Kraftvoll ausdifferenziert
Im Vorfeld der Neugestaltung der steirischen Spitalslandschaft haben wir nicht spekuliert, sondern die Planungsgrundlagen angeschaut. Einen breiten Kommunikations- und Diskussionsprozess mit den Partnern im Gesundheitssystem, aber auch in den Regionen, wird es laut Gesundheitslandesrat Drexler jedenfalls geben.
MARTIN NOVAK
Eines ist gewiss: Der steirischen Spitalslandschaft steht ein Veränderungsprozess bevor. Die längst eingeleitete und vielfach bereits abgeschlossene Bildung von Spitalsverbünden ist lediglich der erste Schritt. Sie seien nur „das kleine Tagesgeschäft“, sagt Gesundheitslandesrat Christopher Drexler. „Einen kraftvollen Diskussionsvorschlag“ hat er bereits mehrfach angekündigt. In der ersten Jahreshälfte 2016 soll er vorliegen. Aber was ist das, ein kraftvoller Diskussionsvorschlag? „Ausdifferenziert“ wird er sein, sagt Drexler. Und verspricht, dass er einem „breiten Kommunikations- und Diskussionsprozess“ unterzogen werde.
Dabei werde er zwar „entschlossen argumentieren“, aber nichts „ex cathedra“ verkünden und keinen „Justament-Standpunkt“ vertreten. Besseren Argumenten gegenüber sei er aufgeschlossen, verspricht Drexler.
Genau genommen hat der Prozess aber schon begonnen: In Schladming und Rottenmann wurden bereits Petitionen zur Erhaltung des Diakonissen-Krankenhauses und des LKH gestartet. Währenddessen versuchen sich die Gemeinden Stainach-Pürgg und Irdning-Donnersbachtal als mögliche Standorte eines denkbaren Neubaus in Stellung zu bringen. Auch andernorts gärt es – etwa in der Weststeiermark, wo der Verbund zwischen Deutschlandsberg und Voitsberg zwar beschlossene Sache ist, aber noch um Details gerungen und ebenfalls über einen Neubau an anderer Stelle spekuliert wird.
„Die KAGes ist ein Hort der Spekulation und ein Inkubator von Gerüchten“, merkt Drexler an, „jeder redet mit den Medien“. Und die berichten natürlich eilfertig – wir nehmen uns hier gar nicht aus, auch wenn wir uns um Zurückhaltung bemühen.
Langfristig
Statt aber den bekannten Spekulationen (die ja auch nicht durchwegs von der Hand zu weisen sind, weil ein Blick auf die Landkarte und in die Versorgungsdaten eben nur eine begrenzte Zahl von Möglichkeiten zulässt) weitere hinzuzufügen, versuchen wir, die Rahmenbedingungen zu umreißen.
Langfristigkeit: „Nur wenn wir wissen, wo wir in 20 Jahren sein wollen, sind die richtigen Schritte in den nächsten fünf Jahren denkbar“, sagt Drexler. Klar: Jede Art von Umstrukturierung, personelle Maßnahmen, aber vor allem Neubauten – egal, ob an bestehenden oder neuen Standorten – brauchen ihre Zeit. Von der ersten Idee über die Planungs- und Finanzierungsschritte bis zur Umsetzung und Wirksamwerdung kann immer mehr als ein Jahrzehnt vergehen. Der Neubau der Chirurgie und des Campus am Universitätsklinikum Graz sind Beweise dafür.
Überregionalität: Auf Kooperationen über die Landesgrenzen hinaus zu verzichten, „wäre Kleingeisterei“, so der steirische Gesundheitslandesrat. „Schon jetzt beträgt der Anteil der inländischen GastpatientInnen an den stationären Aufenthalten österreichweit rund zehn Prozent“, merkte der Bundesrechnungshof in seinem letztjährigen Bericht „zur Rolle des Bundes in der österreichischen Krankenanstaltenplanung an“ (Bericht 2015/16) und fügte kritisch hinzu: „… die Länder gingen in ihren Planungen aber kaum auf Gastpatientenströme ein“. Rund 16.000 nichtsteirische Patientinnen und Patienten pro Jahr werden in steirischen Krankenhäusern stationär versorgt, fast 26.000 Steirerinnen und Steirer im Gegenzug in Spitälern außerhalb der Steiermark (Zahlen 2013).
