Druckvolle Vorhand – beeindruckende Karriere
Ob im Tennis, als studierende Dreifachmutter oder als Leiterin des Schwerpunktes für Brusterkrankungen an der Universitätsfrauenklinik: Gunda Pristauz-Telsnigg nimmt sich stets ein großes Pensum vor. Sie habe einfach „breite Schultern“, meint sie dazu.
Ursula Scholz
Von der Sandkiste direkt auf den Sandplatz. So lässt sich der Beginn der Tenniskarriere von Gynäkologin Gunda Pristauz-Telsnigg am besten beschreiben. „Ich war das jüngste von drei Kindern und meine Eltern haben mich einfach auf den Tennisplatz mitgenommen, wenn sie gespielt haben“, erzählt Pristauz-Telsnigg. „Zuerst war ich in der Sandkiste, dann habe ich den Ball an die Wand gepeppelt, bis meine Eltern nach ihrem Match ein paar Schläge mit mir gespielt haben.“ Wer nun meint, die junge Gunda sei ein leicht formbares Kind gewesen, das sich den Wünschen der Eltern einfach angepasst hätte, der irrt. Der Klavierunterricht war ihr eine Qual – und sie hat inständig darum gebeten, die Freizeit stattdessen in Tennis investieren zu können. Eine Investition, die sich gelohnt hat: das Dranbleiben, das konsequente Training – und die Bereitschaft, ihr Talent auch im Wettbewerb zu beweisen.
Ruf in die USA
Schon im ersten Studienjahr an der Karl-Franzens-Universität erreichte sie ein Anruf aus dem steirischen Tennisverband, ob sie nicht Lust hätte, mit einem Sportstipendium in die USA zu übersiedeln. Eine Repräsentantin der Marshall University in Huntington, West Virginia, hatte ein Stipendium zu vergeben, kontaktierte einen ihr bekannten Professor an der KFU, der sich wiederum beim Tennisverband erkundigte, wer dafür in Frage käme. Pristauz-Telsnigg hatte schon Bronze in der Österreichischen Jugendmeisterschaft in der Tasche und war mehrfach steirische Damenmeisterin in der allgemeinen Klasse – also erging der Anruf an sie. „Ich habe keinen Tag lang überlegt und auch meine Mutter, eine Englischprofessorin, hat mich in meinem Vorhaben bestärkt.“ Sie packte ihre Siebensachen und zog nach West Virginia.
Zwei Jahre lang studierte sie „Pre-Medicine“ an der Marshall University, was ungefähr den vorklinischen Fächern entspricht. Daneben spielte sie eifrig in der College League Tennis; mehrmals war sie sogar „ Most Valuable Player “ der Southern Conference in der Tennis College League. „Ich hätte weitere zwei Jahre bleiben können, aber mehr Prüfungen wären mir in Österreich nicht aufs Studium angerechnet worden.“
Doch nicht Profi
In der College League wurde sie hochprofessionell betreut: inklusive Athletiktraining, Physiotherapie und Mentalcoaching. „Die Divisionen der College League sind auch ein Publikumsmagnet, füllen ganze Stadien mit lauter Menschen im Dress der jeweiligen Unis“, erzählt sie von einer fremden Welt. Auch Profis werden aus den College Leagues rekrutiert – so etwa die derzeit aktiven Tennisspieler Kevin Anderson oder John Isner. Aber Profisport kam für Pristauz-Telsnigg nicht in Frage. „Abseits vom Platz war ich eher trainingsfaul.“ Wobei zu beachten ist, dass jenes Pensum, das bei ihr noch unter „eher faul“ fällt, für viele andere wohl schon die Maximalleistung darstellt. Denn Gunda Pristauz-Telsnigg hat es sich nie einfach gemacht: Noch im Studium bekam sie zwei Kinder, übersiedelte nach Wien, wo ihr Mann an der BOKU studierte, und beide zogen trotz Elternschaft ihr Studium unbeirrt durch. In ihrem Turnus kam dann der dritte Sohn zur Welt, heute 17 Jahre alt – und auf dem Weg zum Tennisprofi.
