Arzt rettet Bildhauer
Dr. Peter Steinkellner, Landarzt in der kleinen weststeirischen Marktgemeinde Stallhofen, hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Bildhauer Gustinus Ambrosi und sein Werk vor dem Vergessen zu bewahren.
Reinhard A. Sudy
Eingebettet in die weststeirische Hügellandschaft liegen die von Wald- und Kulturflächen umgebenen kleinen Ortschaften der Marktgemeinde Stallhofen. Hier ist die Heimat des Landarztes Dr. Peter Steinkellner, und hier, hoch über der Ortschaft Stallhofen, hat der österreichische Bildhauer und Dichter Gustinus Ambrosi seinen geräumigen Alterssitz selbst entworfen und 1969 zu bauen begonnen.
Als Peter Steinkellner am 1. Februar 1954 im LKH Graz zur Welt kam, muss ihm seine spätere Leidenschaft zur Medizin und Kunst bereits in die Wiege gelegt worden sein. Wohlbehütet – sein Vater war Versicherungsbeamter und seine Mutter Hausfrau – wuchs er mit seiner Schwester Helga im Grazer Geidorf-Viertel auf. Hier besuchte er die Volks- und Mittelschule. Gleich nach der Matura 1972 begann dann mit dem Medizinstudium an der Karl-Franzens-Universität Graz und der Promotion 1979 seine Bilderbuchlaufbahn bis zum Landarzt in Stallhofen.
Wissbegierig wie er war arbeitete Peter Steinkellner so nebenbei eine Zeit lang halbtags als Studienassistent an der Histologie. Gerne erinnert er sich auch an die Zeit, als er an einigen steirischen Landesspitälern zum praktischen Arzt ausgebildet wurde: „Besonders dankbar verbunden bin ich zwei meiner damaligen ‚Lehrer‘, die mich sehr geprägt haben: dem Ärztlichen Direktor des LKH Feldbach, Primar Dr. Gernot Stöckl, und dem Primar Univ.-Prof. Dr. Ingomar Mutz, Leiter der Leobner Abteilung für Kinder- und Jugendliche.“
Landarztpraxis in Stallhofen
Am 1. Oktober 1982 war es dann soweit und „ich eröffnete meine Praxis im Ortszentrum von Stallhofen“, blickt der ‚Herr Doktor‘ – wie er von seinen Patienten genannt wird – schmunzelnd auf den Beginn seiner Landarztkarriere zurück. „Meine vielen Patienten, die Hausapotheke, ein wöchentlicher Bereitschaftsdienst und ein Wochenenddienst pro Monat sind ein selbstverständlicher Teil meines erfüllten Arbeitslebens geworden“, erzählt er aus seinem Alltag als Landarzt.
Da die Fort- und Weiterbildung ebenso ihre Zeit braucht, stehen bei der Freizeitplanung Kunst und Kultur absolut im Vordergrund, sodass für andere seiner Hobbys wie Schach oder Billard kaum mehr Zeit bleibt. Glücklich ist Peter Steinkellner, dass seine Gattin Maria seine vielseitige Begeisterung für Kunst und Kultur teilt und sie daher vieles gemeinsam machen können.
Gustinus Ambrosi
(1893–1975)
Der in Eisenstadt geborene und in vielen europäischen Städten und Ländern wirkende Gustinus Ambrosi war zu seiner Zeit einer der bedeutendsten Bildhauer, der Büsten gleich von drei Päpsten geschaffen hat. Im Wiener Augarten wurde für ihn in den 1950er Jahren sogar ein eigener, ebenerdiger Gebäudekomplex mit Wohnhaus, Atelier, offener Säulenhalle und Ausstellungbau sowie Pförtnerhaus errichtet, der 1978 zum Gustinus Ambrosi Museum wurde. Es wird heute von der Österreichischen Galerie Belvedere betreut und zeigt nach Umbauten und Neu-Nutzungen nur mehr einen kleinen Teil der weit über 200, vom Künstler an die Republik Österreich übergebenen Arbeiten: Es sind weitestgehend naturgetreue und eher zurückhaltend idealisierte Skulpturen und Porträt-Büsten von den Großen ihrer Zeit in Marmor, Bronze und Gips. Die kleine, von Schreibutensilien umgebene markante Bronze-Büste des tauben Meisters selbst, die in Peter Steinkellners Ordination steht, hat dieser bereits vor über 20 Jahren erworben.
