„Impfen, Impfen, Impfen“
Alle fiebern – zu Recht – einer COVID-19-Impfung entgegen. Eine Frage stellt sich aber: Wird sie auch genutzt werden, wenn es sie gibt? Die steirischen Masern-Impfzahlen sprechen dafür, Werte zur österreichischen Influenza-Impfbeteiligung weniger.
Intensiv arbeiten Wissenschaft und Pharmaindustrie an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen COVID-19. Aber die wirkliche Arbeit beginnt wohl erst dann, wenn es diesen Impfstoff geben wird. Dann geht es nämlich darum, die Menschen davon zu überzeugen, sich auch impfen zu lassen. Wie schwierig das werden könnte, zeigt die (per Umfrage erhobene) Influenza-Impfbeteiligung in Österreich: Nur 10 Prozent haben sich demnach (die Feldarbeit erfolgte im März 2019) gegen die saisonale Grippe impfen lassen – trotz vieler Appelle über die Medien.
Dabei haben laut derselben Umfrage 83 Prozent eine sehr oder eher positive Einstellung zum Impfen. Durch mangelndes Wissen ist diese Diskrepanz kaum zu erklären: Die Influenzaimpfung hat eine gestützte Bekanntheit von 94 Prozent. Eine plausiblere Erklärung ist die fehlende Angst vor der Grippe: Unter den 60–69-Jährigen, die sich zu Recht mehr Sorgen um ihre Gesundheit machen, ist die Influenza-Impfbeteiligung nämlich doppelt so hoch wie in der Gesamtpopulation.
Angesichts der hohen COVID-19-Sensibilität und -Angst ist also zu hoffen, dass sich dagegen mehr impfen lassen werden als gegen die oft verharmloste Influenza – die nehmen offenbar viele auf die leichte Schulter, bis sie eine schwere Krankheitserfahrung machen.
COVID-19 könnte aber die Bedrohlichkeit verlieren, wenn eine ursächliche Therapie und eine Impfung verfügbar sind. Es wäre also denkbar, dass die Möglichkeit der Impfung die Bereitschaft senkt, sie auch in Anspruch zu nehmen und sich damit zu schützen. Ein Dilemma.
„Nach dem Testen, Testen, Testen kommt das Impfen, Impfen, Impfen“, sagt auch der Obmann der Wissenschaftlichen Akademie für Vorsorgemedizin (WAVM), der Birkfelder Allgemeinmediziner Michael Adomeit.
Zuwächse bei MMR
Die beharrliche und zielgerichtete Impfkommunikation hat in den letzten Jahren bei den Gratis-Kinderimpfungen einiges an Verbesserungen gebracht. Der letztjährige Masernausbruch (angesichts der Corona-Krise schon fast wieder vergessen) hat die Impfbereitschaft zusätzlich kräftig erhöht: Vollständigen Impfschutz (2 Teilimpfungen MMR) haben mit 15. März 2020 – bezogen auf die Geburtenjahrgänge 2013 bis 2016 – knapp 84 Prozent. Wobei sich die Werte zwischen mehr als 89 Prozent im Bezirk Südoststeiermark und weniger als 75 Prozent im Bezirk Liezen bewegen.
Bezogen auf die 1. Teilimpfung MMR liegen die Impfquoten noch deutlich darüber, nämlich bei mehr als 90 Prozent. In einigen Bezirken und für manche Jahrgänge ist die „magische“ Impfbeteiligungsmarke von 95 Prozent sogar erreicht bzw. überschritten.
Impfpflicht?
Die aktuelle Corona-Krise führt auch (wieder) zur Frage, ob die Impfinformation nicht durch eine Impfpflicht ergänzt bzw. verstärkt werden sollte – wobei im Fall von COVID-19 die Impfpflicht debattiert wird, noch bevor es einen Impfstoff überhaupt gibt.
Eine heiße Diskussion darüber ist insbesondere in Italien entbrannt. Für die Impfpflicht hat sich laut Medienberichten – unter anderem auf dem Südtiroler Nachrichtenportal stol.it – der italienische Vize-Gesundheitsminister Pierpaolo Sileri stark gemacht: „Angesichts der Schäden, die das Virus angerichtet hat, müsste die Impfung gegen Covid-19 Pflicht sein. Wenn einmal Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffs garantiert sind, müssten alle geimpft werden, so dass sich niemand mehr anstecken kann“, zitiert ihn das Portal. Es gibt aber auch Widerspruch, nicht nur von radikalen Impfgegnern der No-Vax-Bewegung: „Die Italiener haben die Angst vor der Krankheit persönlich erlebt und werden sich freiwillig impfen lassen“, glaubt der Arzt und prominente Public-Health-Experte Walter Ricciardi, der auch die italienische Regierung berät und im European Advisory Committee on Health Research (EACHR) der Weltgesundheitsorganisation WHO sitzt.
„Ein sicherer COVID-19-Impfstoff würde der erste Erfolg sein. Komplett ist der Erfolg aber erst dann, wenn es gelingt, viele Menschen dazu zu bringen, sich impfen zu lassen“, mahnt jedenfalls der steirische Ärztekammerpräsident Herwig Lindner.
Ein Asset hat die Steiermark jedenfalls: Die steirische Gesundheitslandesrätin und ehemalige TU-Professorin Juliane Bogner-Strauß ist so wie schon ihre Vorgänger eine engagierte Kämpferin für den Impfschutz. Damit gibt es den nötigen politischen Rückhalt, wenn es um die Stärkung der Impfbeteiligung geht.
AERZTE Steiermark 05/2020
Chart: Conclusio