Medizin & Müll
Kein Heftpflaster kommt heute ohne Verpackung aus. Aus diesen und anderen, gefährlicheren Abfällen können so in Ordinationen und Spitälern Mülltürme entstehen.
Walter Hoch
Umso wichtiger ist es, gegenzusteuern und sich an die Abfall-Rangfolge zu halten: Müll vermeiden vor recyceln vor beseitigen und deponieren.
Bereits seit 2005 gibt es das Konzept des Landes Steiermark für medizinische Abfälle, das an die ÖNORM 2104 angelehnt ist. Laut Auskunft der Abteilung für Abfall- und Stoffflusswirtschaft wurden die damals geschaffenen Vorschriften so weitblickend erstellt, dass sie noch immer richtig sind und es noch keiner gesetzlichen Neufassung dieser Materie bedurfte.
In diesem Konzept fallen Blister in die Gruppe 1. Sie sind gleichsam der Bodensatz des Medizin-Mülls und können bedenkenlos mit dem üblichen Haushalts- und Siedlungsmüll (Restmüll) vermengt werden.
Neben Altpapier oder Altglas gehören sie zu den Abfällen, die weder innerhalb noch außerhalb des medizinischen Bereiches eine Gefahr darstellen und nach den üblichen Kriterien zu trennen sind.
In der Gruppe 2 finden sich „Abfälle, die nur innerhalb des medizinischen Bereiches eine Infektions- oder Verletzungsgefahr darstellen können, jedoch nicht wie gefährliche Abfälle entsorgt werden müssen“.
Darin sind, aufgeteilt nach Feinabstimmung, Abfälle ohne Verletzungsgefahr (Wundverbände, Einmalspritzen ohne Kanüle, Katheter, Infusionsgeräte ohne Dorn usw.), Abfälle mit Verletzungsgefahr (Kanülen, Lanzetten, Skalpelle usw.), Nassabfälle (nicht restentleerte, z. B. mit Absaugsekreten gefüllte Einwegsysteme) und schließlich Körperteile und Organabfälle enthalten. Letztere sind thermisch zu behandeln oder entsprechend dem Leichenbestattungsgesetz zu bestatten.
Einfaches Recycling
Die Gruppe-2-Abfälle werden von einem Abfallsammler der Verbrennung zugeführt. Die Wiederverwertung dieser Abfälle, die meist erst durch ihre schiere Masse (siehe Kunststoff) gefährlich werden, schont die Rohstoffquellen und trägt maßgeblich zur Energieeinsparung und Klimaentlastung bei. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht rechnet sich ihre Wiederverwertung, aus wiederverwertbaren Abfällen entstehen durch verschiedene Verfahren neue Rohstoffe.
Profitables Waste-Management
Üblicherweise ist Recycling nicht ohne weitere Energiezufuhr und auch zusätzlichen Rohstoffverbrauch möglich.
Es entsteht dennoch ein Mehrwert. Zum einen sind Stoffe, die wiederverwertet werden können, von vorneherein hochwertiger als die „tauben“, kann aus ihnen doch entweder das gleiche Produkt oder etwas anderes hergestellt werden. Zum anderen braucht die Herstellung von recycelten Produkten weniger Energie.
Die gängigen Recycling-Stoffe zeichnen sich durch verschiedene Qualitäten aus. Bei der Verwertung von Altmetall, etwa Tuben aus Metall, Aluminiumdosen, können im Vergleich zur Metall-Produktion aus Erzen große Energiemengen eingespart werden. Bei Kunststoffen können seit Kurzem aus Teilen von PET-Flaschen wieder PET-Flaschen hergestellt werden. Glas ist beliebig oft recycelbar – unter der Voraussetzung, dass streng nach Weiß- und Buntglas sortiert wurde.
Altpapier ist für die Papierindustrie in Österreich der bedeutendste Rohstoff, Verpackungen aus Papier und Karton bestehen beinahe zur Gänze daraus. Bei allen Altstoffen ist aber die exakte Sortierung unbedingt notwendig, damit sie wirtschaftlich effizient wiederverwertbar sind. So ist es kein Übermut und keine Spitzfindigkeit, wenn die Vorschriften, welches Glas oder welcher Kunststoff gesammelt werden sollen und welche nicht, lange Listen füllen.
Gefährliche Abfälle
Ab Gruppe 3 des steirischen Konzeptes müssen Ärztinnen und Ärzte besonders wachsam sein. Hier finden sich Abfälle, „die innerhalb und außerhalb des medizinischen Bereiches eine Gefahr darstellen und daher in beiden Bereichen einer besonderen Behandlung bedürfen“ (etwa mikrobiologische Kulturen, infektiöse Abfälle). Diese dürfen nur konzessionierten Abfallentsorgern für gefährliche Abfälle übergeben werden, ihre Verbrennung erfolgt in speziellen Anlagen.
