert. Doch hier scheint sich die Zeit gewandelt zu haben. „Mittlerweile haben mehrere Häuser bei uns angefragt und wir sind aktuell dabei, verschiedene Varianten durchzudenken“, so Schweppe. Derzeit behelfen sich die Anstalten der KAGes mit Dolmetschern und Dolmetscherinnen, die persönlich in die Klinik kommen oder telefonisch zur Verfügung stehen. Zur Erstinformation haben alle Häuser Aufklärungsbögen in den gängigsten Sprachen.
 

Datenschutz hat Priorität

Geklärt werden müssen auch noch Datenschutz-Fragen. „Wir sorgen für ausreichende Datensicherheit“, versichert Merschitz. „Beim Videodolmetschen handelt es sich um eine verschlüsselte Punkt-zu -Punkt-Kommunikation, die nur vom Arzt oder der Klinik initiiert werden kann.“ ÄrztInnen, die einen Vertrag mit der SAVD haben, können das der Datenschutzkommission melden, müssen es aber nicht, da keine Patientendaten erfasst werden. Kliniken – denn in einigen Bundesländern wird Videodolmetschen bereits angeboten – geben ihr neues Service üblicherweise bekannt. Dass kein Zugriff auf die Videokommunikation möglich ist, garantiert also der Anbieter SAVD. Damit sind aber – zumindest für Kassenordinationen – noch nicht alle Fragen geklärt. Üblicherweise haben Kassenärztinnen und -ärzte eine Internet-Verbindung als sogenannten Mehrwertdienst zum Ecard-System“, erklärt Alwin Günzberg, EDV-Experte und spezialisiert auf Ärzte und Labors.  Diese Standard-Internetverbindung reicht jedoch für eine störungsfreie Videoübertragung nicht aus. 500 kbit für Up- und Download sind die Mindestanforderung.

Grundsätzlich eignen sich fast alle üblichen Endgeräte für das Videodolmetschen: Laptops, iPads, Tablets und Smartphones, sowie Stand-PCs mit einer externen Kamera. „Ab Windows 7 oder oS 7 beim Mac passen die Systemanforderungen“, erläutert Günzberg. Die Hardware sollte also kein Problem darstellen. „Unser Ziel ist es, soweit möglich, bestehende Hardware zu verwenden. Wir finden dabei für jeden Kunden eine individuelle Lösung“, betont Marcus Chmela, Leiter des IT-Managements von SAVD. Auch wenn sein Kollege Merschitz versichert, es sei ganz einfach, die Voraussetzungen für das Video­dolmetschen zu installieren – und innerhalb eines Tages möglich – rät Günzberg dazu, die Erstinstallation von einer Fachkraft durchführen zu lassen.


Drei Varianten

In den Kliniken müssen sich ÄrztInnen nicht mit der Installation von Video­dolmetschen befassen, wohl aber in den Ordinationen. Drei mögliche technische Lösungen existieren, um dieses Service auch in einzelnen Praxen  anbieten zu können: Entweder wird die bestehende Internetleitung durch eine leistungsstärkere ersetzt. Das verursacht Zusatzkosten. „Der Standardmehrwertdienst kos­tet monatlich 19,90 Euro; ein Upgrade, das den nötigen Sicherheitsanforderungen entspricht, ist nicht unter 60 Euro pro Monat zu haben“, rechnet Günzberg vor.

Die zweite Möglichkeit besteht darin, mit einer unabhängigen Internetlösung zu arbeiten, etwa via iPad oder Tablet mit SIM-Card. Optimal ist eine LTE-SIM-Card. Dann erfolgt das Videodolmetschen unabhängig vom Netzwerk der Ordination und alle internen Daten sind sicher. So arbeitet etwa ein Linzer Krankenhaus.

Als dritte Variante steht zur Diskussion, eine abgespeckte reine Audio-Variante zu kreieren. Die Peering Point GmbH, beauftragt mit der Vermarktung des GIN-Netzes, ist sich des Bandbreiten-Problems bewusst. „Weil Videodolmetschen mit der derzeitigen Grundkonfiguration nicht machbar ist, stehen Gespräche der Peering Point mit SAVD bezüglich einer Audio-Variante unmittelbar bevor“, berichtet Geschäftsführer Peter Neidhart.


Kostenfrage

Der Nutzen des Videodolmetschens kann groß sein: Die Versorgung von Menschen, die über keine ausreichenden Deutschkenntnisse verfügen, würde nicht wesentlich mehr Zeit benötigen als Behandlungen ohne Sprachbarriere. Durch die bessere Verständigungsmöglichkeit könnten Fehldiagnosen und somit Schadens- und Haftungsfälle vermieden werden. Die Problematik der Familiendolmetscher, die (vermeintlich) Peinliches einfach verschweigen oder schlichtweg nicht auf das nötige Fachvokabular zurückgreifen können, fiele weg. Spricht sich die Möglichkeit des ad-hoc-Dolmetschens unter Menschen mit nichtdeutscher Muttersprache einmal herum, könnte auch die Hemmschwelle sinken, präventivmedizinische Angebote in Anspruch zu nehmen, was letztlich Folgekosten für das Gesundheitssystem reduzieren kann.

Völlig ungelöst ist derzeit aber noch die Kostenfrage. Für eine Ordination macht das Grundentgelt für Videodolmetschen über SAVD neun Euro monatlich aus; die Dolmetscherinnen und Dolmetscher kosten pro Minute zumindest einen Euro. Ein Klinikverband muss mit einem monatlichen Grundentgelt ab 99 Euro rechnen, zuzüglich der minutengenauen Abrechnung des Dolmetschens. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte können für ein Standard-Gespräch also mit rund 16 Euro Zusatzkosten rechnen. Und diese müssen sie derzeit selbst tragen.
 

„Wir tragen zu hundert Prozent die Verantwortung im Bereich der Kommunikation.“
Peter Merschitz, SAVD Videodolmetschen

„Völlig ungelöst ist noch die Kostenfrage.“


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