Der „Neue“
Rudi Anschober steht vor großen Aufgaben als Sozial- und Gesundheitsminister. Wer ist der Neue an der Spitze der Gesundheitspolitik?
Der 59-jährige Spitzenpolitiker hat im künftigen Regierungsteam die längste Erfahrung mit einer Koalition von ÖVP und Grünen – zwölf Jahre lang währte die weitgehend friktionsfreie Partnerschaft in Oberösterreich. Als die Grünen gerade aus dem Nationalrat geflogen waren und in der Bundespolitik kaum mehr vorkamen, brachte er es mit seiner Initiative für Asylwerber in Lehre zu österreichweiter Beachtung.
Jetzt wechselt der passionierte Umweltpolitiker das Metier, die Sozialpolitik fällt in die Hände des 59-Jährigen, plus die Gesundheit, Letztere angesichts der zersplitterten Kompetenzen ein eher undankbares Ressort. Dazu verliert das Ministerium die Arbeit, was Anschober wohl zu so manchem Kompromiss mit Neo-Amtskollegin Christine Aschbacher (ÖVP) zwingen wird. Seine größte Aufgabe wird sein, ein zukunftsträchtiges Pflegekonzept auf den Weg zu bringen.
Anschober wurde von seinem Anti-Atom-Engagement in die Politik getrieben. Seit den 1980ern ist der gelernte Volksschullehrer politisch aktiv, 1990 zog er in den Nationalrat ein. In Oberösterreich war er u. a. Landtags-Klubobmann und Landessprecher. 2003 schmiedete er mit Josef Pühringer den österreichweit ersten schwarz-grünen Pakt auf Landesebene, er selbst wurde dadurch Umwelt-Landesrat.
Zwölf Jahre lang übte er dieses Amt als Junior-Koalitionspartner aus, in dieser Zeit hatte er auch die Energieagenden über und widmete sich stark der Energiewende. 2015 ging sich Schwarz-Grün wegen der Verluste der ÖVP – die Grünen hatten sogar dazugewonnen – nicht mehr aus. Seither ist Anschober nur mehr dank des von den Grünen so ungeliebten Proporzsystems Mitglied der Landesregierung. Sein Umweltressort wurde um die Agenden der Energie beschnitten, Schwarz-Blau hat die Ziele in Sachen Energiewende zurückgeschraubt.
„Den Stier bei den Hörnern packen“
Dafür betreute Anschober nun zusätzlich den Asyl- und Integrationsbereich. Um diese Aufgabe hatte er sich weder gerissen, noch damit gerechnet sie zu erhalten. Als Grüner in einer schwarz-blauen Landesregierung werde man bei dieser Thematik wohl keinen leichten Stand haben, meinte damals so mancher – vermutlich auch Anschober selbst. Aber er hat nach einer ersten Schockstarre beschlossen, „ den Stier bei den Hörnern zu packen “, wie er selbst sagte.
So hat er in der Materie seine zweite Bestimmung gefunden. Als Gründer der überparteilich angelegten Initiative „Ausbildung statt Abschiebung“ hat Anschober Sympathisanten unterschiedlicher politischer Lager um sich geschart, darunter auch einige prominente Wirtschafts- und ÖVP-Vertreter. Seinem künftigen Regierungspartner Sebastian Kurz warf er lange Gesprächsverweigerung in dieser Sache vor. Mittlerweile hat die ÖVP ihren Kurs etwas korrigiert und abgelehnte Asylwerber dürfen ihre Lehre zumindest abschließen.
Anschober gilt als arbeitswütig und durchaus auch als jemand, der sich selbst gut vermarktet, greift aber selten allzu tief in die Populismus-Kiste. Er kann in Oberösterreich auf höhere Bekanntheitswerte als so mancher Landesregierungskollege anderer Couleur verweisen. Für seine grünen Weggefährten war es lange Zeit schwierig, sich neben dem politisch sehr präsenten Anschober zu positionieren. Nach einer Burn-out-bedingten Auszeit 2012 trat der dem Realo-Flügel zugerechnete Anschober aber schließlich doch kürzer, gab die Parteispitze ab und war in erster Linie Landesrat. Dennoch blieb er für viele das Gesicht der oberösterreichischen Grünen.
Der Italien-Fan ist ein leidenschaftlicher Hobby-Gärtner, liest und kocht gerne – am liebsten bio und „flexitarisch“, also fleischarm. Ausgleich findet er beim Laufen oder bei Spaziergängen. Privat ist er mit einer Journalistin und Autorin liiert. Das Paar hat einen Hund, der seinen Besitzer in den vergangenen Wochen oft zu den Koalitionsverhandlungen nach Wien begleitet hat, und mehrere Katzen.
Aus medinlive 1/2020 (Ärztekammer Wien)
AERZTE Steiermark 01/2020
Foto: Land Oberösterreich/Stinglmayr