AERZTE Steiermark 02/2024

 

Achtung Wien, wir kommen!

Der scheidende Rektor der Medizinischen Universität Graz, Hellmut Samonigg, im AERZTE Steiermark-Gespräch über Gelungenes und Notwendiges.

 

AERZTE Steiermark: Was ist Ihnen wichtiger, die „Don’t Smoke“-Kampagne oder der Campus der Med Uni Graz?

Samonigg: Es ist für mich sehr erfreulich, dass beides durch mein Zutun schlussend­lich erfolgreich umgesetzt werden konnte. Natürlich hat die Kampagne für den Nichtraucherschutz österreichweite Wirkung entfaltet. Mit der Umsetzung des Medizinischen Campus ist andererseits ein Meilenstein für die Entwicklung der Medizinischen Universität Graz gelungen.

 

Sind Sie mit dem Rückgang der Raucher-Zahlen aufgrund der „Don‘t smoke“-Kampagne zufrieden?

Samonigg: Der Rückgang ist positiv. Aber wir sind noch nicht dort angelangt, wohin wir sollten. Die furchtbaren Prophezeiungen etwa vom Niedergang der Gastronomie durch das Rauchverbot in den Gaststätten sind definitiv nicht eingetroffen.  

 

2016 haben Sie die Kooperation mit der KAGes als sehr wichtigen Schritt in die richtige Richtung bezeichnet. Was muss noch geschehen, damit man von einem Zieleinlauf sprechen kann?

Samonigg: Da gibt es keinen Zieleinlauf, es ist ein kontinuierlicher Prozess. Den müssen wir weiter verstärken. Denn die KAGes und die Medizinische Universität haben zwar teils unterschiedliche Anliegen, die sich aus der Rolle ergeben. Sie haben aber auch viele gemeinsame Ziele. Die lassen sich nur gemeinsam erreichen. Es war nicht immer einfach, aber wir haben eine gute gemeinsame Basis gefunden. Das war mit Tscheliessnigg so und das ist jetzt auch mit Stark so.

 

Die Med Uni Graz ist im Times-Higher-Education- Ranking (THE) unter den TOP 200 der Medizinischen Universitäten. Ist da noch mehr möglich? Was muss dafür passieren?

Samonigg: Wir haben es als einzige Medizinische Universität in Österreich das erste Mal im Jahr 2022 geschafft, in die Gruppe der 200 weltbesten Universitäten aufzurücken. THE hat nunmehr zuletzt die Bewertungskriterien geändert, und deshalb verloren  alle österreichischen Medizin-Universitäten Plätze. Wir sind also genauso wie die Med Uni Wien vorübergehend ganz knapp aus den Top 200 herausgerutscht. Im ‚Young-University-Ranking‘ sind wir ganz weit vorne und dabei in den letzten Jahren auch Schritt für Schritt nach vorne marschiert. Wir können also international aufzeigen. Natürlich gibt es noch Luft nach oben. Aber unser finanzieller Background ist viel bescheidener als der vieler anderer Universitäten in Europa, USA und Asien, die in den Rankings daher vor uns liegen. Wir wollen aber nicht jammern, sondern freuen uns über die gute Entwicklung. Wir versuchen, mit dem Geld, das uns zur Verfügung steht, das Beste zu machen. Wir finden internationale Beachtung und haben uns sehr gut entwickelt. Wir konnten für Professuren immer wieder hochinteressante Persönlichkeiten für die Med Uni Graz gewinnen. Graz ist zum attraktiven Forschungsstandort geworden. Wir konnten mittlerweile nicht nur in Europa, sondern auch Nord- und Südamerika bis hin nach Neuseeland und Singapur auf uns aufmerksam machen. Der neue Med Campus hat uns hierbei sicher geholfen, aber man darf niemals vergessen: Nicht Gebäude, sondern Menschen machen letztlich eine Universität aus. Es gibt zwar budgetbedingt eine gläserne Decke, wir haben aber wichtige Schritte gesetzt.

 

Wie steht die Med Uni Graz im Vergleich zu den anderen Medizinischen Universitäten in Österreich da?

