Gedanken zu Corona-Tests – und was uns sonst noch helfen kann
Fachliche Aspekte zu Diagnostik und Prävention von SARS-CoV-2.
Vor einem halben Jahr war die Möglichkeit des Direktnachweises von SARS-CoV-2 nur ein paar Labors weltweit vorbehalten. Mittlerweile ist der Corona-PCR-Test an vielen Institutionen etabliert und zählt zu einer der (nach)gefragtesten Laborleistungen im gesamten mikrobiologisch-diagnostischen Spektrum. Zu Recht? Sein Ergebnis ermöglicht prinzipiell Entscheidungen, die – wie wir in den letzten Monaten vielerorts erfahren haben – von höchster klinischer Relevanz, aber auch von großer gesellschaftlicher Tragweite sein können.
Kaum ein anderer mikrobiologischer Erregernachweis stand je so im Fokus von Expertendiskussionen, war Spielball politischen Diskurses, Rettungsanker für im Sturm der Pandemie verloren geglaubte Kohorten von Verdachtspatientinnen und -patienten, diente als Schlüssel gleichsam zur Ausrufung wie zum Schließen von (zugewiesenen) COVID-Bereichen in Krankenanstalten.
In vielen dieser Funktionen war es jedoch nicht das Test-Ergebnis selbst, das die ersehnten Antworten lieferte, sondern die bloße Verfügbarkeit von Tests, die zur alles entscheidenden Kraft erhoben wurde. Die Sorge um angemessene Quantität schien die Qualität der Sorgfalt im Umgang mit der Indikation und dem Resultat eines Tests zu dominieren.
Die Erfahrungen aus der ersten COVID-19-Welle haben uns vor Augen geführt, dass die weltweite Verknappung von Test-Kits, die auch hierzulande spürbar war, den Wunsch und das Bedürfnis nach dieser begehrten Ressource noch weiter gesteigert hat, dieses Bedürfnis jedoch nicht immer gestillt werden konnte.
Deshalb scheint es umso wichtiger, sich in der Vorbereitung für die anstehende, und höchstwahrscheinlich infektiologisch wie auch krankenhaushygienisch herausfordernde Herbst- und Wintersaison kritisch die Frage zu stellen, welchem Zweck die Ressource Corona-PCR untergeordnet werden soll.
Der unkritische Ruf nach „Testen, Testen, Testen!“ ist der gewissenhaften Vorbereitung genauso wenig zuträglich wie mehrtägige Wartezeiten auf Testtermine und -ergebnisse; hier ist Differenzierung nötig, einerseits um Gesunde nicht krank zu testen, andererseits um eine Verbreitung und den Eintrag von SARS-CoV-2 in sensible Bereiche bestmöglich zu unterbinden.
Differenziertes System zur Infektionsprävention
Mit diesen Gedanken im Hintergrund wollten wir am Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie (IKM) der KAGes die Erfahrungen der letzten Monate unter anderem dazu nutzen, ein differenziertes System zur Infektionsprävention zu fördern, das Corona-Tests miteinbezieht, jedoch auch deren Grenzen in Bezug auf Transmissionsprävention aufzeigt. So können wir hoffentlich einen Beitrag dazu leisten, den Spagat zwischen Bedürfnis und realem Nutzen sowie lokaler Verfügbarkeit ressourcenschonend und vor allem im Sinne der Patient*innensicherheit zu bewältigen. Mit einem System, das horizontale infektionspräventive Maßnahmen niederschwellig anbietet, und dort, wo notwendig, gezielt erweiterte diagnostische, therapeutische sowie präventive Schritte setzt.
Unsere Präventionsmaßnahmen fußen auf drei Prinzipien zur Unterbrechung des Übertragungsweges von respiratorischen Infekten: der Unterbrechung der Übertragung des Erregers über die Luft oder über Oberflächen, der Unterbindung der Freisetzung des Erregers an der Quelle, und dem Schutz empfänglicher Personen.
