„Den Traumvogel wird es nie geben“
Seit fast vier Jahrzehnten züchtet der Onkologe und heutige Ärztliche Direktor des LKH Feldbach-Fürstenfeld, Peter Krippl, Zebrafinken. Aus dem Hobby entstand auch sein Interesse an der Tumorgenetik.
U. Jungmeier-Scholz
Sie wiegen nur 40 Gramm, sind gut zwölf Zentimeter lang und an der Zebrazeichnung auf der Brust erkennbar. Sie schnattern, trillern und tröten und erkennen einander nicht nur am Gesang und am Aussehen, sondern auch am Geruch – die Zebrafinken. Und sie sind seit fast 40 Jahren Lebensbegleiter von Peter Krippl. „Den ersten Zebrafink habe ich mit zehn Jahren gefangen – einen entflogenen. Dazu habe ich mir in der Zoohandlung einen zweiten gekauft und die beiden haben miteinander Junge bekommen“, berichtet Krippl von den Anfängen seines heutigen Schwarms, der rund hundert Tiere umfasst.
Schon als Jugendlicher hat er im elterlichen Garten eine Volière gebaut, sich einem Züchterverein angeschlossen und seine Zebrafinken zu Ausstellungen gebracht. „Mein Ziel war es immer, die Vögel durch gezielte Paarung zu veredeln und die Schönsten in Farbe, Form und Zeichnung zu züchten.“ Krippls Prachtfinken haben alle einen Stammbaum und wurden durch internationalen Tausch einzelner Tiere genetisch verbessert.
Gezielte Verpaarung
Gerade brüten einige Paare. Die Kombinationen hat Krippl selbst ausgesucht; dem Zufall bleibt nichts überlassen. Mittlerweile verfügt er im eigenen Garten in der äußeren Ragnitz bei Graz über ein 40-m2-Vogelhaus mit zwei Volièren, die sowohl Lebensraum unter Dach als auch im Freien – wenn schon nicht in Freiheit – bieten. Dazu kommen eigene Kunststoffboxen zum Brüten, in die er jeweils ein ausgewähltes Paar separiert. „Meist legt das Weibchen dann nach ungefähr einer Woche Eier.“ Beide Partner brüten sie aus und nach dem Schlüpfen beträgt die Nestlingszeit noch an die drei Wochen.
Nahezu jeden Tag kümmert sich Krippl selbst um seine Vögel, auch wenn er durch technische Maßnahmen dafür gesorgt hat, dass seine Familie problemlos übers Wochenende wegfahren kann: Futterautomaten und Wasserspender versorgen die Zebrafinken bis zu einer Woche lang. Geht die fünfköpfige Familie länger auf Reisen, kommt ein Vogelsitter. Die drei Kinder – Anna, Emanuel und Valentina – teilen zwar ihres Vaters Leidenschaft fürs (Fern-)Reisen; an den Zebrafinken sind sie jedoch weniger interessiert. „Sie haben ihre eigenen Hobbys, die sie intensiv betreiben: Fußball und Voltigieren.“
Fokus Familienleben
Auf die eigene Familie setzt Krippl sogar bei der Zebrafinken-Zucht: Noch immer flattern Nachkommen seiner ersten Generation durch die große Volière. „Als ich nach dem Studium zur Facharzt-Ausbildung nach Linz gegangen bin, musste ich meine Vogelpopulation reduzieren. Als ich dann wieder mehr Kapazität hatte, habe ich einen Teil der vergebenen Vögel wieder zurückgeholt.“ Krippls Eltern haben ihn bei seinem ebenso ausgeprägten wie ausgefallenen Hobby immer unterstützt. Sie fuhren mit ihm sogar eigens zum Ankauf weiterer Zebrafinken bis in die Niederlande oder nach Italien.
Trotz der systematischen Art, mit der Krippl seine Zucht betreibt, entspannt ihn die Versorgung und Beobachtung seiner Vögel. Allerdings, betont er, am besten entspanne er sich im Beisammensein mit seiner Familie. Oder mit Freunden. Sportlich betätigt er sich regelmäßig, aber ohne spezielle Leistungserwartung. Im Gegensatz zu seinen Kindern: Die Erstgeborene Anna beispielsweise war bereits Weltmeisterin im Voltigieren.
