AERZTE Steiermark 04/2025

 

Bergrettung: Einsätze in absoluten Ausnahmesituationen

Der steirische Arzt Severin Noiges ist neben seinem Job als Unfallchirurg in Ausbildung in Schladming für die Bergrettung Steiermark im Einsatz. Kletterkönnen, Fitness und mentale Stabilität sind gefragt, wenn er mit seinen Kolleg:innen in der Ramsau ausrückt. Schließlich geht es manchmal darum, einen Verletzten mitten in einer Felswand zu versorgen.

Ein Paragleiter hängt verletzt in einer Felswand fest, bei einem Lawinenabgang gibt es Verletzte oder ein verletzter Wanderer muss aus schwer zugänglichem Gelände geborgen werden.  Jedes dieser Szenarien kennt Severin Noiges. Denn jedes kann Ausgangspunkt für seinen Einsatz sein. Der steirische Arzt arbeitet seit zehn Jahren bei der Bergrettung Steiermark, neben seinem Job in der Abteilung Orthopädie und Traumatologie an der Klinik der Diakonissen in Schladming.

„Nach der Matura war mir klar, dass ich so wie meine Brüder einen Hochschulabschluss machen möchte. Durch den Zivildienst in Schladming kam dann das Interesse an der Medizin. Ich habe als Zivi bei der Rettung gearbeitet und dort waren in der Wintersaison Sportverletzungen sozusagen unser Hauptgeschäft“, erzählt er. Die Aufnahme zum Medizinstudium klappte dann gleich beim ersten Mal und „vor allem in den anatomischen Fächern war mein Interesse groß, daher war mir von Anfang an klar, dass ich mich auf die Unfallchirurgie spezialisieren will“, sagt Noiges. Während des Studiums begann der aus Ramsau am Dachstein Gebürtige mit dem Klettersport, auf den Schiern stand er ohnehin schon seit seinem dritten Lebensjahr. Schitouren, alpiner Bergsport und Sportklettern waren in Kombination mit dem Medizinstudium dann die idealen Voraussetzungen für die Bergrettung. „Sie haben mich mit offenen Armen empfangen“, erinnert sich Noiges.

Anspruchsvolles Gelände

Über das so genannte MOPS-System alarmiert die Landeswarnzentrale die Mitglieder der Bergrettung im Falle eines Einsatzes. „Alle, die Zeit haben, sagen dann über diese App zu. Meist sind mindestens 10 bis 15 Leute dabei – und das zu jeder Uhrzeit. Wichtig sind die Bergführer, da wir in der Ramsau meist in anspruchsvollem Gelände unterwegs sind. Als Arzt werde ich gerne an vorderster Front mitgenommen. Da ich auch im höheren Grad klettere, muss ich meist gleich mit einem Bergführer mit hinauf. Man kann mich in die Wand mitnehmen und ich komme auch im Winter gut zurecht“, erklärt der Bergretter.

Motivierend

Die Einsätze sind oft sehr fordernd, aber sie geben einem auch etwas zurück, sagt Severin Noiges: „Letztes Jahr um diese Zeit haben wir einen Paragleiter geholt, der in den Südausläufern der Scheichenspitze abgestürzt ist. Er hat sich nur mehr mit einer Hand an gewissen Strukturen im Fels festgehalten. Das Gelände war nicht gut erreichbar. Wir sind zu viert vom Hubschrauber in die Nähe des Verunglückten geflogen, zu ihm abgeseilt worden und haben den Verletzten schließlich mit dem Flaschenzug hochgeholt. Er hatte unter anderem eine Milzruptur, Becken- und Wirbelsäulenverletzungen, war aber hart im Nehmen. Wir haben ihn in der Wand erstversorgt, bevor er mit dem Tau geborgen wurde. Jetzt, ein Jahr später, hat er uns geschrieben, dass er wieder fliegt und der Bergrettung ein großes Dankeschön ausgesprochen. Das ist schon sehr motivierend.“

Während im Winter eher nur ein bis zwei Einsätze pro Monat anstehen, wird die Bergrettung im Sommer mindestens einmal pro Woche gerufen. Gerade auf den Klettersteigen passiere viel, da dieser Sport einen ziemlichen Hype erfahren habe, sagt der erfahrene Arzt. Gut ausgerüstet seien die Sportler:innen meist schon, meint er: „Aber viele überschätzen sich, vernachlässigen die Tourenplanung, kennen sich mit ihrem Equipment nicht wirklich gut aus oder kümmern sich nicht um das Wetter. Dabei geht gerade vom Wetter bzw. von einem Wetterumschwung eine große Gefahr aus.“

Mit minimalsten Mitteln

In seiner Ortsstelle der Bergrettung engagiert sich Severin Noiges gemeinsam mit weiteren Notfallsanitätern auch für die interne medizinische Fortbildung. „Die Kameraden sind froh, wenn sie einem Mediziner direkt die verschiedensten Fragen stellen können. Bei Einsätzen in der Bergrettung ist man von den Möglichkeiten her auf ein Minimum reduziert. Da hat man nicht die Möglichkeiten wie in einem Schockraum und muss dennoch arbeiten und schnelle Entscheidungen treffen.“ Er könne es allen Ärzt:innen, die versierte Bergsportler:innen seien, nur nahelegen, sich in der Bergrettung zu engagieren, so Noiges. Natürlich müsse man gewisse Anforderungen – Kletterkönnen, Tourenberichte von mehreren Alpinklettertouren, schifahrerisches Können, körperliche und psychische Fitness sowie mentale Stabilität – erfüllen. „Denn man ist in absoluten Ausnahmesituationen und dann geht es neben dir auch noch 500 Meter hinunter. Oft ist man der einzige Mediziner am Berg, der mit minimalsten Mitteln schwerste Notfälle in den Griff kriegen muss.“ Interessierte sollen sich auf jeden Fall bei jeder Ortsstelle der Bergrettung melden, empfiehlt er.

Übrigens, Erholung findet der Steirer natürlich auch in den Bergen: Neben seiner Arbeit in der Unfallchirurgie in Schladming, wo im Winter bis zu 200 Frischverletzte pro Tag zu versorgen sind, und den Einsätzen für die Bergrettung, schnallt er dennoch immer wieder auch privat die Tourenschi an oder geht anderen Freizeitaktivitäten in den Bergen nach.

 

Fotocredit: beigestellt