Wie tickt die KAGes?

Wenn der ehemalige Vorstand der KAGes ein Buch über „das Unterbewusstsein von Organisationen“ schreibt, stellt sich natürlich auch die Frage, wieviel man darin über die KAGes erfährt. Aber das sollte nicht der einzige Grund sein, dieses Buch zu lesen.

MARTIN NOVAK

Einige der erfolgreichsten Innovatoren wurden zu dem, was sie sind, indem sie zumindest zwei Welten zusammenführten, die zuvor nicht oder nur selten miteinander in Berührung gekommen sind, schreibt der Psychologe und Kreativitätsforscher Bas Kast. Werner Leodolter, bis 2013 KAGes-Vorstandsvorsitzender, zuvor und danach Informationsmanagement-Experte in der KAGes, aber auch in Industrieunternehmen, hat in seinem Buch „Das Unterbewusstsein von Organisationen“ genau das getan. Er verknüpft Psychologie bzw. Verhaltensökonomie mit Unternehmensführung und IT – Big Data, Social Media … und wie all die Schlagworte heißen.

Leodolter weiß natürlich, dass Organisationen kein Bewusstsein haben, ergo auch kein Unterbewusstsein. Aber er darf sich auf den Naturwissenschafter Douglas Hofstaedter berufen (und tut es auch), für den die Analogie das Herz des Denkens ist. In seinen psychologischen Grundlegungen lässt sich Leodolter, der seit seinem Ausscheiden aus dem KAGes-Vorstand auch am Institut für Unternehmensführung und Entrepreneurship der Universität Graz lehrt, jedoch vor allem vom US-amerikanischen Psychologen und Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman („Schnelles Denken, langsames Denken“) inspirieren.

Genauso wie diese Autoren, und das ist die Stärke des Buches, verknüpft Leodolter Theorie und Praxis, Systematisches und Anekdotisches. Die „Stories“ beziehen sich auf Industrieunternehmen, aber noch häufiger auf ein großes Spitalsunternehmen mit einem CEO namens Paul, einer Abteilungsverantwortlichen und Primaria namens Sandra und einem Oberarzt namens Robert. Alle drei sind erfunden, aber nicht frei, denn natürlich schöpft Leodolter (auch) aus seinen Erfahrungen in der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft. Ein Hohelied auf IT und e-Health, das mag manchen überraschen, ist das Buch nicht. Es thematisiert durchaus prägnant das Risiko des unreflektierten Glaubens an automatisierte Diagnosen und Therapievorschläge und lässt Primaria Sandra „über das zunehmende kritiklose Übernehmen von Entscheidungsvorschlägen des Systems (…) vor allem seitens der jungen in Ausbildung befindlichen Kollegen“ nachdenken: „Intuition und Gespür des Einzelnen drohen schlechter zu werden. Sie (Sandra, Anm.) sorgt sich um die Qualität der Abteilung.“

Aber natürlich ist Leodolter kein fundamentaler IT-Skeptiker, sondern listet auch Postivbeispiele auf. Etwa die Einspeisung von offen verfügbaren Sterbedaten in das Krankenhausinformations­system, die Rückschlüsse auf den weiteren Heilungs- (oder eben Nichtheilungs-)-Verlauf nach der Spitalsentlassung möglich machen. Als Reaktion auf Patientenanfragen über Social Media schlägt er eine „E-Mail-Ordination“ vor, für die entsprechende Personal-Ressourcen geschaffen und eine Honorierung festgelegt wird. Das Schlagwort ist „hybride Intelligenz“, die die Vorteile der künstlichen und der menschlichen Fähigkeiten integriert.

Integration ist durchgehend das Anliegen: Nicht nur die technischen und menschlichen Ressourcen gehören für Leodolter zur Infrastruktur eines Unternehmens, verfasste Visionen Mission-Statements etc. gehören als „Soft-Infrastructure“ ebenfalls dazu.

Sein Resümee: Das Unterbewusstsein von Organisationen ist, wenn man es als bewussten Prozess gestaltet, „eine relevante Sichtweise bzw. Kategorie  auf dem Weg zur Weiterentwicklung unserer Organisationen und damit unserer Gesellschaft“.

 

Werner Leodolter: Das Unterbewusstsein von Organisationen. Neue Technologien – Organisationen neu denken. Springer Gabler Verlag, Berlin-Heidelberg 2015. ISBN 978-3-662-44458 (Softcover, EUR 30,83) und ISBN 978-3-662-44459-7 (eBook, EUR 22,99)

 

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