Vielen Älteren sind die Arbeiten des österreichischen Bildhauers, Philosophen und Dichters Gustinus Ambrosi – so die Inschrift am beeindruckend-schlichten Ehren-Grabmal im Grazer St. Leonhard-Friedhof – in guter Erinnerung. Seine oft akribisch anmutende Detailgenauigkeit beeindruckt auch die jüngere Generation. Und dennoch scheint er in den letzten Jahrzehnten an Wertschätzung verloren zu haben. Dagegen möchte sich Peter Steinkellner nun mit all seinen Kräften stemmen und arbeitet bereits Hand in Hand mit den engagierten Exponenten der Marktgemeinde Stallhofen, damit das eindrucksvolle Lebenswerk eines großen, sicherlich oft auch unbequemen Künstlers nicht in Vergessenheit gerät. Noch dazu, wo die beiden durch ihre gemeinsame Wahlheimat Stallhofen auf das Engste verbunden sind. Wie sehr Gustinus Ambrosi die Weststeiermark und seine neue Heimatgemeinde kannte und schätzte, zeigt ein 2014 gedrehter und auch als DVD erhältlicher Kurz-Film über sein Leben und Wirken, ergänzt mit Interviews von Zeitzeugen wie dem Alt-Bürgermeister und Wegbereiter des Ambrosi-Museums Adolf Pinegger, Anton Reiter oder Sophie Heri. Dazu gehört wohl auch das Wissen um seine Vorliebe für die regionale Küche wie gekochtes Rindfleisch mit Kürbisgemüse und Röstkartoffel.
Ambrosis Alterssitz in Stallhofen
Ganz anders als in Wien ist es mit dem von Gustinus Ambrosi bis ins kleinste Detail selbst geplanten und gebauten Haus in Stallhofen. Sogar für die Türgriffe hat er Zeichnungen angefertigt. Aus einem ‚Häuschen‘ für seinen Lebensabend wurde eine prachtvolle und geräumige toskanische Villa auf einem kleinen Plateau, von hohen Bäumen gesäumt und mit einer weiten Sicht über das Tal des Södingbachs. Als sie beinahe fertig war, starb Gustinus Ambrosi auf tragische Weise. Seine Frau Beata hat die Arbeiten aber nach seinen Plänen zu Ende geführt, die Räume nach seinen Vorstellungen eingerichtet und lebte dann selbst einige Jahre darin. Neben dem wertvollen Mobiliar hat sie auch eine Auswahl von ihm geschaffenen Skulpturen in den Räumen aufgestellt.
Seit 1985 ist das kleine Anwesen als Ambrosi-Museum und Gedenkstätte im Besitz der Marktgemeinde Stallhofen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Bei einem Rundgang durch das Ambrosi-Museum kommt bei Peter Steinkellner der Mediziner zu Wort, als er voller Mitgefühl vom frühen Gehörverlust des Künstlers erzählt, der knapp vor seinem Tod auch noch den Geschmack- und Geruchsinn verlor. „Ich bin immer wieder tief beeindruckt, mit welcher Kraft und Präzision Gustinus Ambrosi seine Arbeiten gestaltet hat“, meint er nachdenklich vor der berühmten Plastik ‚Der Mann mit dem gebrochenen Genick‘ stehend, die der Künstler im Alter von 15 Jahren aus der Erinnerung an einen tragischen Arbeitsunfall geschaffen hat.
Peter Steinkellner hat sich zur Aufgabe gemacht – mit Leib und Seele, wie er sagt – mit Hans Reiter, dem unermüdlichen Kurator der Marktgemeinde Stallhofen, und der Gustinus-Ambrosi-Gesellschaft die Erinnerung an den österreichischen Künstler Gustinus Ambrosi wachzuhalten. Seine Ernennung zum Präsidenten der Gustinus-Ambrosi-Gesellschaft ist für Herbst 2016 vorgesehen.
Das überragende handwerkliche Geschick und Schaffen des Meisters des plastischen Porträts – z. B. von den Päpsten Pius XI., Pius XII. und Johannes XXIII. oder den österreichischen Bundespräsidenten Dr. Karl Renner, Dr. Theodor Körner und Dr. Adolf Schärf – sollen nicht in Vergessenheit geraten.
Fotos: Reinhard Sudy
Das Ambrosi-Museum in Stallhofen.
Peter Steinkellener hat auch eine Ambrosi-Büste in seiner Praxis in Stallhofen.