Respiratorische Tröpfchen werden beim Niesen und Husten, aber auch beim lauten Sprechen mit hoher Geschwindigkeit emittiert und können hierbei Distanzen von rund zwei Metern überwinden. Somit kann zur Unterbrechung der Übertragung von SARS-CoV-2 über die Luft die Wahrung eines empfohlenen Abstandes von eben diesen rund zwei Metern dienen.
Händehygiene und Desinfektion
Eine kontaktassoziierte Übertragung von SARS-CoV-2 kann als indirekte Übertragung über mit Atemwegssekret kontaminierte Vehikel erfolgen. Wesentliche Präventionsmaßnahmen sind daher Händehygiene sowie das Vermeiden des Kontaktes der Hände mit Mund, Nase und Augen. Eine Intensivierung der Flächendesinfektion in belasteten Bereichen kann dazu beitragen, die Erregerlast auf potenziell kontaminierten Oberflächen zu reduzieren, und somit das Inokulum unter die für COVID-19 notwendige Infektionsdosis zu senken.
Über die Effektivität von Mund-Nasen-Schutz bzw. Schutzmasken hinsichtlich der Unterbindung der Erregerfreisetzung an der Quelle, als auch über die Schutzwirkung für den Träger selbst, wurde seit Anbeginn der Pandemie kontrovers diskutiert. Aktuelle Reviews klinischer Studien zeigen nun klar auf, dass – ausgenommen bei aerosolinduzierenden Tätigkeiten – das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes sowohl für den Träger als auch für Dritte eine zur FFP2-/3-Maske vergleichbare Schutzwirkung aufweisen kann.
Hieraus soll als wirksame und niederschwellig zugängliche horizontale Präventionsmaßnahme für Patient*innen sowie Mitarbeiter*innen und Besucher*innen in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen ein Mund-Nasen-Schutz-Tragegebot abgeleitet werden, dessen Effektivität natürlich stark an unsere diesbezügliche solidarische Adhärenz (Einhaltung der gemeinsam von PatientIn und BehandlerIn gesetzten Therapieziele; ähnlich Compliance, red.) gekoppelt ist.
Um dem Gebot des Schutzes empfänglicher Personen, Mitarbeiter*innen wie Patient*innen, bestmöglich nachzukommen, kommt als vertikale Strategie der risikobasierte Einsatz von FFP2-/3-Atemschutzmasken zum Tragen. Diese Bestandteile der persönlichen Schutzausrüstung sind nur dann notwendig, wenn sich aus der Behandlungssituation das Risiko der Inhalation infektiöser Tröpfchenkerne ergibt, wie es bei aerosol-generierenden Situationen, wie etwa trachealer In- und Extubation oder nicht-invasiver Beatmung, der Fall sein kann, bzw. in Situationen, in denen ein überdurchschnittlich hohes Risiko eines SARS-CoV-2-Kontaktes besteht. Zu solchen Situationen zählen Settings mit tendenziell häufigerem Kontakt zu Patient*innen mit den Symptomen Husten, Fieber, Dyspnoe, insbesondere bei gleichzeitig hoher, nicht planbarer Patient*innenfrequenz. Nicht nur bei der Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung, auch beim Einsatz von Corona-Tests wollen wir uns um risikobasierte, differenzierte Zugänge bemühen. Die eingangs erwähnte Ressourcenknappheit könnte uns wieder ereilen, wenngleich die Versorgungssituation derzeit gesichert erscheint, und wir alle unser Möglichstes dazu beitragen, um die Fallzahlen gering zu halten.
Aus diesem Grund muss ein unbedachter Umgang mit Testressourcen genauso vermieden werden wie eine unkritische Anwendung von Masken, Mänteln und anderen Elementen der persönlichen Schutzausrüstung. Mit einer strengen Indikationsstellung zur Corona-PCR können wir einen Beitrag leisten, um Testressourcen zu schonen, und unnötige Verunsicherung bei Ärzt*innen wie Patient*innen hintanzuhalten.
