AERZTE Steiermark 06/2017
Günstig – handlich – steirisch: Der Defi für unterwegs
Immer mehr externe Defibrillatoren werden im öffentlichen Raum installiert, doch im Notfall ist der Zugriff oft kompliziert. In Graz entsteht daher gerade eine kostengünstige tragbare Variante.
Während der Vorbereitung auf seinen Segelschein kam Jasper Ettema im Erste-Hilfe-Kurs die zündende Idee: Nach einer ersten Übungseinheit am AED sinnierte der Betriebswirt, wie man den Zugang zu externen Defibrillatoren verbessern – und damit die Überlebenschancen nach einem Herzstillstand deutlich heben – könnte.
„Bei den derzeit üblichen, stationär gelagerten Modellen benötigt man immer eine zusätzliche Person, die den Defibrillator holt“, gibt Ettema zu bedenken. „Innerhalb der entscheidenden drei Minuten ist auch nur selten problemlos einer zur Hand.“ Manche Geräte sind in Einkaufszentren oder Banklobbys gelagert und daher nur zu deren Öffnungszeiten zugänglich.
Daher überlegte Ettema, ob man einen Laiendefibrillator nicht auch wesentlich kleiner und leichter – und somit tragbar – erzeugen könnte. Er gründete Ende 2015 die Firma liimtec (life improving technologies) in Graz und entwickelte mit seinem Team einen Prototypen in der Größe von zwei Taschentuchpackerln: 8 mal 10 mal 5 Zentimeter groß; angestrebt wird ein Maximalgewicht von 300 Gramm. Also wie eine große Tafel Schokolade. Neben Größe und Gewicht ist für Ettema ein wichtiges Kriterium die Leistbarkeit: Er möchte das Gerät so günstig erzeugen, dass es künftig möglichst in jedem Arztkoffer, jedem Sanitäter-Rucksack, aber vielleicht auch in der einen oder anderen Tasche von Laien vorhanden sein wird. „Es soll nur so viel kosten wie ein gutes Smartphone.“
Kommuniziert mit dem Handy
An das Smartphone soll der sogenannte PocketDefi – zwecks verbesserter usability – auch angebunden sein: Software-Updates, aber auch Erinnerungen für Service und Wartung werden den Nutzern via Handy geliefert. Kombiniert wird er mit einer App, die im Notfall die Träger der drei nächstgelegenen PocketDefis zu sich ruft – falls das eigene Gerät gerade nicht zur Hand sein sollte. Ähnlich wie das für 2018 geplante eCall-System in neuen Automodellen soll der PocketDefi bei Nutzung automatisch ein Callcenter verständigen, das dann nach Rückfrage einen Notruf absetzt.
Wie seine „großen Brüder“ wird der PocketDefi insofern auch von Laien verwendbar sein, als er sofort nach Inbetriebnahme Sprachanweisungen zur Benutzung des Gerätes gibt. Die Schockabgabe erfolgt erst nach Analyse des Patienten-Herzschlags; eine unsachgemäße Defibrillation ist somit nicht möglich. „Unser Gerät entspricht derselben gesetzlichen Richtlinie für Medizinprodukte wie die große Variante und gibt auch Schocks mit derselben Energiemenge ab.“ Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch in der Dimensionierung der Batterien: Bei stationär gelagerten Defis müssen diese über Jahre hindurch einsatzbereit sein und auch am Ende ihrer Lebensdauer noch ihre bis zu 200 Joule für 20 Schocks hintereinander abgeben können. Der Akku des PocketDefi ist völlig anders dimensioniert, weil er immer wieder neu aufgeladen wird, nachdem das Mobiltelefon den Nutzer daran erinnert hat, dass es an der Zeit dafür ist – also ungefähr einmal pro Monat, nach einem Einsatz auch schon früher.
Zu kaufen ab Herbst 2018
Der PocketDefi, dessen Umsetzung durch Gelder der Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützt wird, befindet sich soeben in der Testphase, demnächst beginnt das medizinische Zulassungsverfahren. Die CE-Kennzeichnung für Medizinprodukte sollte bei plangemäßer Umsetzung im ersten Quartal 2018 abgeschlossen sein; für den Herbst kommenden Jahres sind die ersten Auslieferungen anvisiert. Die Bestandteile des Gerätes werden in europäischen Unternehmen erzeugt, der Zusammenbau der Komponenten wird direkt bei liimtec erfolgen.
Interessierte Ärztinnen und Ärzte können bereits jetzt unter www.pocketdefi.at einen Newsletter abonnieren und werden so auf dem aktuellen Stand der Entwicklung gehalten. Auch auf den heurigen Ärztetagen in Grado wurde das bereits mehrfach preisgekrönte Projekt vorgestellt.
Fotos: liimtec GmbH, Klaus Morgenstern