Impftag mit Besucherrekord

Rund 850 Interessierte kamen zum Österreichischen Impftag. Hauptthema waren personalisierte Impfungen. Anlässlich der Flüchtlingswelle gab es auch Behandlungsempfehlungen für Menschen ohne Impfdokumentation.

Der Trend deutet in Richtung personalisierte Medizin – inwieweit können, sollen oder müssen auch Impfungen personalisiert werden? Dieser Frage gingen die Vortragenden – ExpertInnen aus Österreich, Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz – und die TeilnehmerInnen des Österreichischen Impftages 2016 nach. „Individualisiert impfen bedeutet, dass Risikogruppen nach speziellen Mustern und individueller Abwägung geimpft werden, stellt also keinen Gegensatz zum Impfplan dar. Beide Formen laufen parallel“, betont Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt, wissenschaftliche Leiterin des Impftages. MR Jörg Pruckner, Impfreferent der ÖÄK, sieht in der Diskussion um personalisiertes Impfen auch ein wichtiges Signal an SkeptikerInnen: „Personalisierte Impfempfehlungen beweisen, dass wir unsere Vorschläge sorgsam abwägen.“
Einige Risikogruppen sind bereits identifiziert: Frühgeborene, Schwangere, Stillende und PatientInnen in Biologika-Therapie. Andere könnten möglicherweise in Zukunft herausgefiltert werden. So ist noch völlig unbekannt, warum manche Menschen von Meningokokken schwere Infektionen bekommen, andere jedoch keine Symptome zeigen. Liegt es am Immunsystem oder in den Genen?
Welche Rolle Gene bei Impfungen, der „vaccine responsiveness“ und die „protection based on transcriptomics“ spielen, erläuterte Prof. Andrew Pollard in seinem Vortrag.


Impffreundliche Haltung zeigen

Zur Impfpraxis bei Frühgeborenen konstatierte Prof. Paul Heath, diese sollten prinzipiell ohne Korrektur der frühen Geburt nach ihrem Alter geimpft werden – auch wenn die Impfantwort oft weniger deutlich ausfalle. Individuelle Gesundheitsfaktoren seien jedoch stets zu beachten.
Vorgestellt wurde auch das Programm „Prepare für pregnancy“, das Frauen, die eine Schwangerschaft planen, die Auffrischung folgender Impfungen empfiehlt: Röteln, wenn nötig Varicellen und jahreszeitenabhängig Influenza. Auch während der Schwangerschaft sind Impfungen kein Tabu mehr, sondern werden – individuell angepasst – sogar empfohlen.
Von allen Seiten beleuchtet wurde die Impfpflicht für Gesundheitspersonal. Der Schweizer Ulrich Heininger sammelte Argumente dagegen, hielt aber in den Tagungsunterlagen fest, er selbst könne sich durchaus eine Impfpflicht für das Gesundheitspersonal vorstellen …
Auf ein impfbejahendes Signal durch Ärztinnen, Ärzte und andere Angehörige des Gesundheitspersonals setzt eine neue Kampagne: Am Impftag wurden Anstecknadeln verteilt, mit der Aufschrift „geimpft – geschützt – SICHER“, grell orange mit einem Antikörper darauf. „Diese Kampagne ist mir ein großes Anliegen“, betonte Wiedermann-Schmidt. „Wer im Gesundheitsbereich arbeitet, soll seine impfbejahende Haltung unmissverständlich zeigen.“ Die Buttons können bei der Werbeagentur welldone-wien unter m.moser@welldone.at bestellt werden und kosten je nach Bestellzahl 70 Cent bis einen Euro pro Stück.


