Skalar-Physik misst Geisteskraft. Oder auch nicht.
Auch in der Steiermark nutzen Apotheken und Energetiker bioscan-SWA-Geräte, die angeblich in 90 Sekunden bis zu 230 Gesundheitsdaten liefern: Vom Leberfettanteil bis zur Geisteskraft. Das „Scannen“ schadet wohl nicht; möglicherweise aber die hinterher empfohlenen Nahrungsergänzungsmittel.
„Das bioscan-SWA beinhaltet Lebensinformatik, Biophysik, Elektrotechnik und hochtechnologische Forschungsprojekte sowie Daten anderer Wissenschaften. Durch Erkenntnisse der Skalar-Physik als theoretische Basis wird die moderne Elektronik verwendet, um das sehr schwache magnetische Feld unserer Zellen zu messen. Die Funktionsweise des bioscan SWA ähnelt sehr stark der Zellkommunikation im menschlichen Körper. So ist es möglich, Informationen über Mängel, Überschüsse, Stress und Dysbalancen unseres Systems zu erhalten. (…) Für Ärzte, Apotheken und Therapeuten entwickelt. Intuitiv anwendbar.“
So lautet ein Auszug aus der Beschreibung des Anbieters. Hergestellt wird das Produkt durch die Dr. Rilling GmbH, benannt nach dem bereits verstorbenen Tübinger Allgemeinmediziner und Radiologen Siegfried Rilling, der sich auch als „nichttoxischer Krebsarzt“ bezeichnet haben soll.
230 Werte in 90 Sekunden
Anders als intuitiv anwendbar ist dieses Medizinprodukt aber ohnehin nicht. Denn der bioscan arbeitet nach Eingabe der Grunddaten wie Geschlecht, Geburtsdatum, Größe und Gewicht auf nicht nachvollziehbare Weise von selbst: Die zu untersuchende Person, die nach einer 90-sekündigen Messung bis zu 230 Informationen über ihren Gesundheitszustand bekommt, hält während der Messzeit bloß eine stabförmige Handelektrode in einer Hand, über die angeblich eine Erfassung des Energiefeldes stattfinden soll. Über einen kleinen Kasten erfolgt dann die Analyse und Weiterleitung via USB-Kabel an einen Laptop. Am Monitor läuft ein Programm ab, wobei stets sichtbar ist, welches Organ(-system) gerade gescannt werden soll.
Die letztlich erstellten Befundberichte enthalten eine Fülle von Angaben: Das Spektrum reicht von der Versorgung mit Vitaminen und Spurenelementen über einen ominösen Darmbakterien- Koeffizienten und die Totale Lungenkapazität bis zum „Austritt von Nervenfasern der Lendenwirbelsäule“ und zur „Geisteskraft“.
Nicht nur, dass mancher Koeffizient und Index ziemlich unbekannt klingt; auch traditionell anmutende Messungen wie die Versorgung mit Spurenelementen erfolgen ohne Angabe einer Maßeinheit.
Zuckerwürfel im Tankschiff
Gemessen werden mit dem bioscan angeblich auch Spurenelemente wie Zink, Jod, Fluor und Selen. „Gerade Mikroelemente sind ausgesprochen aufwendig in der Diagnostik“, erklärt dazu der ärztliche Leiter der Grazer Medizinischen und Chemischen Labordiagnostik Lorenz & Petek GmbH, Laborfacharzt Thomas Petek. „Aus aktueller Sicht scheint das mit derartigen Minitests nicht möglich.“ Messungen via Magnetfeld steht er skeptisch gegenüber. Bei vielen Spurenelementen sei schon der standardisierte, naturwissenschaftlich anerkannte Nachweis nicht ganz einfach: Während eine Blutzuckermessung dem Nachweis eines Zuckerwürfels in zwei Tassen entspreche, liege das Verhältnis für Selen im Blut bei einem Zuckerwürfel in einem mittelgroßen Tankschiff. Und so manches Spurenelement – wie beispielsweise Zink oder Silizium – befinde sich auch in Pflegeprodukten und könne bei einem Analyseweg über die Haut das Ergebnis stark beeinflussen.
Petek befürchtet, dass hier ein Geschäftszweig entstehe, der nicht einmal die simpelsten Standards erfüllen müsse. Medizinische Laboratorien, die echte Diagnostik leisten, unterliegen einer eigenen ÖNORM und führen laufend Qualitätskontrollen durch. So ist die Lorenz & Petek GmbH einerseits an Ringversuchen der ÖQUASTA (der Österreichischen Gesellschaft für Qualitätssicherung und Standardisierung medizinisch-diagnostischer Untersuchungen) beteiligt. Dabei wird dieselbe Probe von unterschiedlichen Laboren getestet. Andererseits laufen in ihrem eigenen Labor zur Selbstkontrolle tagtäglich Kontrollproben mit, deren Konzentration im Vorhinein bekannt ist.
Weibliche Prostata
Im Rahmen der Sendung „ markt “ des Norddeutschen Rundfunks wurde der Bioscan-SWA am 15. April 2019 mehreren Tests unterzogen, mit vernichtendem Ergebnis: Nach Eingabe eines männlichen Nutzerprofils wurde der Sensorstab einer Frau in die Hand gedrückt, deren dokumentierte Prostatawerte für Erheiterung sorgten. Als schließlich bei einer angeschlossenen Auto-Glühbirne ein Eisenmangel festgestellt wurde, lag die Vermutung nahe, die Befundberichte könnten per Zufall generiert werden – allerdings abgestimmt auf die eingegebenen Namen und Grunddaten.
