Augenarztzentren: Kooperation nach ärztlichem Geschmack
In Weiz und Hartberg wurde jeweils eine neue Kassenstelle für das Fach Augenheilkunde und Optometrie geschaffen. Das Besondere: In diesen beiden Bezirksstädten teilen sich nun zwei Ärzte mit jeweils eigenem § 2-Vertrag eine Ordination.
„Facharztzentrum der besonderen Art“ – so könnte man die neue Form der Zusammenarbeit zwischen jeweils zwei Fachärztinnen und -ärzten für Augenheilkunde in Weiz und Hartberg bezeichnen. „In diesen beiden Ordinationen wird ärztliche Zusammenarbeit so praktiziert, wie wir Ärzte uns das vorstellen“, erklärt Fachgruppenobfrau Elisabeth Sochor-Micheler – mit dem Nachsatz: „Im Gegensatz zu Primary-Health-Care-Zentren wie sie sich die Regierung vorstellt.“
Die beiden kooperierenden Ärzte verfügen jeweils über einen eigenen Kassenvertrag (wovon jeweils einer neu geschaffen wurde), teilen sich aber die Finanzierung der High-Tech-Ausstattung und beschäftigen gemeinsam dieselben Angestellten. Hier ist kein externer Investor im Spiel, der primär wirtschaftliche Interessen verfolgt; die Selbständigkeit der Ärztinnen und Ärzte bleibt gewahrt, das finanzielle Risiko aber wird geteilt.
Im Wert eines Einfamilienhauses
Denn um den Preis einer modernen Geräte-Ausstattung einer augenärztlichen Praxis könne man sicher ein Einfamilienhaus errichten, betont Sochor-Micheler. Teilen sich zwei Kollegen die Kosten, trauen sich mehr potenzielle Bewerber den Gang in die Selbständigkeit auch wirklich zu. Darin liegt jedoch nicht der einzige Vorteil dieser neuen Organisationsform: Auch die Möglichkeit zur Teamarbeit erschließt neue Potenziale. Denn diese Kooperationsvariante, so Sochor-Micheler, eigne sich gut für Kolleginnen und Kollegen, die im Zweifelsfall gerne Rücksprache halten. „Die Möglichkeit zum fachlichen Austausch ist mir in der ersten Zeit nach meiner Praxis-Gründung auch abgegangen“, erzählt die Fachgruppenobfrau, die in Oberwart und Kumberg jeweils eine Wahlarzt-Ordination betreibt. Möchte man eine zweite Meinung einholen, reiche es, den Patienten oder die Patientin einfach nochmals einzubestellen, zu einem Zeitpunkt, an dem beide Ärzte vor Ort seien.
Das ist beileibe nicht immer der Fall, denn ein weiterer Pluspunkt der doppelten Nutzung der Ordination besteht darin, dass die Öffnungszeiten deutlich ausgeweitet werden können. So steht in beiden Zentren von Montag bis Freitag nahezu ganztags ein Augenfacharzt zur Verfügung, ohne dass ein einzelner in Arbeit zu versinken droht.
In Hartberg, wo sich Maria und Alexander Bachernegg – Mutter und Sohn – seit Anfang April die Praxis teilen, decken die beiden den Zeitraum Montag bis Donnerstag von 8.00 bis 18.00 Uhr ab. Am Freitag schließt die Ordination bereits zu Mittag, dafür ordinieren am Vormittag beide parallel. Die Weizer Augenärztinnen Manuela Petrovic-Panzitt und Vanessa Gasser-Steiner sind montags bis donnerstags von 7.00 bis 17.00 Uhr erreichbar; am Freitag von 7.00 bis 12.00 Uhr.
Work-Life-Balance ermöglichen
Für die Patientinnen und Patienten bedeutet diese Arbeitsteilung eine größtmögliche Erreichbarkeit „ihrer/ihres“ Augenärztin/-arztes – und das nicht nur zur Terminvereinbarung. Selbst wenn sie nicht zu ihrem angestammten Arzt kommen, kann die Vertretung auf Wunsch Einsicht in ihre Patientenkartei nehmen und darin auch den Verlauf der Behandlung dokumentieren, sodass keine Information verloren geht. Im Idealfall kooperieren ja zwei ÄrztInnen miteinander, die auch fachlich gut übereinstimmen.