Unser Versuch eines multimodalen Ansatzes zur COVID-Prävention in der KAGes umfasst neben der Bereitstellung von State-of-the-art-Guidelines zum Hygiene-Management auch einen reflektierten Blick auf die Indikationen für einen Corona-PCR-Test.
Immer medizinische Indikation
Sehen wir diese Untersuchung als das, was sie ist: ein diagnostisches Instrument zur Abklärung einer konkreten Fragestellung. Sehen wir in ihr jedoch nicht den omnipotenten Troubleshooter, der uns Problemlösung verspricht, wo es keine Probleme gibt, oder vermeintliche Sicherheit gibt, die trügerisch bis gefährlich sein kann.
Nutzen wir zur Prävention von COVID in einem ersten Schritt unseren Hausverstand und unser Wissen um die Transmissionswege von durch Tröpfchen übertragenen Infektionserregern, um uns, unsere Patient*innen sowie unsere Mitmenschen durch niederschwellige horizontale Maßnahmen zu schützen.
Setzen wir danach zusätzlich gezielt vertikale Präventionsmaßnahmen sowie dort wo notwendig diagnostische Schritte, um unser Bild der Situation zu vervollständigen.
Als Grundlage für eine Testung sollte immer eine medizinische Indikation bestehen!
Der hierzu in vielen Fällen erwachsende Widerspruch durch rein formell-legistisch motivierte Untersuchungen liegt auf der Hand – auf die zum Teil unlösbaren Verstrickungen, die sich aus den Vorgaben des Epidemiegesetzes in Kombination mit einem demnächst vermutlich endemischen Erreger ergeben, soll in diesem Kontext jedenfalls hingewiesen werden.
Der Real-Time-PCR-Test weist mit hoher Sensitivität und Spezifität den Erreger SARS-CoV-2 aus respiratorischen Proben nach. Einem einmalig positiven Testergebnis in Zusammenschau mit der dahinterstehenden konkreten Fragestellung (klinischer Verdacht, epidemiologischer Zusammenhang) kann und soll auch vertraut werden; die Mehrfach-Testung einer positiven Patientin bzw. eines positiven Patienten kann im Regelfall unterbleiben.
Ebenso bedarf es keines weiteren PCR-Tests, um Patient*innen nach leichtem Krankheitsverlauf aus einer Absonderung zu entlassen. Die Kriterien hierfür sind: frühestens Tag 10 nach Symptombeginn und mindestens 48 Stunden Symptomfreiheit. Für Patient*innen nach schwerem Krankheitsverlauf wird jedoch als weiteres Kriterium zur Aufhebung der Absonderung eine negative PCR-Untersuchung gefordert.
Neben der Testung von symptomatischen Patient*innen ist die Testung von Kontaktpersonen zu COVID-19-Patient*innen eine infektionspräventiv wichtige Indikation für die Corona-PCR. Für die Wahl des richtigen Testzeitpunktes gilt es zu berücksichtigen, dass asymptomatische Kontaktpersonen frühestens nach einer bestimmten Latenzzeit nach stattgehabtem Kontakt im Falle einer Ansteckung ein positives Testergebnis zeigen können. Es macht also keinen Sinn, noch am selben Tag des Kontaktes zum COVID-Indexfall, Kontaktpersonen (Mitarbeiter*innen und Patient*innen) zu testen; hierfür sollte eine Latenzzeit von rund 48 Stunden abgewartet werden.
In diesem Zusammenhang soll erwähnt werden, dass ausschließlich ungeschützte Kontakte zu bestätigten COVID-Fällen einer PCR-Testung zugeführt werden sollen. Kontakte zu Verdachtsfällen oder Personal, welches unter Wahrung der gebotenen Schutzmaßnahmen Kontakt hatte, sind im Regelfall genauso wenig zu testen wie Kontakte zu symptomlosen Kontakten von COVID-Fällen.