Samonigg: Innsbruck ist ähnlich groß wie Graz, da sind wir in einem guten Verhältnis zumindest auf Augenhöhe. Wir können stolz darauf sein, dass wir sehr gut weitergekommen sind. Die Medizinische Universität Wien ist deutlich größer. Aber wir müssen uns nicht verstecken. Im ‚Young-University-Ranking‘ sind wir sogar top und vor diesen beiden Unis. Wir können ohne Übertreibung sagen: Achtung Wien, wir kommen!

 

Die Ausweitung der Studienplätze als Mittel gegen den Ärztemangel haben Sie immer kritisch gesehen. Warum? Was ist das richtige Mittel?

Samonigg: Wir stocken ja laufend auf. Bezogen auf die Bevölkerungszahl bilden wir in Österreich mehr Studierende aus, als es Deutschland und die Schweiz tun. Wir haben auch einen geringeren Zuzug von Ärzt:innen aus dem Ausland als Deutschland oder die Schweiz. Die Argumentation ist also nicht immer fundiert. Gewisse Politikerinnen und Politiker agieren da auch populistisch, wenn sie ein Hochschrauben der Ausbildungsplätze verlangen. Fachleute, die sich wissenschaftlich mit dem Thema befassen, tun das nicht. Kassenstellen etwa müssen attraktiver werden, dafür können die Universitäten jedoch nichts beitragen. Der ständige Ruf von einzelnen Politiker:innen nach Anhebung der Studienplätze ist nur eine Ablenkung von strukturellen Versäumnissen. Vergessen wir bitte auch nicht: Studierende, die jetzt ihre Ausbildung beginnen, können erst in mehr als zehn Jahren fachärztlich tätig werden. So zu tun, als ob sich aktuelle Probleme damit lösen lassen, ist ein Ablenkungsmanöver.

 

Das Land Steiermark hat ziemlich viel Geld in die Hand genommen, um mehr Ärzt:innen über eine private Uni in die Steiermark zu bekommen. Wäre das Geld in der Med Uni Graz besser aufgehoben?

Samonigg: Da wurde sicher Geld für die falschen Dinge ausgegeben, das wir an der Med Uni Graz gut hätten brauchen können.

 

Gibt es zu viele deutsche Studierende an der Med Uni Graz und generell an den öffentlichen medizinischen Universitäten?

Samonigg: Deutsche Studierende abzulehnen, wäre retro. Das ist nicht zielführend. Es gibt ja auch exzellente Studierende aus Deutschland, die in ihrem Heimatland studieren könnten, es aber trotzdem in Österreich tun. Und vergessen wir nicht, dass in Deutschland etliche Österreicher:innen studieren, da sie die dortigen Aufnahmebedingungen erfüllen, die später nach Österreich zurückkommen.

 

Linz hat mittlerweile auch eine medizinische Fakultät. Ist das erfreulich oder eine Belastung?

Samonigg: Mit Linz verbindet uns eine gute Kooperation. Das ist aufwändig, erlaubt uns aber auch einen fruchtbaren Austausch. Man soll und kann das Rad nicht zurückdrehen. Mehr medizinische Universitäten oder Fakultäten brauchen wir jedoch in Österreich nicht.

 

Die Med Uni Graz hat die Einkommen ihrer Mitarbeiter:innen deutlich verbessert. Warum wurde so wenig darüber geredet?

Samonigg: Ja, wir haben das mittlerweile umgesetzt. Es gibt großteils deutliche Steigerungen. Angesichts der vielen Menschen, die mit der hohen Inflation nur schwer zurechtkommen, wäre es aber falsch, diese Steigerung der Ärzt:innengehälter öffentlich zu bejubeln.

 

Wie muss sich das Medizinstudium weiterentwickeln, um künftigen Ansprüchen gerecht zu werden?

Samonigg: Es ist ein kontinuierlicher Anpassungsprozess. Wichtig für die Studierenden ist es, dass sie zukünftig leichter zwischen Universitätsstandorten wechseln können. Was mir auch wichtig ist: Als ich studiert habe, kamen Begriffe wie Reflexion und Empathie so gut wie nicht vor. Wir hatten ehemals keinerlei Ausbildung hinsichtlich Kommunikation. Jetzt ist das explizit ein zentrales Thema in der studentischen Ausbildung. Federführend in Österreich verfügt die Med Uni Graz über ein Simulationszentrum, in welchem Studierende nahezu das gesamte Spektrum praktischer Tätigkeiten ausprobieren und üben können, ohne Patient:innen zu belasten. Auch da haben wir uns sehr toll entwickelt.