Für die Ärztinnen und Ärzte bedeutet die geteilte Ordination trotz eigener Kassenverträge, dass sich problemlos eine Vertretung organisieren lässt – egal ob sie auf Urlaub gehen, eine Fortbildung besuchen oder einfach mehr Work-Life-Balance leben wollen. „Auf diese Art lässt sich leichter Nachwuchs für eine Kassenstelle finden, denn die Jungen legen mehr Wert auf Freizeit, als wir das seinerzeit getan haben“, sagt die Fachgruppenobfrau. Obwohl gerade Sochor-Micheler selbst gerne das Zwei-in-einer-Praxis-Modell gelebt hätte, als sie vor acht Jahren ihre (damals noch Kassen-)Ordination in Oberwart eröffnet hat. Allerdings stimmte die Krankenkasse damals nicht zu.
Heute, so vermutet sie, sei die Kasse froh, wenn sie genügend Bewerberinnen und Bewerber für eine Planstelle in einer Bezirkshauptstadt finden könne. Daher seien nun die Bemühungen um gemeinsame Ordinationen bei getrennten Kassenstellen erfolgreich gewesen – nach jahrelanger Vorarbeit, die noch unter Sochor-Michelers Vorgänger als Fachgruppenobmann, Klaus Müllner , begonnen habe.
Dass ausgerechnet im Bereich der Augenheilkunde diese neuen Facharztzentren ausprobiert werden, hält Sochor-Micheler für keinen Zufall. Einerseits spräche die teure Ausstattung dafür; andererseits sind in der Augenheilkunde mehr als 50 Prozent Frauen tätig. „Die können oder wollen oft nicht Vollzeit arbeiten.“ Generell ortet Sochor-Micheler einen Trend zu mehr (selbst organisierter) ärztlicher Zusammenarbeit – auch in anderen Fachbereichen.
Vorteile überwiegen
„Die Vorteile überwiegen“, betont die Fachgruppenobfrau. Als möglichen Nachteil sieht sie nur, dass die beiden Ärztinnen und Ärzte eng aneinander gebunden seien. Unangenehm werde es, wenn sich die Partner entzweien. Daher sei es wichtig, sich die gemeinsame Praxis vorab gut zu überlegen.
Dass die Patientinnen und Patienten keine örtliche Wahlmöglichkeit haben, findet Sochor-Micheler nicht so schlimm. Das Einzugsgebiet für Ordinationen in Bezirksstädten sei naturgemäß groß und die meisten kämen ohnehin mit dem Auto, da sei der konkrete Standort nicht so wichtig – sofern er gut erreichbar sei und ausreichend Parkmöglichkeiten zur Verfügung stünden.
Nicht nötig sei es, dass die beiden künftigen Geschäftspartner schon vorab ein Naheverhältnis zueinander hätten. Bei den Bacherneggs in Hartberg ist das allerdings der Fall: Hier ist der Sohn in die Praxis seiner Mutter eingestiegen. Möglich war das nur, weil alle anderen Bewerber und Bewerberinnen auf der Liste abgelehnt haben; Sonderbehandlung gab es keine für Alexander Bachernegg.
Ohne familiäre Bande starteten mit 1. März die beiden Weizer Augenärztinnen ihre Gemeinschaftsordination im neu gebauten Haus in der Birkfelder Straße. Manuela Petrovic-Panzitt hatte zuvor bereits zehn Jahre lang eine Einzelordination in Weiz betrieben, aufgrund der großen Auslastung zuletzt jedoch einen Aufnahmestopp verhängt. Vanessa Gasser-Steiner war als habilitierte Fachärztin am Klinikum in Graz tätig und hat nebenbei eine Wahlarztordination in der Landeshauptstadt unterhalten. „Ich wollte schon lange eine Praxisgemeinschaft haben“, erklärte Petrovic-Panzitt gegenüber der Kleinen Zeitung . Nun ist das auch möglich geworden.
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