Laut Herstellerangabe soll das Messprinzip jedoch auf Erfassung sogenannter Skalarwellen (das SWA im Namen steht für Scalar Wave Analyzer) basieren, die sich angeblich mit den individuellen Wellen des Organismus überlagern. Das Problem dabei: Skalarwellen sollen elektromagnetische Wellen sein, deren Schwingrichtung nicht transversal, sondern longitudinal (in Richtung der Wellenausbreitung) ausgerichtet sein soll. Noch fehlt allerdings der wissenschaftliche Beweis, dass es derartige Wellen überhaupt gibt. Kein Problem für die Hersteller: „Wir weisen immer darauf hin, dass es sich beim bioscan-swa nicht um eine wissenschaftlich noch schulmedizinisch anerkannte Methode handelt. Deshalb stellt sich die Frage: Warum sollen wir dem NDR schuldig sein, wissenschaftlich (sic) Belege zu liefern?“
Aber: Muss jemand, der ein Gerät von knapp 4.000 bis knapp 6.000 Euro je nach Ausführung vertreibt, wirklich keinerlei seriösen Nachweis zu dessen Funktionsweise erbringen?
Warten auf Gutachten
Nach mehreren kritischen Medienberichten wurde von der Institut Dr. Rilling GmbH ein Gutachten angekündigt, das allerdings nicht veröffentlicht wurde. Auf der Entgegnungs-Homepage von Bioscan-SWA wird in einer Reaktion auf die Fernsehsendung „ report München “ im Bayerischen Rundfunk am 26. Februar dieses Jahres auch erklärt, warum nicht: „Unser Institut hat ein Gutachten erstellen lassen, das noch von einem Sachverständigen beglaubigt werden wird. Aufgrund der im Vorfeld effekthascherischen Berichterstattung wurde dieses Gutachten dem BR (Bayerischen Rundfunk, Anm. d. Verf.) vorerst nicht zur Verfügung gestellt.“
Um erstaunliche Effekte bemüht waren die Produzenten jener Fernsehsendung gewiss, als sie einen Leberkäse an den Bioscan angeschlossen haben. Aber haben sie deshalb unrecht? Der Hersteller kontert, es handle sich um eine Zweckentfremdung des Gerätes. Wenn man in einen warmen Leberkäse ein Fieberthermometer stecke, könne man daraus auch schließen, das Nahrungsmittel habe Fieber. Doch das Fieberthermometer misst ja nur die Temperatur – und eine solche hat auch Leberkäse unbestritten. Lebende Zellen, durch deren natürliche Prozesse ein Magnetfeld entstehen könnte, sollte der Leberkäse jedoch besser nicht mehr enthalten, wenn er bereits gegart, aber noch genießbar ist.
Lukratives Geschäft
Wären die Messungen möglicherweise nur vorgetäuscht – wie es das Fazit des NDR-Beitrags nahelegt –, entstünde den Nutzenden in erster Linie ein wirtschaftlicher Schaden.
Medizinisch problematisch wird es jedoch dort, wo im Anschluss an die Messungen die angeblichen Mangelerscheinungen durch Nahrungsergänzungsmittel ausgeglichen werden. Und deshalb wird der bioscan-SWA auch gerne in Apotheken eingesetzt, die entsprechende Supplementierungs-Möglichkeiten im Regal vorrätig haben.
Über diesen Weg hat er auch Einzug in steirische Regionen gehalten: Ein paar Apotheken, aber auch „Energetiker“ und zumindest ein Nährstoff-Vertrieb bieten in der Steiermark Bioscan-Messungen an. „Die Supplementierung ist etwa bei wasserlöslichen Vitaminen nicht so problematisch, aber bei den fettlöslichen A-D-E-K ist sie immer mit Vorsicht und Augenmaß zu betreiben“, betont Laborfacharzt Petek.
Auf der Website des Bayerischen Rundfunks wurde nach der Sendung „Kontrovers“, die sich ebenfalls mit dem Bioscan befasst hatte, schon am 25. Oktober des Vorjahres mitgeteilt, dass jene Reformhauskette, bei der report München die Geräte getestet hatte, den Bioscan nun nicht mehr einsetzen wolle. Und weiter heißt es im selben Artikel: „(I)n Österreich hat die Arzneimittelbehörde nach einer Anzeige Ermittlungen aufgenommen“.
Auf Anfrage von AERZTE Steiermark teilte Gutachterin Heidrun Eberl, in der Medizinmarktaufsicht des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) für Medizinprodukte zuständig, mit, dass bei laufenden Verfahren prinzipiell keine Auskünfte gegeben werden dürfen. Ebenfalls ungeklärt bleibt damit, ob eine Anzeige erfolgt ist.
Auf dem Markt befinden sich übrigens auch andere – teils im „Innenleben“ baugleiche – Geräte, unter anderem eines des selbsternannten Heilers Robert F. Im Vergleich zum Bioscan-SWA ein Schnäppchen, das bereits um rund 150 Euro angeboten wird.
F. allerdings bietet sein Produkt unter dem Namen „Spiel mit deiner Gesundheit“ an, um sich damit rechtlich abzusichern.
AERZTE Steiermark 06/2019
Fotos: Shutterstock