Mit der Ausgründung der EPIG – Entwicklungs- und Planungsinstitut für Gesundheit GmbH – als Tochter des Steirischen Gesundheitsfonds und von Joanneum Research wurde Anfang dieses Jahres eine Planungseinrichtung geschaffen (siehe Kasten), die das auch leisten soll. Drexler denkt bereits an eine Beteiligung von Nachbarbundesländern an dieser Gesellschaft nach. „Eine intensive Zusammenarbeit insbesondere mit dem Burgenland“ sei bereits eingeleitet, sagt der steirische Gesundheitslandesrat und nennt es „töricht, Landesgrenzen als Mauern zu sehen“. Nicht unerhebliche Patientenwanderwege gibt es auch Richtung Salzburg und in geringerem Umfang Richtung Kärnten (siehe Grafik).
Regionale Bedeutung: Spitäler sind aber nicht nur Säulen der medizinischen Versorgung, sondern haben auch eine hohe wirtschaftliche Bedeutung als Arbeit- und Auftraggeber in der jeweiligen Region. Das weiß natürlich auch der Gesundheitslandesrat: „Die wirtschaftliche Bedeutung ist evident“, sagt er auch unumwunden, sie „kann aber nicht allein leitend sein“, schränkt er gleichzeitig ein, sondern müsse mit der medizinischen Planung „kompatibel“ bleiben.
Gesamtsicht: Veränderungen in der Spitalsversorgung sind nicht ohne Veränderungen in der Versorgung außerhalb der Spitäler denkbar. Bei den Akutbetten pro 100.000 EinwohnerInnen liegt die Steiermark an fünfter Stelle in Österreich (und etwas über dem Österreichschnitt), bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten nur an siebenter Stelle und unter dem Österreichschnitt …
„Sicherheit und Verlässlichkeit“
„Grundsätzlich ist eine zeitgemäße Veränderung der steirischen Spitalslandschaft unvermeidlich“, sagt der steirische Ärztekammerpräsident Herwig Lindner und warnt vor fundamentalem Widerstand zur Erhaltung eines Ist-Zustandes, der de facto nicht aufrechtzuerhalten sei.
Ein breiter und transparenter Diskussionsprozess unter Einbeziehung aller Gesundheitspartner sei dabei jedenfalls der richtige Weg – „Alleingänge und Geheimaktionen werden immer scheitern.“
Am Ende dieses Diskussionsprozesses müsse Klarheit stehen: „Die künftige Ausrichtung der Spitäler hat auch gewaltige Auswirkungen auf die Lebensplanung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese brauchen Sicherheit und Verlässlichkeit, wenn sie sich für ein bestimmtes Spital als Arbeitsplatz entscheiden“, so der steirische Ärztekammerpräsident. Dabei gehe es nicht nur um berufliche, sondern auch private Fragen, den Schulplatz für Kinder, den Arbeitsplatz für die Lebenspartnerin oder den Lebenspartner, den Bau eines Hauses oder den Kauf einer Wohnung.
Umgekehrt gelte das aber auch arbeitgeberseitig: „Wenn ein Spitalsstandort nicht weiß, wie er in zwanzig Jahren ausgerichtet ist, gibt es keine Möglichkeit für eine nachhaltige und langfristige Personalpolitik“, sagt Lindner. Ärztliche Leiter, die keine langfristigen Perspektiven bieten können, hätten dann immense Schwierigkeiten, die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden und auszuwählen.
Er begrüße daher die Absicht von Landesrat Drexler, „zuerst einen breiten Kommunikationsprozess zu ermöglichen und dann einen langfristigen Plan auszurollen: „Nur wenn wir das Ziel kennen, können wir den richtigen Weg gehen.“
EPIG – die neuen Planer
Seit Jänner dieses Jahres gibt es EPIG, die Entwicklungs- und Planungsinstitut für Gesundheit GmbH. Die Gesellschaft gehört zu 75 Prozent dem Gesundheitsfonds Steiermark und zu 25 Prozent Joanneum Research.