Bei Erstdiagnose erheben

„Uns ist es wichtig, das Thema Impfen stets im Kontext aktueller medizinischer Errungenschaften zu sehen“, betont Wiedermann-Schmidt. Sie gab daher als Referentin einen Überblick über das Impfen während einer Biologika-Therapie – nach patienten- und impfstoffspezifischen Kriterien. Da unter Biologika das Immunsystem herunterreguliert ist, sind die PatientInnen einerseits anfälliger für Infektionen, andererseits reagieren sie nicht optimal auf Impfungen. „Idealerweise ist noch vor der Gabe von Biologika zu impfen“, rät die Expertin. „Lebendimpfungen müssen vier Wochen vor Therapiebeginn abgeschlossen sein, inaktivierte Impfstoffe können bis zwei Wochen vor der Biologika-Gabe verabreicht werden.“ In der Realität, weiß Wiedermann-Schmidt, kommen die Betroffenen meist erst, wenn sie bereits unter Biologika stehen. Dann sind Lebendimpfungen kontraindiziert, die Wirkung dringend notwendiger inaktivierter Impfungen sollte per Titerbestimmung kontrolliert werden. Besser noch sei eine passive Immuntherapie oder antivirale Behandlung.
Wiedermann-Schmidt appelliert daher an die ÄrztInnen, bei der Erstdiagnose entsprechender Erkrankungen sofort den Impfstatus zu erheben, zum Impfen zu raten und auch an eine Umgebungsprophylaxe zu denken. Für wenig praktikabel hält sie ein Absetzen der Medikamente, um impfen zu können. „Das müsste mindestens über einen Zeitraum von ein bis drei Monaten erfolgen – in diesem Zeitraum wäre ein weiterer Krankheitsschub zu erwarten.“


Impfplan top aktuell

Eine besondere Gruppe von individuell zu beratenden Impflingen sind Reisende. Prof. Dr. Herwig Kollaritsch sprach in seinem Beitrag von „situationsangepasster Prophylaxe“ und einem individuellen Risikoprofil, das je nach Reisezweck, Gesundheitszustand des Reisenden, der Region im jeweiligen Gastland und den persönlichen Verhaltensmustern zu erstellen sei. Danach seien die Impfempfehlungen auszurichten.
Weiteres Thema des Impftages war die Aktualisierung des Impfplans: Dieser liefert nun in einer Art Präambel ein weiteres Argument pro Masern-Impfung. Es hat sich gezeigt, dass Masernviren Gedächtniszellen eliminieren können. Eine durchgemachte Erkrankung bewirkt also nachweislich – und das über Monate bis Jahre – eine Immunsuppression bei den Betroffenen. Von „macht die Kinder stark“, wie es Impfgegner behaupten, kann keine Rede sein.
Bezüglich Rotaviren-Impfung bei Frühgeborenen empfiehlt der Impfplan 2016 möglichst eine Applizierung noch während des Klinikaufenthaltes. Während der ersten fünf Lebensmonate sollte – bei allen Säuglingen – eine Meningokokken B-Impfung durchgeführt werden.
Im Impfplan präzisiert wurden die Empfehlungen für Menschen ohne Impfdokumentation, wie sie derzeit aufgrund der Flüchtlingsbewegung häufiger behandelt werden. Nachzulesen unter www.bmg.gv.at/home/Impfplan.


Impfen ist Teil des Ganzen

Mit rund 850 Teilnehmenden erzielte der heurige Impftag einen Besucherrekord. „Schon die Anwesenheit derart vieler Ärztinnen, Ärzte und anderer Beschäftigten aus dem Gesundheitsbereich zeigt, dass Impfen keineswegs aus der Mode gekommen ist“, merkt Impfreferent Pruckner erfreut an. Um allen Interessierten Platz zu bieten, wurde mit dem Austria Center bewusst ein größerer Veranstaltungsort als im Vorjahr gewählt.
Für den Impftag 2017 laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren. Das Thema lautet: „Gesunde Gesellschaft – gehört Impfen noch dazu?“ Überlegungen zum Immunsystem, dem Konnex zwischen Allergien/ Autoimmunerkrankungen und Impfungen, dem Einfluss von Probiotika sowie zu Übergewicht und Impfen sind angedacht. „Impfen ist stets im Kontext des gesamten Organismus zu sehen – und funktioniert einfach besser bei einem gesunden Körper“, betont Wiedermann-Schmidt.

Freuten sich über das große Interesse: Organisator und Leiter des ÖÄK-Impfreferats Jörg Pruckner, die wissenschaftliche Leiterin Ursula Wiedermann-Schmidt mit OÖ-Ärztekammerpräsident Peter Niedermoser.
Foto: Klemens Grassl

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