Stolpersteine für Kassenärzte
Die Beispiele sind zahlreich, nicht nur in der Steiermark. Immer schwieriger wird es für Kassenarztpraxen Nachfolger zu finden. Hier die wichtigsten Gründe, die der Obmann der niedergelassenen Ärzte in der Steiermark, Ärztekammer-Vizepräsident Jörg Garzarolli, sieht. Sie erklären, warum immer weniger junge Ärztinnen und Ärzte in eine Kassenpraxis gehen wollen und Kassenärzte verzweifeln.
Ärztemangel: Das neue Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz hat den Personalbedarf der Krankenhäuser erhöht, sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die Bezahlung sind besser geworden. Das Bedürfnis, aus dem Spital hinauszugehen, wird daher geringer. Gleichzeitig wirken sich die Probleme bei der Allgemeinmedizin-Ausbildung negativ aus.
Kassenärzte als Feinde: Kassenärzte haben immer das Gefühl, von der Krankenkasse als Feinde und nicht als Partner betrachtet zu werden. Gibt es eine Grippewelle und deswegen mehr Hausbesuche, wird gleich peinlich kontrolliert. Letztes Beispiel „Mystery Shopping“: Kassenärzte werden schlimmer behandelt als Drogendealer. Das wollen sich viele nicht antun. Die Verpflichtung, zusätzlich zur E-Card einen amtlichen Lichtbildausweis zu verlangen, empört Patienten. Der Zorn richtet sich aber nicht gegen Regierung und Parlament, die das per Gesetz eingeführt haben, sondern gegen den Arzt.
Belastung: In Zeiten mit vergleichsweise wenig Patienten war der Stress in der Praxis aushaltbar. In alten Zeiten gab es auch meist eine Ehefrau, die das Privatleben „geschupft“ hat. Heute braucht es aber neue Formen der Arbeitsteilung, Gruppenpraxen, Jobsharing etc., damit Ärztinnen und Ärzte Familie und Beruf unter einen Hut bringen können. Die gibt es entweder gar nicht oder die Hürden sind so groß, dass sie in der Praxis scheitern.
Praxisschock: Viele Leistungen, die im Spital selbstverständlich sind – auch Medikamente –, sind in der Kassenpraxis aus Kostengründen verboten. Ein Allgemeinmediziner kann zum Beispiel keinen Ultraschall anbieten, ein EKG nur im Notfall. Außer er macht es kostenlos.
Bürokratielawine: Dokumentation, Abrechnung, Kontrolle – es wird immer mehr. Und erfordert immer mehr Zeit. Nicht alles ist schlecht, aber insgesamt ist es zu viel. Manches, was eigentlich gut klingt, funktioniert in der Praxis dann nicht oder nur mühsam – wie man zum Beispiel beim Pilotprojekt E-Medikation sieht.
Antiquierter Leistungskatalog: Die derzeit von den Kassen honorierten Leistungen sind teilweise nicht mehr zeitgemäß – sie werden von niemandem mehr gebraucht. Andere, zeitgemäße Leistungen wiederum fehlen.
Leistungsbegrenzungen: Mit Limiten (ein Arzt darf eine Leistung nur begrenzt erbringen) und Degressionen (je öfter eine Leistung erbracht wird, desto schlechter wird sie bezahlt), aber auch durch die niedrigen Kassentarife werden Kassenärzte und Patienten zu einer Fließband-Medizin verurteilt.
Spitalsersatz: Immer öfter sollen vom Spital angeregte oder verlangte Untersuchungen von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten durchgeführt werden. Das führt zu zusätzlichen Belastungen für Ärztinnen und Ärzte und längeren Wartezeiten für Patientinnen und Patienten.
Teamwork-Verhinderung: Junge Ärztinnen und Ärzte wollen ihre Patientinnen und Patienten im Team betreuen. Viele Experten schlagen das auch vor. Aber: Kontingentierungen gibt es nicht nur im ärztlichen Bereich. Auch der Zugang zu Ergo-, Physio- oder Psychotherapie als Kassenleistung ist stark begrenzt. Eine gewaltige Hürde.
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