Der ehemalige Leiter von Joanneum Research Health, Wolfgang Habacher, ist auch Geschäftsführer des Unternehmens. „Aufgrund der langjährigen und erfolgreichen Kooperation zwischen dem Gesundheitsfonds Steiermark und der JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH (JR) ist es dem Land Steiermark ein besonderes Anliegen sicherzustellen, dass das hohe Maß an Erfahrung, die große Kompetenz und die Kenntnisse der steirischen Versorgungslandschaft, die in der Forschungsgruppe Gesundheitswissenschaften des Instituts HEALTH vorhanden sind, in das neue Unternehmen eingebracht werden können“, hieß es in der Presseaussendung zur Gründung.
EPIG könnte auch als Signal zur Verstärkung der gemeinsamen Planung der Steiermark, des Burgenlands und Kärntens in der Versorgungszone Süd des ÖSG verstanden werden. Eine Einladung zur direkten Beteiligung der beiden Nachbarbundesländer liegt laut Drexler vor.
Kurzfristig ist das allerdings nicht zu erwarten. Es gäbe aber die Idee, „irgendwann eine Beteiligung zu erreichen“, bestätigt auch Habacher. Expertise kann er ins Treffen führen. Mit der Health-Sparte von Joanneum Research hat er auch den Kärntner RSG entwickelt.
Die Leitung der Forschungsgruppe Health übernahm die Volkswirtin und Soziologin Louise Schmidt. Sie studierte an der Universität Bristol (Schwerpunkt Gesundheitsökonomie) und machte ihren Masterabschluss im Bereich Public Health und Primary Care in Oxford.
Habacher hofft auf die „Synergienutzung“ zwischen den beiden Einheiten.
„Es geht um die Gesamtsicht“
„Der Wiener Krankenanstaltenverbund hat kürzlich die ärztlichen Direktoren der KAV-Spitäler angewiesen, ihre Ärztinnen und Ärzte dazu anzuhalten, maximal 40 Stunden pro Woche zu arbeiten“, so ein Bericht der Tageszeitung „Die Presse“.
Zwar bestreitet KAV-Generaldirektor Udo Janßen das – aber „der Wiener Ärztekammer liegen schriftliche Beweise aus mehreren Spitälern vor, dass der KAV via ärztliche Direktoren angedroht hat, Überstunden gegebenenfalls an Ärztinnen und Ärzte zukünftig nicht mehr auszuzahlen“, beharrt die Wiener Ärztekammer in einer Presseaussendung.
Für den Obmann der Angestellten Ärzte, Ärztekammer-Steiermark-Vizepräsident Martin Wehrschütz, sind „einseitige Kürzungen untragbar“, sie würden Häuser, deren Leitungen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch die Patientinnen und Patienten unter gewaltigen Druck setzen: „Es geht nur in der Gesamtsicht.“
Vor dem Hintergrund zunehmender ökonomischer Zwänge ergäbe sich „für die Gesundheitspolitik der Planungsauftrag, eine integrierte regionale Versorgungsplanung mit effizienter Leistungsabstimmung zwischen den einzelnen Häusern und Sektoren und eine wirksame ambulante Versorgungsstruktur bereitzustellen und aufzubauen“, sagt Wehrschütz, der auch eine Masterthesis dazu verfasst hat.
Schlussfolgerung: Ohne entsprechende Anpassungen und die aktive Beteiligung der Krankenkassen sei eine Spitalsplanung zum Scheitern verurteilt. Das erfordere aber politische Entschlossenheit, nicht nur auf Landes-, sondern auch Bundesebene.
Zitate:
„Die KAGes ist ein Hort der Spekulation und ein Inkubator von Gerüchten.“
Christopher Drexler
„Nur wenn wir das Ziel kennen, können wir den richtigen Weg gehen.“
Herwig Lindner
„Es ist töricht, die Landesgrenzen als Mauer zu sehen.“
Christopher Drexler
„Einseitige Kürzungen sind untragbar.“
Martin Wehrschütz
Fototexte:
EPIG-Vertrag: Fonds-GF Harald Gaugg, LR Drexler, EPIG-GF Habacher, JR-Geschäftsführer Wolfgang Prybil (o.). Neue JR-Health-Leiterin Schmidt (l.)
Fotocredit: Shutterstock, Schiffer, Oliver Wolf, Stadler, Furgler