„Konsequent und diszipliniert“
Die Wahl des Faches Frauenheilkunde und Geburtshilfe erfolgte in der Famulatur, aber wohl nicht ganz unbeeinflusst von der eigenen Lebenssituation. „Nach der Promotion konnte ich in meiner Heimatregion auf der gynäkologischen Abteilung in Judenburg anfangen, wo ein Tennisfreund als Arzt gearbeitet hat. Dort hat es mir sofort gefallen – zunächst hauptsächlich die Geburtshilfe.“ Mittlerweile hat sich ihr Fokus verschoben, die heute 48-Jährige hat sich auf Onkologie spezialisiert und leitet den Schwerpunkt für Brusterkrankungen an der Universitätsfrauenklinik und ist stellvertretende Leiterin des Subzentrums Brust des CCC Graz .
Das Fach liebt sie noch immer, wie sie glaubhaft versichert: „Es ist so breit und so spannend!“ Ohne diese Begeisterung hätte sie wohl auch nicht mitten in der intensiven Mutterphase eine Facharztprüfung geschafft. „Nach dem Kinder-Niederlegen habe ich halt bis Mitternacht gelernt.“ Ans Aufgeben habe sie nie gedacht. „Sport und Medizin brauchen jeweils viel Hartnäckigkeit, man muss einfach konsequent und diszipliniert sein. Aber mein Mann und ich waren damals ja noch jung und haben prinzipiell beide ,breite Schultern’. Wir sind belastbar – und wir wurden von meiner Familie unterstützt.“
In der Bundesliga 35+
Neben den breiten Schultern zeichnet die druckvolle Vorhand Pristauz-Telsnigg aus. Beim Tennis. Außerdem ein gutes Auge, besser gesagt dessen Vernetzung mit einem rasch arbeitenden Gehirn. „Ich kann meine Gegnerin gut lesen, das heißt, ich habe ein gutes Gespür dafür, wohin sie spielen wird.“ Ohne ihren jüngsten Sohn würde ihr Tennis-Talent vermutlich trotzdem brach liegen und das Ehepaar Pristauz-Telsnigg/Ehrenhöfer (jeder blieb bei seinem Namen) würde wohl nur mehr golfen.
„Der Tennislehrer meines Jüngsten, der früher mein Tennislehrer-Kollege gewesen war, meinte, ich solle doch auch wieder anfangen. Das habe ich getan – und bin sehr froh darüber.“ Pristauz-Telsnigg wurde wieder erfolgreich und spielt heute in der Tennis-Bundesliga 35+ (und auch schon in 45+), in einem harmonischen Frauenquartett. Besonders genießt sie auch das Eingebundensein in den Club und die vielen Tennis-Freundschaften. „Auch wenn ich gerne Golf spiele, bleibt Tennis meine große Liebe.“ Eine Liebe, die sie auch im Winter wöchentlich pflegt; im Sommer trainiert sie zwei- bis dreimal pro Woche. Dazu kommen die Wettbewerbe, wo ihr Team vom UWK Graz schon mehrmals österreichischer Meister war.
Autonomie und Strukturen
Ihr Ziel im Tennis besteht darin, „möglichst lange noch gesund und verletzungsfrei zu spielen“. Für die fernere Zukunft liebäugelt sie durchaus mit der Liga 65+, obwohl sich ihr Schwerpunkt vom Wettkampf langsam, aber stetig in Richtung Spaß verlegt. Als Gynäkologin, wo sie aktuell als Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OeGGG) amtiert, widmet sie sich an der gerade sehr dynamischen Gynäkologischen Abteilung der Grazer Frauenklinik einerseits ihrem fachlichen Schwerpunkt und andererseits der Ausbildung der Jungen. „Die Jungen von heute sind anders als wir damals waren. Die brauchen viel Autonomie, aber gleichzeitig sehr klare Strukturen.“ Ein Balanceakt, bei dem ihr vielleicht auch die Erfahrung mit den eigenen Kindern zugutekommt, die wiederum sehr verschieden sind.
Der Älteste – er ist Profibeachvolleyballer und hat sich im Herbst bei der EM in Moskau die Bronzemedaille geholt – und der Jüngste haben sich dem Profisport zugewandt. Der Mittlere studiert Transmediale Kunst an der Wiener Universität für Angewandte Kunst. „Er ist ein Sporthasser“, kommentiert die Mutter ohne jegliches Bedauern. „Das ist wunderbar. So komme ich auch immer wieder einmal auf Vernissagen.“
AERZTE Steiermark 03/2020
Fotos: beigestellt