Vom Sanitäter zum Arzt
Was Peter Krippl beginnt, macht er gerne so richtig gut. Aus diesem Grund war er sich zunächst auch nicht ganz sicher, ob er ein Medizinstudium schaffen würde. „Der prinzipielle Wunsch, Arzt zu werden, war aber schon seit der Gymnasialzeit vorhanden.“ Nach der Matura am Grazer BORG Monsbergergasse leistete er erst einmal in Zwölfaxing nahe Bruck an der Leitha seinen Präsenzdienst und ließ sich zum Sanitäter ausbilden. Auf der Krankenstation lernte er einige junge Ärzte kennen und gewann dadurch schließlich genügend Selbstvertrauen für das Medizinstudium. Sein erster Spezialisierungswunsch ging in Richtung Pathologie, bevor die klinischen Fächer klar zur Inneren Medizin wiesen.
Nach einem beruflichen Abstecher auf Sumatra fand Krippl schließlich an der Kardiologie des Linzer Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern einen Ausbildungsplatz zum Facharzt für Innere Medizin. Ab Anfang 1999 konnte er die Fachausbildung am Uniklinikum seiner Heimatstadt Graz fortsetzen, mit dem Vorteil, dass damit nicht nur das Heimweh endete, sondern sich auch die Welt der Forschung für ihn öffnete. Noch heute spricht Krippl voll Wertschätzung von den beiden wichtigsten Mentoren seiner Grazer Ausbildungszeit: dem Ordinarius für Innere Medizin, Günter Krejs , und dem heutigen Med-Uni-Rektor Hellmut Samonigg .
Forschung zur Tumorgenetik
Krippl, der auch seit 1999 durchgehend Kammerrat der steirischen Ärztekammer ist, beteiligte sich federführend am Aufbau der Forschungsgruppe für Tumorgenetik an der Grazer Onkologie. „Ich wollte immer zusätzlich in die Wissenschaft gehen – und mein spezielles Interesse an der Genetik hat sich durchaus auch aus der Zebrafinken-Zucht entwickelt.“ Aus dem Grüppchen wurde schließlich eine bis zu 15 Köpfe zählende Forschungsgruppe. Erst mit der Bestellung zum (zweitjüngsten steirischen) Primar in Fürstenfeld im Jahr 2007 endete Krippls wissenschaftliche Tätigkeit. „Aber ich habe viel mitgenommen aus dieser Zeit“, betont er. „Nicht nur, dass sich aus der Forschung meine Habilitation ergeben hat; ich lese und interpretiere heute noch Publikationen anders.“
Mit Jahresbeginn wurde der renommierte Onkologe, der in Fürstenfeld das Tumorboard eingeführt hat und dessen Handschrift das südoststeirische Krebszentrum deutlich trägt, zum Ärztlichen Direktor des LKH Feldbach-Fürstenfeld bestellt. „Ich arbeite jetzt eineinhalb Tage am Standort Feldbach – und das funktioniert nur, weil das Team in Fürstenfeld so gut aufgestellt ist“, streut er seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Rosen.
Grenze zu ziehen
Dass er aufgrund seiner onkologischen Tätigkeit mehr Ausgleich zum Beruf benötigen würde als Angehörige anderer Berufsgruppen, glaubt Krippl nicht. Vielmehr sei es wichtig, dass man für den tagtäglichen Umgang mit Schwerkranken und deren Familien der richtige Menschentyp sei. „Viele – auch Ärzte – können schwer unterscheiden zwischen Mitfühlen und Mitleiden. Aber gerade diese Grenze zu ziehen ist enorm wichtig“, erklärt Krippl. „Ich kann sie gut ziehen und für mich ist die Onkologie eine schöne Aufgabe.“
Beruflich hat Krippl erreicht, was er wollte und freut sich darauf, die beiden ihm zugeordneten Spitalsstandorte mit weiterentwickeln zu können – „organisatorisch, menschlich und baulich“. Privat hat er sich zum Ziel gesetzt, gesund zu bleiben. Was nahezu banal klingt, resultiert jedoch sehr konkret aus seinem Wissen über Krebsprävention.
Als Zebrafinkenzüchter bleibt er realistisch: „Den Traumvogel wird es nie geben – ebenso wenig wie man sich selbst perfektionieren kann. Aber ein nicht zu erreichendes Ziel ist ja zum Ansporn da, immer nach Verbesserung zu streben und dabei nie aufzugeben.“
AERZTE Steiermark 04/2019
Fotos: KAGes/Furgler, Shutterstock / Eric Isselee