Ärzte-Portale: Pranger oder Imagehilfe?
Dass die Meinung eines unzufriedenen Patienten für alle zu lesen ist, kritisieren manche Ärzte an Bewertungsportalen. Ihre Bedeutung als Informationsquelle nimmt dennoch zu.
Walter Hoch
Vorrangig sind Ärztebewertungsportale Plattformen zum Suchen und Finden von Ärztinnen und Ärzten. Soweit verfügbar sind Name, Kontaktdaten, Fach, Zusatzangebote, Praxisöffnungszeiten etc. angeführt. Quellen dafür sind oft die von den Ärztekammern geführten Angebote (die aber natürlich keine Bewertungen möglich machen) – es lohnt sich also, dafür zu sorgen, dass die dortigen Daten immer up-to-date sind.
Dann erst erfolgt die subjektive Bewertung aus Patientensicht im eigentlichen Sinn. Übliche Kriterien sind „Einfühlsamkeit“ und „Verständnis“, dann natürlich die Einschätzung der Kompetenz, die aber oft weniger vom Fachwissen, sondern vom individuell erlebten Behandlungserfolg abhängt. Wenn es den gibt, kann das Lob auch überschwänglich sein: „Der beste Arzt, den es gibt“, ist eine nicht unübliche Formulierung. Alternativ oder ergänzend kann es auch Punkte oder Prozentwerte geben, die Objektivität vorgaukeln. Dazu laden die Portale ein, verschiedene Kategorien wie Vertrauen in den Arzt, Einrichtung der Praxis, Wartezeit, Personal etc. zu benoten.
Besonders höher Gebildete nutzen diese Online-Angebote immer häufiger. Zwar vertrauen Patientinnen und Patienten bei der Suche nach der richtigen Ärztin bzw. dem richtigen Arzt vorwiegend auf Empfehlungen von Verwandten und Bekannten (66 Prozent, Quelle: GfK, Deutschland). Aber bereits im Jahr 2011 informierten sich fast 23 Prozent über Online-Portale.
Das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) hat in Deutschland einen Anforderungskatalog mit Qualitätskriterien erstellt. Wichtige Punkte: Berücksichtigung rechtlicher Vorgaben, Datenschutzfragen, Transparenz, der Schutz vor Missbrauch und Nutzerfreundlichkeit.
Wenig Bewertungen
Bewertungen sind überwiegend – zu zwei Drittel – positiv. Aber Negativ-Bewertungen werden von Betroffenen stärker wahrgenommen, auch Beleidigungen oder Verleumdungen sind nicht auszuschließen. Je weniger Bewertungen eine Praxis insgesamt hat, desto stärker fallen negative Äußerungen ins Gewicht. Bei nur drei Eintragungen kann ein einziger Unzufriedener eine Verzerrung nach unten bewirken. Oft weisen aber die Portale zu wenige Bewertungen für eine halbwegs repräsentative Gesamtbeurteilung auf. Oder es dominieren auch Kriterien, die nicht unmittelbar den Arzt betreffen. Mehrere Patienten klagen z. B. über zu lange Wartezeiten, während sie die Kompetenz des Arztes loben. Dann fällt die Gesamtbeurteilung trotzdem schlecht aus.
Wenn verfälscht wird
In Österreich sind die Portale docfinder.at, arztsuche24.at, medicalreport.at und arztbewertung.net online. Letzteres stellt sehr ambitioniert eine Fülle von Bewertungskriterien zur Verfügung, hat aber wenige Eintragungen. Deutlich mehr enthält docfinder.at, hier ist die Website benutzerfreundlich und barrierefrei und zählt die Don‘ts auf. Viele Portale wollen durch technische Sicherheitskontrollen wie Wortprüfungen oder Plausibilitätsprüfungen einen Missbrauch ausschließen. Sollte dennoch eine Beleidigung gepostet werden, kann der betroffene Arzt darauf hoffen, dass „der mündige Leser und potentielle Patient das im Kontext schon richtig einordnen können“ wird, empfiehlt der Blog www.evari.de/2016/arztbewertungsportale-als-chance/ .
Die Einleitung rechtlicher Schritte (Klage auf Unterlassung …) ist nur dann aussichtsreich, wenn das Recht auf freie Meinungsäußerung auf krasse Weise missbraucht wird und es zu ehrverletzenden oder nachweislich unwahren Aussagen kommt. Neben der schädigenden Person trägt auch der Betreiber eines Forums Mitverantwortung, sollte er beanstandete Einträge nicht löschen. Die Umkehr der Beweislast ist im österreichischen AGBG im § 1298 geregelt. Wenn der Arzt einen Unterlassungsanspruch durchsetzen will, so hat auch er – ebenso wie der Verbreiter einer ehrrührigen Tatsache – einen Teil der Beweislast zu tragen. Er muss zuerst nachweisen, dass „der Schädiger objektiv seine Pflicht nicht erfüllt hat“ (AGBG). D. h. der Arzt muss nachweisen, dass der Schädiger der Pflicht zur Wahrheit und sachgemäßen Darstellung nicht nachgekommen ist und seine Behauptung damit auf falschen Tatsachen beruht.
Eintragungen können auch von ganz praktischem Wert sein – wenn sie einen Mangel in der Behandlung oder der Praxis aufzeigen, den der Arzt bisher übersehen hat und der umgehend zu beheben ist. Ist eine Kritik hingegen ungerechtfertigt und der Arzt will das richtigstellen, so bleibt Höflichkeit Trumpf – auch in den Anrede- und Abschiedsformeln. Der Arzt sollte allerdings nicht zu sehr ins Detail gehen und sich nicht angreifbar machen (Schweigepflicht). Handelt es sich um eine falsche Behauptung oder eine Schmähkritik, sollte der Arzt den Betreiber des Forums darauf drängen, den Eintrag zu löschen.
Viele Stimmen ergeben ein Image
Auf Bewertungsportalen findet viel Kommunikation statt, die in verschiedene Richtungen steuern kann. Um daran mitzuwirken, sollte der Arzt die öffentlichen Patientenmeinungen als Teilbereich seines Praxismarketings verstehen. Sein Ziel ist keine medizinische Dokumentation, sondern der Aufbau einer Informationsquelle und eines positiven Images. Durch ein gutes Management der Portalseite (siehe Kasten) fühlen sich insbesondere Privatpatienten angesprochen. Unzufriedene oder gar empörte Patientinnen und Patienten neigen dazu, sich über Online-Portale Luft zu machen. Wer zufrieden die Praxis verlässt, spürt keinen so starken Drang, das öffentlich kundzutun.
Experten empfehlen deswegen, „Zufriedene“, dazu zu motivieren, sich zu äußern. Bewertungen sind überwiegend – zu zwei Drittel – positiv. Aber Negativ-Bewertungen werden von Betroffenen stärker wahrgenommen.
Dazu ein aktuelles Gerichtsurteil aus Deutschland:
http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/recht/default.aspx?sid=906308&cm_mmc=Newsletter-_-Telegramm-C-_-20160301-_-Recht
http://www.zeit.de/digital/internet/2016-03/online-portale-bgh-missbrauch-karlsruhe