In Gruppe 4 listet das Konzept „sonstige im medizinischen Bereich anfallende Abfälle, für die besondere Vorschriften zur Sammlung und Behandlung bestehen“. Gefährliche Erreger, wie bei Tuberkulose, Masern, Mumps, und damit infizierte Stoffe sind Beispiele für Abfälle, die innerhalb und außerhalb des medizinischen Bereichs eine Gefahr darstellen und daher als Problemstoffe entsorgt bzw. deponiert werden müssen. Auch Abfälle von Arzneimitteln, genauer zytotoxische und schwermetallhaltige Arzneimittel, sind von einem konzessionierten Entsorger abzuholen.
Obwohl dadurch viele eigentlich noch brauchbare Medikamente möglichst vollständig verbrannt werden, wäre eine Aussortierung von noch zugelassenen Tabletten bei Weitem zu kostspielig. Zur Gruppe 4 zählen weiters Desinfektionsmittel, Laborabfälle, Quecksilber, Fotochemikalien und Chemikalienreste. Abfälle der Gruppen 3 und 4 sind aktuell kaum wiederverwertbar, hier wird noch viel Entwicklung nötig sein.
Ein genaues Abfallverzeichnis wurde 2017 vom Umweltbundesamt mit dem EDM-Portal (Elektronisches Datenmanagement – Umwelt) erstellt. Dort finden sich Referenzlisten zur ÖNORM 2104 mit den Schlüsselnummern der jeweiligen Abfälle.
Altmedikamente werden unter 53510 Punkt 7 als Problemstoffe gereiht, die wassergefährdend und schwermetallhaltig (z. B. Blei, Cadmium, Zink, Quecksilber, Selen) sind. Auch Kanülen und sonstige verletzungsgefährdende spitze oder scharfe Gegenstände, wie Lanzetten, Skalpelle u. dgl., fallen unter 97105 in denselben Punkt. Bei Tabletten aus der Hand einer Ärztin oder eines Arztes, bei sogenannten Ärztemustern, geht das Arzneimittelschutzgesetz davon aus, dass ein Zeitraum von zwei Jahren ab Zulassung zum Kennenlernen ausreicht. Nachher soll daher eine Ärztemuster-Abgabe nur noch in begrenzter Stückzahl erfolgen dürfen.
Grundsätzlich gibt es in der Biosphäre keine vollständigen Kreisprozesse, es wird immer nur ein Teil eines Abfalls recycelt. Nach Verbrennung mit 800 bis 1000 Grad sinkt das Müllvolumen um 90 %, die Masse um 60 %, Abgase können herausgefiltert werden, doch Reste sind besonders schadstoffbelastet (Schwermetalle, Dioxine) und müssen sorgfältig deponiert werden. In Asien wurde kürzlich ein Synthesegaskraftwerk in Betrieb genommen, das Müll von einer sehr belasteten Deponie als Brennstoff nutzt.
EH&S – Environmental, Health and Safety
Vermeiden steht in der Rangfolge vor recyceln und so sollen laut EU ab Anfang 2021 keine Plastik-Gegenstände verwendet werden, für die es schon bessere Alternativen gibt. Um Medizinmüll bestmöglich wiederverwerten zu können, soll ein Abfallprofi in die Ordination bzw. ins Spital eingeladen werden und eine nachhaltige Trennschulung durchführen. Etwas komplizierter ist es, biologisch leicht abbaubare Kunststoffe zu verwenden. Noch Zukunftsmusik sind neue Mikroorganismen, die eventuell eine durch Gentechnik erzeugte Abbauleistung bringen.
Aktuell kann bei der Vermeidung von Abfällen nicht die große Wunderlösung umgesetzt werden. Vielmehr sind es kleine Schritte, die in häufiger Anwendung einen Effekt erzielen. Moderne medizintechnische Geräte etwa peilen einen geringeren Anteil von chemischen Stoffen an. So enthalten die neuesten Computertomographen von Siemens nach Firmenangaben 80 % weniger Blei (statt 110 nur mehr 19 Kilogramm), verbrauchen um 30 % weniger Energie und erzeugen 58 % weniger Röntgenstrahlung als ihre Vorgänger. Aber auch gebrauchte Geräte können in den Dienst der Abfallvermeidung gestellt werden. Sie werden entweder in sozioökonomischen Betrieben eher handwerksmäßig repariert, z. B. Inkubatoren und Laborausrüstungen, oder einer aufwändigen qualitätsgesicherten Aufarbeitung in Fachwerkstätten unterzogen, z. B. der Hochleistungsstrahler des CT. In beiden Fällen verlängert sich der Lebenszyklus eines Produktes und Rohstoffe werden gespart. In der Steiermark haben sich die Grall Medizintechnik sowie die Leupamed Medizintechnik u. a. auf den Service von Medizingeräten spezialisiert.
AERZTE Steiermark 09/2019
Fotos: Creative Collection, Land Steiermark, Shutterstock,
Tabelle: Land Steiermark FA Abfall- und Stoffflusswirtschaft