Es passt!
Nach 41 Jahren Arztsein und 35 Jahren in der Ärztekammer ging Jörg Garzarolli dieser Tage in den sprichwörtlichen Unruhestand. Sein Blick in die eigene Zukunft ist rosiger als der in die der Ärzteschaft.
Für die Praxis in Hausmannstätten ist der Nachfolger gefunden. Seine Tätigkeit in der Ärztekammer beendete Jörg Garzarolli wenige Wochen vor der Wahl. Vieles ist gleichzeitig von ihm abgefallen. Er wirkt im besten Sinne des Wortes erleichtert: „Ein Leben ohne Kammer ist eine neue Erfahrung“, sagt er ohne Wehmut. Nicht, dass er diese 35 Jahre auch nur im Geringsten bereut, in denen er so viele Funktionen in der Ärztekammer durchlaufen hat. Begonnen hat er als Bezirksärztevertreter, war Referent für Arbeitsmedizin, Mitglied des Verwaltungsausschusses, Vizepräsident, Finanzreferent, Sektionsobmann Allgemeinmedizin und Kurienobmann der Niedergelassenen Ärzte. Und natürlich Mitglied der Vollversammlung, Kammerrat, 28 Jahre lang.
Seine – zumindest von manchen als solche empfundene – Schwäche sieht er auch als Stärke: die Konzilianz, das Bemühen um Ausgleich: „Ich bin nicht schlecht damit gefahren“, bilanziert er. Verhandeln heiße eben, dass beide Partner ihre Positionen darlegen und man dann eine für beide Seiten vertretbare Lösung suche.
Erfolge gab es genug: Als er die Arbeitsmedizin übernahm, war sie bei den Unternehmen als Kostenbringer äußerst unbeliebt, dennoch gelang es ihm zwei Jahre nach Übernahme des Referats, mit der Wirtschaftskammer ein Honorierungsschema für Betriebsärzte zu akkordieren, das von beiden Kammern und den Betrieben gleichermaßen akzeptiert wurde. Im Bereich der niedergelassenen Ärzte sind es unter anderem der für die Bereitschaft erstmals honorierte Nachtdienst unter der Woche, die Einführung des ELIAS-Analyse- und Infosystems für kassenärztliche Leistungen, die Möglichkeit der Rezepturbefugnis für pensionierte Ärztinnen und Ärzte, die erweiterte Stellvertretung, die Übergabepraxis und die Neuregelung des Totenbeschau-Systems mit Land und Gemeindebund, die er auf der Haben-Seite verbucht.
Sein Blick in die ärztliche Zukunft ist aber nicht ungetrübt: „Die Zukunft des freien Berufsstandes macht mir Sorge“, sagt er. Er hat gleichzeitig auch ein gewisses Verständnis für die Politik, wenn sie mit dieser ärztlichen Freiheit nicht immer pfleglich umgeht: „Die Politik muss ihren Versorgungsauftrag erfüllen“, sagt Jörg Garzarolli, auf Seite der Ärztekammer mangle es bisweilen an Flexibilität. Besorgt macht ihn aber auch die Situation der Patientinnen und Patienten: Die wohnortnahe ärztliche Versorgung und die Behandlungskontinuität seien gefährdet, fürchtet er: „Die Leidtragenden sind die alten Menschen.“ Eine Lösung sieht er in einer umfassenden Reform des Kassenvertrags hin zu einem wohl definierten Pauschalsystem für Allgemeinmediziner, ergänzt um Einzelleistungsmodule, wie es in Südtirol praktiziert wird und mit welchem die dortige Ärzteschaft äußerst zufrieden ist. Dass derzeit nur die allgemeinmedizinische Versorgung, die Primärversorgung, zur Diskussion steht, ist für Garzarolli ein vorübergehendes Phänomen. Als nächste würden die Fachärzte drankommen. Die hätten jetzt nur „eine Ruhepause“.
Im privaten Bereich ist dagegen alles im Lot: Noch immer interessiert er sich für historische Schiffsmodelle. Begonnen hat seine Leidenschaft dafür bereits im Kindesalter.
Ein zweites ernsthaftes Hobby ist seine Sammlung antiker Medizingerätschaften, die er gerne auch in der Ärztekammer ausgestellt sehen möchte. Seine Leidenschaft für Reisen passt gut zu seiner starken Affinität fürs Fotografieren und Filmen. Und dann gibt es natürlich noch seine Enkel, für die er jetzt endlich genug Zeit finden wird.
Fotos: Ärztekammer, beigestellt