 

Was geben Sie Ihrer Nachfolgerin mit? Was bleibt noch zu tun?

Samonigg: Es ist auch weiterhin sehr viel zu tun. Sie braucht viel Energie und wohl auch Mut.

 

Die Fragen stellte Martin Novak.

 

Infos: medunigraz.at

 

Neue Uni, alte Fakultät

So wie die anderen öffentlichen medizinischen Universitäten (Wien, Innsbruck) liegt die Med Uni Graz zwischen Platz 200 bis 250 in den Times-Higher-Education-World- University Rankings 2024. Platz 1 ging (wie schon 2023) an die Universität Oxford. Mehr als 1.900 Universitäten wurden im aktuellen 20. Ranking nach den Kriterien „Teaching“, „Research Environment“, „Research Quality“, „Industry” und „International Outlook” bewertet.

Im Ranking 2024 fielen die österreichischen Universitäten etwas zurück, was laut Rektor Hellmut Samonigg auf die Änderung der Kriterien zurückzuführen ist.

In den Young-University-Rankings 2023 kommt die Medizinische Universität Graz auf Platz 16 weltweit. Das ist der beste Rang einer österreichischen Hochschule. Platz 1 geht hier an die Nanyang Technological University, Singapore.

Bewertet wurden hier nur Universitäten, die nicht älter als 50 Jahre sind. Die Med Uni Graz feierte dieser Tage ihren 20. Geburtstag. Die medizinische Fakultät (der Karl-Franzens-Universität) wurde jedoch bereits 1863 gegründet. 

 

Wer ist Hellmut Samonigg?

Univ.-Prof. Dr. Hellmut Samonigg wurde am 8. Oktober 1951 in Spittal an der Drau geboren. Er ist Facharzt für Innere Medizin und wurde 1992 zum Universitätsprofessor ernannt. Bis zu seiner Bestellung zum Rektor war er als Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie sowie der Universitären Palliativmedizinischen Einrichtung an der Med Uni Graz tätig.

Von 2003 bis 2008 fungierte er als Vizerektor für Strategie und Innovation an der Med Uni Graz. Ebenso hatte er die Position des Leiters der Organisationseinheit zur Entwicklung des Campus der Med Uni Graz inne. Von 2015 bis zu seiner Ernennung zum Rektor fungierte er als Vorstand der Universitätsklinik für Innere Medizin.

Seit 15. Februar 2016 ist Hellmut Samonigg Rektor der Med Uni Graz.

Außerdem ist er Initiator der österreichweiten Kampagne „Don‘t Smoke“ und wirkte so maßgeblich an der Umsetzung des Rauchverbotes in der Gastronomie mit.

 

Nachfolgerin Andrea Kurz

Anfang Juli 2023 wählte der Universitätsrat der Medizinischen Universität Graz die habilitierte Anästhesistin und Intensivmedizinerin Andrea Kurz zur Rektorin. Die gebürtige Wienerin war lange in den USA tätig, unter anderem von 2014 bis 2018 als Leiterin der Abteilung für allgemeine Anästhesiologie an der renommierten Cleveland Klinik und der Division for Clinical Research an der Washington University. An der Universitätsklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Medizinischen Universität Graz leitet Andrea Kurz seit 2020 eine Forschungseinheit.

 

Das bisherige Rektorat

Die Biochemikerin Caroline Schober (Vizerektorin für Forschung und Internationales), die Betriebswirtin Birgit Hochenegger (Vizerektorin für Finanzmanagement, Recht und Digitalisierung), die Erziehungswissenschafterin Sabine Vogl (Vizerektorin für Studium und Lehre) und der langjährige Klinikvorstand der Universitätsklinik für Orthopädie und Traumatologie, Andreas Leithner (Vizerektor für Klinische Agenden) bildeten mit Hellmut Samonigg das fünfköpfige Rektorat der Med Uni Graz. Die Periode endet mit 15. Februar 2024.

Grazer Straße 50a1
Grazer Straße 50a1
Grazer Straße 50a1