Können relevant exponierte Mitarbeiter*innen eines Gesundheitsdienstleisters als sogenanntes „versorgungskritisches Personal“ unter Einhaltung besonderer Vorsichtsmaßnahmen (Tragen von FFP2/3-Maske ohne Ventil, Selbstdokumentation des Gesundheitszustandes) weiterarbeiten (ein dahingehend positiver Bescheid der Behörde vorausgesetzt), sollte ein zweiter PCR-Test am Tag 5–7 nach Letztkontakt zum Indexfall angestrebt werden. Die tägliche Testung solcher asymptomatischen Kontaktmitarbeiter*innen ist im Sinne der Ressourcenschonung keinesfalls sinnvoll und auch aus infektionspräventiver Sicht nicht zweckmäßig.
Die geschilderten besonderen Vorsichtsmaßnahmen sollen bewirken, dass im Falle einer Infektion diese frühestmöglich erkannt sowie eine Übertragung auf andere Personen durch Verwendung der indizierten persönlichen Schutzausrüstung höchstmöglich vermieden wird. Als wichtigstes Element der persönlichen Schutzausrüstung kann in diesem Fall die FFP2/3-Maske ohne Ausatemventil genannt werden. Ein durchgehendes, unreflektiertes Tragen von Schutzhandschuhen für exponierte Personen stellt hingegen keine aussichtsreiche Maßnahme zur COVID-Prävention dar und sollte daher durch die anlassbezogene Verwendung von Schutzhandschuhen, wie im Rahmen der Standardhygiene üblich, ersetzt werden.
Zweifelhafter Ruhm
Als weitere Indikation, in der die Corona-PCR als transmissionspräventives Heilmittel zu zweifelhaftem Ruhm gelangte, ist die unkritische Testung von Patient*innen aus Pflegeheimen vor stationärer Aufnahme zu nennen. Pflegeheime waren zu Hochzeiten der ersten Corona-Welle immer wieder Zentren lokal erhöhter SARS-CoV-2-Aktivität, haben sich aber in den letzten Monaten, auch dank hoher Hygienestandards, als Fallzahl-stabile Einrichtungen gezeigt, deren pauschale Konnotation als COVID-Hochrisikoinstitution eine fachlich ungerechtfertigte Unterstellung darstellt, auf die nicht mit ungerichteten PCR-Tests für Bewohner*innen reagiert werden darf, nicht zuletzt um eine Stigmatisierung dieser Einrichtungen und der darin betreuten und arbeitenden Menschen zu vermeiden.
Neben dem gezielten Einsatz der Corona-PCR für Bewohner*innen von Pflegeheimen bei klinischer und/oder epidemiologischer Indikation, ist die weiterhin ausreichende Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung sowie personeller und fachlicher Ressourcen entscheidend, um den Menschen und seine Symptome in den Vordergrund zu rücken, und nicht die Institution zum Symptom und somit zum Auslöseereignis für einen Test werden zu lassen.
Die Kette der Infektionsmedizin ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Diagnostik, Therapie und Prävention müssen in Zeiten wie diesen mehr denn je einander optimal unterstützen. Ein Teilbereich alleine wird SARS-CoV-2 weniger Einhalt gebieten als ein akkordiertes Miteinander. In diesem Sinne: Setzen wir nicht alles auf eine Test-Karte – den somit längeren Atem können wir gut brauchen.
Prim. Klaus Vander ist ärztlicher Direktor des Instituts für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie der KAGes. Als Krankenhaushygieniker der KAGes ist der Facharzt für Klinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene für die fachlichen Vorgaben zur krankenhaushygienischen Versorgung der steirischen Landesspitäler verantwortlich.
Dr. Georg Steindl ist Oberarzt am Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie der KAGes und kümmert sich innerhalb des Bereiches der Klinischen Krankenhaushygiene unter anderem
um das Hygienemanagement von Patient*innen (v. a.) mit COVID-19.
AERZTE Steiermark 09/2020
Foto: KAGes/LKH Graz II, AdobeStock